Grundrisse, Nummer 30

Medieninhaberin: Partei „grundrisse“
Herausgeberin: Redaktion „grundrisse“ (Dieter A. Behr, Martin Birkner, Bernhard Dorfer, Robert Foltin, Daniel Fuchs, Markus Grass, Käthe Knittler, Minimol, Franz Naetar, Paul Pop, Karl Reitter)
Layout & Covergestaltung: Lisa Bolyos, Fotomontage unter Verwendung eines Fotos von indymedia_Istanbul 1. Mai 2008
Erscheinungsort: Wien
Herstellerin: Digidruck, 1030 Wien
Offenlegung: Die Partei „grundrisse“ ist zu 100% Eigentümerin der Zeitschrift „grundrisse“. Grundlegende Richtung: Förderung gesellschaftskritischer Diskussionen und Debatten
Der Inhalt der „grundrisse“ steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation, außer wenn anders angegeben.

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,
vor euch liegt die 30. Ausgabe der grundrisse. Bereits im Frühherbst 2008 gab es erste Überlegungen, unser Jubiläum als Sondernummer zur Türkei zu feiern. Dass dies ein dreiviertel Jahr später zu einem 150seitigen Wälzer geworden ist, hätten wir damals nicht zu denken gewagt. Die Redaktion jedenfalls freut sich, dass das Heft schließlich doch noch fertig geworden ist. Sowohl aus der Türkei stammende Menschen aus unserem Umfeld als auch ein besonderes Interesse von (...)

Beitræge

Gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Pınar Selek*

Dose

7

Wieder einmal ist in der Türkei eine Kampagne für die feministische Soziologin Pınar Selek angelaufen, die letzte Kampagne fand im Jahr 2006 statt. Anlass der Kampagne ist, dass das seit nunmehr 11 Jahren laufende Verfahren wiedereinmal aufgenommen wurde. Die Vorgeschichte ist eine Explosion am (...)


Redebeitrag, der auf der großen Demonstration am 28. März gehalten wurde:

Warum wir auf dieser Demonstration einen antikapitalistischen Block bilden

11

Weil wir nicht die Krise des Kapitalismus bekämpfen, sondern den Kapitalismus selbst! Was scheinbar als Problem einiger US-amerikanischer Hypothekenbanken begann, ist die schlimmste Krise des Kapitalismus seit 1929. Die 29er-Krise dauerte fort, bis sie von Schlimmerem abgelöst wurde. Auf sie (...)


Redebeitrag von autonomen Feministinnen und Lesben, FrauenLesbenBlock bei der Demo am 28.März:

Das kapitalistische Patriarchat serviert der Öffentlichkeit seine finstere Krise, und diese Krise betrachten wir als öffentliche Bankrotterklärung eines menschenverachtenden Systems

13

Jene Elemente, die immer reicher und reicher werden wollten und dabei über Leichen gehen, sie stehen nun an. Ihr System droht völlig zusammen zu brechen. Und sie schreien um Hilfe. Die Staatssäckel werden angezapft – um den schlimmsten Crash zu verhindern. Dabei wird gar nicht erst gefragt – wie (...)


Kurze Geschichte der Republik Türkei

15

1908: Nach zwei Jahren Dürre und entsprechender Lebensmittelknappheit kanalisieren Offiziere und Absolventen der Militärakademie die im gesamten Staatsgebiet aufflackernden Revolten (Streiks, Hunger- und Soldatenrevolten), erzwingen die Einsetzung einer Verfassung und übernehmen als (...)


Anti-Neoliberale Strategien neu denken

Ein Blick auf die Türkei aus der Perspektive der Werttheorie

22

(…) Marco Polo beschreibt eine Brücke, Stein um Stein. „Doch welcher Stein ist es, der die Brücke trägt?“ fragt Kublai Khan. „Die Brücke wird nicht von diesem oder jenem Stein getragen“, antwortet Marco, „sondern von der Linie des Bogens, den diese bilden.“ Kublai Khan verharrt in nachdenklichem (...)


