Multitude
Beiträge
Grundrisse, Nummer 2

Repräsentation und Multitude — ein Bericht

Juni
2002

Dienstag 19. März 2002. Die SPÖ Ottakring hat zu einer Diskussionsveranstaltung über das Sozialstaatsvolksbegehren in ein bekanntes Wirtshaus im 16. Bezirk eingeladen. Der Gastraum ist ziemlich voll, am Podium VertreterInnen des unabhängigen Personenkomitees und zwar: die Theaterdirektorin Emmy (...)

Streifzüge, Heft 3/2003

Wolpertinger im Jurassic Park

Die unaufhaltsame Regression der deutschen linksradikalen Szene
Oktober
2003

Die gesellschaftliche Krise, die es angeblich gar nicht gibt, ist nun auch bis in die kleine ideologische Welt des deutschen Linksradikalismus und seiner diversen verfeindeten Szenen vorgedrungen. Einschneidende antisoziale Gegenreformen, Agenda 2010, Massendemonstrationen dagegen in Berlin und (...)

Grundrisse, Nummer 35

Produktivität als Autonomie?

Zum Abschluss der Trilogie Empire, Multitude, Commonwealth von Antonio Negri und Michael Hardt
September
2010

Dieser kleine Text stellt selbstverständlich keine umfassende Analyse und Einschätzung der im Jahre 2000 mit Empire begonnen und nun mit Commonwealth abgeschlossenen Trilogie dar. Ob ein derartiges Unterfangen angesichts der oftmals unscharfen und schillernden Begriffsbildung und (...)

Multitude ist ein Begriff aus der politischen Philosophie. In der aktuellen Diskussion spielt er vor allem im Postoperaismus eine wichtige Rolle.

Bekannt wurde der Begriff durch das Buch Empire – die neue Weltordnung von Antonio Negri und Michael Hardt (2000; dt.: 2002). Der Bedeutungsraum von Multitude – in der deutschen Übersetzung von „Empire“ als „Menge“ übersetzt – kann auch „Vielheit“, „Vielfalt“ (von Personen, Subjekten, „Singularitäten“) umfassen. Bei Hardt und Negri geht der Begriff zurück auf die Philosophie Spinozas (Multitudo).

Begriffsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der antiken römischen Republik nutzt Marcus Tullius Cicero den Begriff in de re publica (54–51 v. Chr.). Hier erklärt Cicero die „Multitudo“ als Ursprung der Gesellschaft bzw. der Republik: Es ist also die Republik die Sache der Bevölkerung, eine Bevölkerung aber nicht jede irgendwie zusammengescharte Ansammlung, sondern die Ansammlung einer Menge („multitudo“), die in der Anerkennung des Rechtes und der Gemeinsamkeit des Nutzens vereinigt ist. Ihr erster Beweggrund aber zusammenzukommen, ist (…) eine sozusagen natürliche Geselligkeit der Menschen.

Eine Wiederaufnahme erfährt der Begriff der „Multitudo“ in der Philosophie der frühen Neuzeit. Für Spinoza begründet die Souveränität eines Staates „die Macht, nun nicht mehr eines einzelnen, sondern der wie von einem Geist geleiteten Menge“. Er vermeidet es dabei (entgegen der Interpretation Negris), die Macht der Menge (multitudinis potentia) auf die der Individuen zurückzuführen (vgl. Spinoza: Politischer Traktat III, § 2).

Bei Thomas Hobbes in der Schrift Vom Bürger heißt es, dass sich die Multitude gleichermaßen gegen die aristokratische Herrschaft wie gegen das Volk (was so viel heißt wie: die Einheit des Volkes) erhebe. In Hobbes’ Leviathan erscheint der übermächtige Souverän des Titelblatts aus zahllosen in den Gesellschaftsvertrag einwilligenden, und damit eine Einheit bildenden, Einzelmenschen gebildet. Die Multitude wird als Gefahr für den Leviathan betrachtet, da sie Vielheit ist.[1]

Und bei William Shakespeare taucht „the monster of the multitude“ in verschiedenen Dramen in der Imagination der Aristokraten wie der Bürger auf, am eindrucksvollsten formuliert in The Tragedy of Coriolanus (2. Akt, 3. Szene), wo die Gegenwart der Menge als „the many headed Multitude“, die vielköpfige Menge, beschrieben wird.

Aktuelle Diskussion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die wohl kürzeste Definition von Hardt und Negri selbst lautet wie folgt: Das ist die Definition der Multitude (…): Singularitäten, die gemeinsam handeln.[2] Negri beschreibt deren Realität als Immanenz (gegen die Transzendenz des „Volkes“), als Klasse (insofern die gesellschaftliche Kooperation der Multitude ausgebeutet ist) und als Potenzialität[3]. Paolo Virno spricht von den „Vielen als Viele“, um die Multitude zu kennzeichnen.[4] Die Multitude ist ein Netzwerk, ein offenes Beziehungsgeflecht, ein Feld von Singularitäten, das nicht homogen oder mit sich identisch ist. Sie ist zu unterscheiden vom „Volk“ und der Arbeiterklasse, denen jeweils ein einheitlicher Willen unterstellt wird, und von der formlosen, formbaren Masse.[5] Sie soll dezidiert nicht ein „neues revolutionäres Subjekt“ sein, das der Herrschaft des Empire entgegensteht. In Anlehnung an Marx ist die Multitude dennoch eine politische Klasse, die dadurch ein kollektives Ganzes wird, dass sie gemeinsam kämpft. Ziel des Kampfes ist, grob gesagt, die vollständige Demokratisierung der Weltgesellschaft. Michael Hardt und Antonio Negri meinen, dass jede Epoche durch eine Form gekennzeichnet sei: Im Gegensatz zum Disziplinar-Paradigma Foucaults treffen wir heute überall auf die Form des Netzwerks – diese kennzeichnet Sprachverhältnisse, militärische Einheiten, Muster der Migration, soziale Bewegungen, Firmen, physiologische Strukturen und sogar persönliche Beziehungen.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Virno, Paolo: Grammatik der Multitude. ID Verlag, Berlin 2005; S. 8
  2. Hardt/Negri 2004, 123
  3. Negri 2003
  4. Virno, Paolo: Grammatik der Multitude. ID Verlag, Berlin 2005
  5. Dominik Nagl: No Part of the Mother Country, But Distinct Dominions. Rechtstransfer, Staatsbildung und Governance in England, Massachusetts und South Carolina, 1630 – 1769. LIT Verlag, Berlin 2013, S. 609. [1]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]