ZOOM 7/1997
November
1997
Begegnung der anderen Art

NATO-Gegner treffen im Gebirge auf den Pandur

oder: Pandur und die Büchse der Pandora

Es war einmal: Nationalfeiertag 1997. Von den militärischen Eliten wurde er in einen „Festtag des Bundesheeres“ umbenannt, gleichsam nach dem umgewandelten Motto: Die Neutralität ist tot, es lebe das Militär!

Wenn sich heimische Tourismusgemeinden trendig als Erlebnisgemeinden und für Erlebnisurlaube anpreisen, wenn ein Möchtegernpräsident in seinen Einkaufstempel zum Erlebnisshopping einlädt, wollten die Bundesheerpropagandisten zeitgeistig nicht zurückstecken und boten sich selbst als „Erlebniswelt“ an. Das klingt nach Urlaub, nach Abenteuer und Spannung, Action und Seitenblicke.

Landauf, landab präsentierte sich also das Militär am 26.10. In Tirol wurde auf Einladung des Militärkommandos die Erlebniswelt auf über 2000 Meter auf die Seegrube – hoch über Innsbruck – verlegt. Dort, wo im Winter die SchifahrerInnen und SnowboarderInnen kurven, wo im Sommer JapanerInnen und AmerikanerInnen und TouristInnen aus Ländern dazwischen ihr staunend entzücktes „oh man!“ oder „iuihi“ tausendmal hinausposaunen, dort wollte das Bundesheer der Zivilbevölkerung und sich selbst seine Großartigkeit demonstrieren.

Das Wetter an diesem „Nationalfeiertag“ – noch heißt er ja nicht „Bundesheertag“ – erlaubte es dem Militärkommando, seine „Brot und Spiele“-Show auf der Seegrube abzuhalten. Heeresbergführer zeigten, wie man Verletzte im Gebirge birgt. Und die Bevölkerung durfte staunen. Zwei Militärhubschrauber sorgten für den Lärm.

Der militärische Liebling des Tages war freilich der Panzer Pandur. Was der Name wohl bedeutet? Namensähnlichkeiten dürften zwar nicht beabsichtigt sein, drücken aber nicht Unwesentliches aus: Panduren waren jene Soldaten der österreichischen Armee, die im Kleinkrieg in Südungarn im 17. und 18. Jahrhundert eingesetzt waren. Österreichische Soldaten im Krieg im Dienste eines Großreichs, Soldaten auf Eroberungszug out of area. Das war damals. Das könnte bald wieder sein. Der Pandur eignet sich dafür optimal, war bislang noch ein missing link für eine NATO-kompatible Eingreifarmee.

Oder hat Pandur mit Pandora zu tun, jener griechischen Mythologiegestalt, die aus ihrem Gefäß Übel und Krankheiten auf die Menschheit brachte. Die enorme Maschinenkanone, die aus dem Panzer-Turm ragt, ließ eine solche Vermutung wohl zu. An diesem Tag konnten jedoch die Kinder daran herumwerkeln, auf dem Panzerlein spielen, und für die Männer gab’s eine Extravorführung, wie kräftig und wendig dieses Steyr-Prestige-Kriegsgerät doch ist. Vom Luftdruck der Reifen bis zur Höchstgeschwindigkeit wurden die Details vorgestellt – nur den Preis verschwieg man lieber. Bis zu 2 Milliarden wird allein der geplante Kauf der 160 Pandur kosten. Enorm hoch sind freilich auch die Wartungskosten, ist der Verbrauch von Diesel und Benzin.

Auf der Seegrube waren jedoch nicht nur einige Dutzend Ausflügler und zivile Bundesheer-Kiebitze sowie mehr als 1000 Soldaten, sondern auch gut zwei Dutzend Menschen mit einer klaren Botschaft: Nein zu diesem NATO-Bundesheer. Sie kamen aus verschiedenen Zugängen: Gewerkschaftsjugend, JungsozialistInnen, Pax Christi, Österreichische Bewegung gegen den Krieg und KommunistInnen. Ihre gemeinsame Plattform war die Neutralitätsinitiative Tirol. Ihre Botschaft für diesen Tag: Nein zu diesem NATO-Bundesheer und Nein zur NATO-Integration!

Nach langem Warten – die Soldaten wurden bevorzugt und „in Masse“ in die Gondeln gestopft – konnten wir um halb zwei unsere Aktion beginnen. Die Soldaten begannen bereits für die kommende Angelobung Aufstellung zu nehmen. Die Prominenz war anwesend. Der Landeshauptmann Weingartner, der gerade zuvor dem ebenfalls anwesenden Generaltruppeninspektor Majcen das höchste Tiroler Verdienstkreuz überreicht hatte, der Bürgermeister von Innsbruck und weitere militärische, zivile und kirchliche Prominenz.

In der steilen Karrinne oberhalb dieses Spektakels wurde plötzlich ein großes Transparent entrollt. „NATO – NEIN!“ stand da in großen Lettern unübersehbar zu lesen. Gleichzeitig waren Leute der Neutralitätsinitiative wie geplant um den Pandur versammelt. Der Überraschungseffekt gelang. Trillerpfeifen ertönten, Klopapier wurde um und auf das neue Kultobjekt des Bundesheeres gewickelt, Seifenblasen stiegen in die Luft, neun Menschen mit schwarzen Plastiksäcken spiegelten das NATO-NEIN! als lebendige Menschenbuchstaben zurück. Und unmittelbar danach wurden die Menschen – ob Soldat oder Zivilist – mit einem oder mehreren der sechs bunten Flugblätter ausgestattet. „Krieg ist kein Erlebnis“, stand da zu lesen, oder: „Das Bundesheer will die NATO, und was wollen Sie?“

Der Blick in die Zeitungen am Tag danach zeigte: Die herrschenden Medien sind fest in der Hand der „Geistigen Landesverteidiger“. Stolz wird von den Helden auf der Seegrube berichtet. Nein, nicht von den FriedensaktivistInnen, die den Panzer symbolisch in Klopapier hüllten und die Botschaft NATO-NEIN! verkörpern wollten. Die Helden, das sind für Tiroler Tageszeitung oder Kurier: Die Männer, die da zwangsweise den Eid auf die Fahne leisten mußten, die Politiker, die ihnen dabei auf die Finger schauten, die Berufsmilitärs, die sich einmal neu als unwiderstehlich toll präsentieren durften. Unsere Aktion wurde schlichtweg ignoriert. Da nicht sein kann, was nicht sein darf!

Die Begegnung mit dem Pandur auf hoher Seehöhe hat uns Neutralitätsbewegte und FriedensaktivistInnen jedoch bestärkt: NATO NEIN! und deswegen: Nein zu diesem NATO-Bundesheer.

„Soziale Sicherheit statt mi­litärische Unsicherheit“ — Kundgebung gegen den nationalfeiertäglichen „Bundesheerevent“ am Wiener Heldenplatz: NATO-Atomrakete, Satans­austreibung, Deserteurs­denkmal (unter den gestren­gen Augen der Kaiserin) und Hermes Phettberg (weniger streng).
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