Die „Konservativ-liberale“ Politik der AKP in der Türkei im historischen Zusammenhang

38

1. Einleitung Liberale und konservative Sichtweisen interpretieren die Politik der AKP (Adalet ve Kalkınma Partisi, Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung) als historischen Bruch mit dem Kemalismus. Nach dieser Auffassung treibt die AKP die Demokratisierung im Gegensatz zum kemalistischen (...)


Die Türkei in den Krisen 1994 und 2001

Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse

47

Der vorliegende Text diskutiert das Wachstumsschema in der Türkei in der Post-1980er Periode mit besonderem Augenmerk auf Arbeitsverhältnisse und die Lohnentwicklung. Die Einkommens- und Lohnpolitik spielte eine entscheidende Rolle dabei, den Druck auf die Profitrate auszugleichen, der sich durch (...)


Ein Überblick über die Geschichte der Frauenbewegung in der Türkei vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart

60

Die Geschichte der Frauenbewegung in der Türkei lässt sich ins 19. Jahrhundert zurückführen. Die Frauen innerhalb der Istanbuler Eliten fanden in der Suffragettenbewegung nach dem englischen Modell ein Vorbild, waren aber auch auf der Suche nach einer selbstbestimmten Identität, nach einem „eigenen (...)


Ohne Feminismus kein Sozialismus

71

Sozialistischer Feminismus beruft sich auf die Kapitalismuskritik des Marxismus, Frauenunterdrückung kann jedoch nicht auf Klassenunterdrückung reduziert werden, sondern es muss ein eigenes Herrschaftssystem Patriarchat angenommen werden, das als ebenso grundlegend wie der Kapitalismus angesehen (...)


Schulausbildung und Militarismus

78

Die türkischen Streitkräfte, ein wesentlicher Akteur der türkischen Politik, sowie ihre nationalistische Ideologie nehmen im Lehrplan der Gymnasien einen wichtigen Platz ein und werden im Fach „Nationale Sicherheit“ unterrichtet. Alle Studierenden müssen diesen Unterricht im zweiten Jahr der (...)


Kurze Geschichte des Widerstandes in den Gefängnissen seit 1980

81

Die Geschichte der Kämpfe der politischen Gefangenen in der Türkei und Kurdistan hat eine lange Tradition. Die Gefängnisse sind Orte unzähliger Widerstandsaktionen und Hungerstreiks gegen einen repressiven Staat, der gegen jegliche Art von Opposition vorgeht und dabei nicht vor Folter und Mord an (...)


Politisches Asyl

Zur Invalidisierung der Revolutionäre*

87

Die politische Ausgangslage In den 70er Jahren entwickelte sich in der Türkei eine revolutionäre Situation. Es gab zwischen vierzig und fünfzig marxistisch-leninistische und maoistische Gruppierungen und Organisationen, die mit verschiedenen Taktiken und Strategien gegen die sozialdemokratisch (...)


Frontex — nicht in der Türkei?

Dose

95

Im Rahmen der Vorbereitungen des no-border camps in Dikili 2008 in der Türkei erhielt ich auf Fragen nach den Aktivitäten von Frontex in der Türkei stets abweisende Antworten. Diese liefen darauf hinaus, dass es, weil die Verhandlungen zwischen derEU und der Türkei stockten, hier kein Frontex gäbe. (...)


Die Massenmigration in der Türkei der 1950er-Jahre vom Land in die Städte

100

Einleitung Türkische IndustriearbeiterInnen kamen in den 1950er-Jahren hauptsächlich aus ländlichen Gebieten der Türkei in die Städte. Das ökonomische Umfeld dieser Jahre ist schon genau untersucht; ich versuche dagegen in diesem Artikel herauszufinden, wie die IndustriearbeiterInnen diese Zeit (...)


