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Mit der Einsicht in den Zusammenhang stürzt, vor dem praktischen Zusammensturz, aller theoretische Glauben in die permanente Notwendigkeit der bestehenden Zustände. (Karl Marx, MEW 32:553, Brief an Kugelmann) Befreiung beginnt mit Ent-Täuschung. Der ebenso hartnäckige wie für die psychische (...)
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Zu denken uns aufgegeben ist heute der Begriff der nackten Apokalypse, das heißt: der Apokalypse, die im bloßen Untergang besteht, die also nicht den Auftakt zu einem neuen, und zwar positiven, Zustande (zu dem des „Reiches“) darstellt. Diese Apokalypse ohne Reich ist kaum je zuvor gedacht worden, (...)
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Für das Enorme war plausiblerweise die normale menschliche Sprache nicht „gemacht“, auf dessen Benennung, Darstellung und Bewältigung nicht vorbereitet. Der Aufgabe, das Maß- und Grenzenlose, mit dem wir uns seit 1945 pausenlos konfrontiert wissen – nein: eben kaum „wissen“, mit dem wir konfrontiert (...)
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Eugène Ionescos absurder Einakter La Leçon (deutsch: Die Unterrichtsstunde) hat zahlreiche literarische und psychologische Interpretationen angeregt. Er kann aber auch als – gar nicht so absurde – apokalyptische Darstellung eines pädagogischen Sachverhalts gelesen werden. Dies im doppelten Sinne. (...)
Und ewig lockt die Apokalypse
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Womit verbringen die Kids heutzutage eigentlich ihre Freizeit? Zum Beispiel mit dem ungemein populären Onlinecomputerspiel „Rust“, das den Spielern – hier einem Redakteur der populären Newssite rockpapershotgun – folgende aufregenden Erlebnisse beschert: „Mit einem Stein bewaffnet versuchte ich (...)
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Es war ein ganz und gar schreckliches Erlebnis: komme nach Zugfahrt etwas erschöpft in Wien an und geh halt zur U, um nach Hause zu fahren. Hör ich schon, wie ich mit der Rolltreppe runterfahre ganz feine, herrliche Klänge. Sitzen da unten zwei Frauen und machen ganz wunderbare Musik (Gitarre, (...)
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Die Apokalypse wurde schon unzählige Male verkündet. So betrachtet ist sie ein alter Hut. Neu ist die spezifische Form voyeuristischer Katharsis, mit der sie in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten inszeniert wird. Sie wird nicht länger gefürchtet, als Machtinstrument benutzt oder in religiöse (...)
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U-Bahn Wien: Gleich beim Einsteigen höre ich ein unangenehmes Geschimpfe. Ein älterer Mann scheucht eine kleine, unscheinbare, verhutzelte Frau in schwarzem Gewand wie ein Tier vor sich her. „Schleich dich, Bettlergsindl. Raus da!“, schreit er laut. Ich erwidere ihm spontan in heftigem Ton: „Die (...)
Ausgeträumt
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Man muss – nach jahrzehntelangen frustrierenden Erfahrungen – das globale ökologische Versagen wohl auch einmal akzeptieren lernen, statt weiter leeren Hoffnungen nachzuhängen und (vermutlich) christlich kulturgeprägt doch noch an einen Ausweg aus der Öko-Krise zu glauben. Bei den erwähnten, leeren (...)
Mit uns und der Welt ins Reine kommen
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Vorstellungen von Zeit und Leben er-leben wir in unserem Alltag. Tag und Nacht, die Mondphasen, der Wechsel und die Wenden des Sonnenlaufs und der Jahreszeiten, das wiederkehrende Wachstum all dessen, wovon wir leben, aber auch die ständige Folge von Tod und Geburt in der lebendigen Natur (...)
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Einer der markantesten Züge dessen, was wir die „westliche Zivilisation“ nennen, ist ihre Apokalyptik. Ein Blick in die nächste Videothek genügt, um festzustellen, dass das Kino von der Idee der Weltzerstörung geradezu besessen ist. Apokalypsen endeten jedoch ursprünglich nicht mit dem Weltuntergang, (...)
Das Nichts nichtet nichts!
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I. „Wann wohl kann ein Toter die Strahlen der Sonne sehen“, heißt es im Gilgamesch-Epos. – Das Leben ist das Leben und ein Leben außerhalb des Lebens gibt es nicht. Nicht im Tod, nicht mit dem Tod, nicht durch den Tod und schon gar nicht nach dem Tod. Der Tod ist der Tod. Nicht mehr und nicht (...)
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Ich habe … Ich bin. Eine Enthüllung Ich habe. – Ich beginne meinen Text mit „Ich habe.“ Was habe ich? Habe ich was? Was heißt das: „Ich habe“? Es sollte ein ganzer Satz werden. Dann war ich abgelenkt, und als ich wieder aufs Papier blickte, stand da „Ich habe“. Der Rest hat sich in Nichts aufgelöst. (...)
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Als Isaac Marximov – pekuniär unterstützt von Larry Nivenengels – im London des vorigen Jahrhunderts folgenden Text veröffentlichte, der mit den Worten begann: „Es geht ein Gespenst um in Europa – das Gespenst des Sciencefictionismus. Alle Mächte des alten Europa haben sich zu einer heiligen Hetzjagd (...)
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Eine treffende Diagnose der aktuellen kollektiven Verfassung lautet Reizüberflutung. Vielerlei Reize sind so anziehend oder so aufdringlich, dass wir uns ihnen kaum entziehen können. Von den Infoscreens in den U-Bahnstationen und in der Straßenbahn bis zu den Verlockungen, die Smart-Phone und TV (...)
Die souverän ernährte Stadt?
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Urbanes Gärtnern gewinnt seit einigen Jahren zunehmend auch in Wien an Bedeutung. Die Gärten sind dabei nicht auf die physischen Gartenorte zu reduzieren, sondern mindestens ebenso als diskursives Phänomen von Bedeutung. Eine Reihe von Zuschreibungen fällt ins Auge, wonach die Gärten sozialen (...)
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Ein gutes Leben ist eines, das wir voller Energie und Schöpfungskraft führen können, eines, das uns die Entfaltung unserer Individualität ermöglicht. Ein Leben voller Motivation. Doch wie geht ein „Leben voller Motivation“? Ist Motivation eine Individualtechnik, die jede und jeder erlernen kann? Wie (...)
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Aus der Masse der Publizisten und Wissenschaftler, die sich dafür verantwortlich fühlen, dass die Erwärmung der Erdatmosphäre in den kommenden Jahrzehnten nicht noch weiter zunimmt, die Polkappen nicht noch weiter abschmelzen, der Meeresspiegel nicht noch weiter ansteigt und die Weltmeere nicht (...)
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Birgit Vanderbeke: Das lässt sich ändern. Piper Verlag 2012, 160 S., ca. 9 Euro Die theoretische Arbeit an Alternativen zu Geld, Markt und Kapitalismus ist nutzlos, wenn sie nicht zu einer Praxis ohne Geld, Markt und Kapitalismus führt. Vanderbekes 150-Seiten-Roman ist ein Lustmacher auf ein (...)
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Hi, ich bin 24, weiß, männlich, untere Mittelschicht, geboren ein Stück landeinwärts von der Küste des Staates Washington. Meine Eltern besaßen eine Stereo-Kompaktanlage in gemasertem Plastikfurnier, das wie Holz aussehen sollte, und ein Box-Set mit lauter aktuellen Mainstream-Radio-Hits der (...)
