Heft 5-6/2002
November
2002

Liebe Leserin, lieber Leser!

Als die Redaktion an ei­nem der ersten wärme­ren Frühlingsabenden be­schloss, einen Sexualitäts­schwerpunkt zu gestalten, sprudelten die Ideen nur so und es waren die Freude und Aufregung spürbar, sich hier auf — für alle Redaktionsmit­glieder mehr oder weniger — publizistisches Neuland zu begeben.

Die so entstandenen Arti­kel sollten auch als Erkun­dungen gelesen werden, als — durchwegs persönlich gefärb­te — Spurensuche in dem viel­dimensionalen Raum der Se­xualität, wie sie uns im Bereich des Politischen, der kulturel­len Produktion, der gesell­schaftlichen Hierarchisierungen, der sozialen Beziehungen und der diskursiven Ein- und Ausschlüsse begegnet.

Sexualität — und damit ein wesentlicher Teil von Selbst­bestimmung — unter äußerst schwierigen Bedingungen thematisieren Hannah Fröh­lich und Elisabeth Löffler. Utta Isop verfolgt die program­matische Forderung nach ei­nem umfassenden — im doppelten Wortsinn — Begriff von Sexualität. Heribert Schiedel und Ljiljana Radonic liefern eine sehr spannende Lektüre von Sexualitätskonzeptionen bei Marcuse und Adorno. Die Artikel von Günter Hefler / Eva Krivanec, von Ja­mes R. Moser und von Hei­de Hammer / Gabriele Resl beschäftigen sich mit — sehr unterschiedlichen — Thema­tisierungen von Sexualität in künstlerisch-kulturellen Pro­dukten und deren Rezeption. Schließlich stellt Lazy S ein jüngst erschienenes Ein­führungsbuch zu feministi­scher Theorie von Andrea Trumann vor, das einen span­nenden Ein- und Überblick aus kritischer Perspektive bie­tet. Die Radierungen von An­na Mitterer (siehe unten) er­gänzen den Schwerpunkt um eine zusätzliche reflexive Di­mension.

Daneben können wir noch mit dem zweiten Teil des Artikels zu Austrofa­schismus und portugiesi­schem Estado Novo aufwar­ten, die Serie zu Israel wird diesmal — bevor in der näch­sten Ausgabe ein Interview mit Benni Morris erscheint — mit einem Artikel zur Gene­ration der sog. „Neuen His­toriker“ in Israel von Karl Pfeifer fortgesetzt. Außerdem finden sich auf den letzten Seite dieser Doppelnummer eine Fülle von Rezensionen aktuell erschienener Bücher, so etwa Zeev Sternhells „Fa­schistische Ideologie“ (re­zensiert von Mary Kreutzer), eine Sammelrezension von Thomas Schmidinger zu den vielen Publikationen, die sich mit den Ereignissen des 11. September auseinanderset­zen, mehrere „Shorties“ zu­sammengestellt von Stephan Grigat und ein Sammelband mit dem Titel „Gedächtnis und Geschlecht“.

In diesem Sinne wün­schen wir eine anregende Lektüre und danken auch noch allen AbonnentInnen sehr herzlich für die Unter­stützung unserer Zeitschrift durch Abo-Beiträge. Denn, um seit langem wieder ein­mal Bert Zöchling zu zitieren: es gibt keine Öffentlichkei­ten — es sei denn, wir bilden sie!

Eva Krivanec
November 2002

Anna Mitterer — Piktogramme — Eine Gefangene ihres Unterleibes

Die Radierungen illustrieren einen von Männerphantasien geprägten Aspekt weiblicher Sexua­lität. Dem gefühlskalten Piktogramm wird eine emotionelle Illustration entgegengesetzt. Diese kann als Symbol für die allgemeine, sexuelle und kognitive Unterdrückung der bürgerlichen Frau des ausgehenden 19. Jahrhunderts und als Teil der noch immer aktuellen Unterdrückungsge­schichte gesehen werden. Der dargestellten „Hysterikerin“ und späteren Frauenrechtlerin Bertha Pappenheim (bei Breuer/Freud der Fall Anna O.) werden weder der Kopf noch eine eigene Ge­schlechtlichkeit zugestanden. Sie steht für all jene Frauen, die Opfer des alten männlichen Vorur­teils wurden, dass die Hysterie eine Reflexneurose weiblicher Genitalerkrankungen sei.

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