Istanbul:

Widerstand im Stadtteil und gegenkultureller Raum

109

… Räume können niemals vollkommen kapitalisiert werden. Sie besitzen immer die Eigenschaft, etwas anderes zu werden. K. Gibson-Graham Stadterneuerung in Istanbul Am frühen Morgen des 28. August 2008 begannen die Bulldozer der Stadtverwaltung die Baracken von aus der Stadt Adana stammenden (...)


Pilotprojekt Türkei:

Ein neuer Angriff auf unser Wasser — eine neue Stufe im kapitalistischen Akkumulationsprozess?

115

Thousands have lived without love, not one without water. Wir Menschen bestehen zu ca. 70% aus Wasser. Kein Leben auf diesem Planeten ohne Wasser. Höchstens die Luft könnte als lebensnotwendiger betrachtet werden. Und doch sind es weltweit über 1 Milliarde Menschen - jede/r sechste also -, die (...)


Kurze Geschichte Kurdistans ab 1920

120

Kurdistan ist je nach Definition und Schätzung mit 490.000 bis 530.000 km² ungefähr so groß wie Frankreich und umfasst zurzeit Teile der Staaten Türkei, Irak, Iran und Syrien. Es gibt bis heute allerdings keine genaue geographische (...)


Anja Flach im Gespräch mit Minimol

„Frauen- und Volksräte versuchen, Funktionen zu übernehmen, um den Staat überflüssig zu machen“

Minimol

127

Anja Flach ist Mitarbeiterin der Informationsstelle Kurdistan (ISKU). Sie war von 1995 bis 1997 als Internationalistin in den Bergen Kurdistans und teilte dort das Leben von Guerilla-Einheiten der kurdischen Befreiungsbewegung. Auf Basis ihrer Tagebuchaufzeichnungen aus dieser Zeit entstand das (...)


Risse im Grund: Geschichte einer Revolution

139

Zuvor ein paar einleitende Worte. Nachdem ich erfahren hatte, dass noch Texte für die „Türkei-Ausgabe“ der grundrisse erwünscht sind, mir jedoch die Zeit fehlte, um einen recherchierten Artikel zu verfassen, möchte ich nun mit einem Essay, einer Geschichte zu einem Thema beitragen, dass wohl meinen (...)


Murat Uyurkulak:

Zorn

aus dem Türkischen von Gerhard Meier
Minimol

143

Zürich: Türkische Bibliothek/Unionsverlag, 2008, 19,90 Euro Die Revolution war einst eine Wahrscheinlichkeit, und sie war schön. Mit diesem Satz beginnt Murat Uyurkulaks sprachgewaltiger Erstlingsroman, der 2002 in der Türkei unter dem Titel Tol – einem kurdischen Wort für Rache, Wut, Zorn – (...)


Birgit Sauer / Sabine Strasser (Hrsg.):

Zwangsfreiheiten

Multikulturalität und Feminismus
Minimol

145

Wien: Promedia Verlag, 2008, 260 Seiten, 24,90 Euro (...) Die öffentliche Skandalisierung von Zwangsverheiratung und Genitalbeschneidung haben ohne Zweifel dazu beigetragen, Tabus zu brechen (...). Doch zeitigen rechtliche und politische Maßnahmen durchaus paradoxe Folgen. (...) Prohibitive (...)


Ilker Atac, Bülent Kücük, Ulas Sener (Hg.):

Perspektiven auf die Türkei

Ökonomische und gesellschaftliche (Dis)kontinuitäten im Kontext der Europäisierung

149

Münster, Verlag Westfälisches Dampfboot, 2008, 363 Seiten, € 29.90 Durch die EU-Beitrittsdebatte ist die Türkei in den Fokus der medialen Debatten gerückt. Dabei stand und steht zwar oft die leidige Diskussion über „Islamisierung“ und über die Grenzen Europas im Mittelpunkt (wo ist übrigens diese (...)

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