FORVM, No. 455
Oktober
1991

Die Kriegserklärungen der österreichischen Presse

Die kursiv gesetzten Zitate sind am 2. Juli wörtlich erschienen. Den Wahrheitsbeweis, mit Grüßen an Schalek, treten wir gerne an.

Vorbereitungen zum Krieg

Die Kufsteiner Jäger haben schon Grenzerfahrung aus dem Assistenzeinsatz im Burgenland. (Presse)

Ein Krieg löst oft einen anderen ab. Der Kriegsbeginn ist seine Vorbereitung (oft geht ihm eine gute Beschäftigungspolitik voraus). Die kann dann mit Jägern zu tun haben, in Erfahrungsgruppen bis über Grenzbereiche hinaus erlernt werden oder in bloß assistierenden Einsätzen vonstatten gehen. Andere arbeiten inzwischen in anderen Bereichen, wie Spionage, durch die man zunächst „nicht sichtbar, aber durchaus präsent“ (Verteidigungsministerium) war, als es die ersten militärischen Auseinandersetzungen in Jugoslawien gegeben hat. (Krone)

Schließlich haben wir uns seit Wochen vorbereitet. Nach der Alarmierung hat alles rontinemälsig funktioniert. Aber die Warterei zuvor war unangenehm. (Chef der Welser Panzerbrigade in den Oberösterreichischen Nachrichten).

Hauptsächlich funktioniert hat es, denn was macht ein Krieg, wenn er nicht funktioniert? Und was macht er erst, wenn er nicht routinemäßig funktioniert? Um die unangenehme Warterei nicht auf die Spitze zu treiben, hätten österreichische Firmen seit Februar Waffen nach Slowenien und Kroatien geliefert (Standard), behaupte die Gegenseite. Die Zuständigen haben sich noch nicht zu Wort gemeldet, wahrscheinlich haben sie nach wie vor und ganz besonders im Moment alle Hände voll zu tun. Aber nicht alle lümmelten in unangenehmer Warterei auf das routinemäßige Funktionieren irgendwo in Österreich herum. Beispielhaft diesbezüglich Hauptmann Eisenbach, der Offizierssproß, der sogar auf seinen Urlaub zu verzichten bereit ist. Vielmehr ist er stolz, daß er als Verbindungsoffizier zum Zoll, zur Gendarmarie und zur Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg schon Wochen vor Feuerbeginn in Slowenien bei steirischen Gastwirten und Gemeindevorständen gute Quartiere für seine Kompanie ausverhandelt hat. (Presse)

So preßt die Presse seine Vorbereitungsgeheimnisse in alle Welt hinaus. Wirte, sagt uns, wenn es wieder soweit ist, danke. Aber laßt Euch nicht drausbringen, wenn 2000 militärische Leute durchs Burgenland spazieren oder im Moment im Außendienst tätig sind und nicht durchs Burgenland spazieren, denn die für den Juliturnus in Burgenland geplant gewesenen Einheiten sind nun in Kärnten und der Steiermark stationiert. (Kurier)

Schließlich können dadurch die ausbleibenden kauflustigen Slowenen durch die kauflustigen Ungarn ersetzt werden. Denn wußten Sie, daß die Jugo-Krise unsere Wirtschaft Riesensummen kostet? ... In der Steiermark wird für viele Geschäftsleute, die von dem Ansturm der kauflustigen Slowenen lebten, die Situation schon dramatisch. (Krone) Aber schließlich werden Ostler als Nachbarn schon europäisch gehandelt, während Serbien bis Jugoslawien bis jetzt nur außerEGlich, haiderlich auf österreichisch bekämpft werden mußte. Inzwischen zum Glück ist schon Krieg und sogar die EG hat in dem Jugo-Drama endlich begriffen, was es heißt, sogar die EG, nicht nur Österreich und Albanien, was es heißt, Serbien zum Nachbarn zu haben. (Krone)

Schließlich kann jeder Thronfolger einen Weltkrieg zur Folge haben, wenn er in Serbien erschossen wird. Und schließlich, wenn die Slowenen ihre eigenen Slowenen werden und nicht mehr die unsrigen sind, grenzen wir ja dann nicht mehr an die, die, die Jugos! Nein Jugoslawen, nein Jugos ... Was ist der Unterschied zwischen Jugos und Jugoslawen? Die Kronenzeitung, mehr eh nicht. Mehr eh nicht als 2,6 Millionen Österreicher.

KRIEG,

der auf die Vorbereitung hin zu funktionieren hat, gegen den Feind; Kriege haben immer zwei Seiten, für gewöhnlich eine gute und eine schlechte. Was in diesem Fall gar nicht so einfach ist, denn neben den Jugos gibt es auch noch die Jugo-Deserteure und die Jugo-Deserteure packen aus. (Krone)

Den Feind hoffentlich, denn wen halten sie sonst eingepackt. Oder was? Sie sind schließlich keine Packesel, denn Tiere sind sie nicht. Exclusiv aus der Krone dazu: „Wir hatten geplant, unseren Offizier zu erschießen. Aber als es darum gegangen ist, wer’s tun sollte, ist es uns schwer gefallen ...“ Lange Pause, dann fast entschuldigend: „Wir sind ja keine Tiere.“

Soweit fettgedruckt Exklusivkrone. Dann erfahren wir live, wie die Krone argumentiert: Nein, sind sie nicht. Junge Burschen mit bubenhaften Gesichtern, gezeichnet von Erschöpfung, Hunger, Angst ... (Krone)

Wer also sind die Tiere? Gesetzt den Fall, im Krieg gibt es immer zwei Seiten, welche Rolle spielt dann die Natur? Versuchshalber einige dialektische Weisheiten aus dem Medienverein:

Bilanztote, vorläufige, gegen nicht standardgemäßen Toten, einen tragischen z.B.:

vorläufige Opferbilanz in Slowenien: 63 Tote

als tragisch wurde der Tod jenes slowenischen Piloten angesehen, der von Milizionären über Laibach abgeschossen wurde. (Standard)

Fremder im Fremdenverkehr gegen Einheimischen im Fremdenverkehr:

„für den Fremdenverkehr ist diese Sitnation aber nicht gut“, fürchtet ein Gewerbetreibender.

„5000 Soldaten im Kärntnerischen und Steirischen Grenzraum sind aber auch ein wirtschaftlicher Faktor“, meint der Presseoffizier. (Oberösterreichische Nachrichten)

Diplomatische Bemühungen gegen beste Wünsche. Die ausrangierte Brieftaube:

Unterdessen liefen die diplomatischen Bemühungen zur Entschärfung der Jugoslawien-Krise auf Hochtouren.

Bundespräsident Kurt Waldheim hat Montag dem neugewählten Vorsitzenden Stipe Mesic seine besten Wünsche übermittelt. (Wiener Zeitung)

Also sind Tiere doch mit im Krieg, als Zaungäste vielleicht. Aber vor allem Soldaten. Da gibt es dann die einen, von der anderen Seite, und die anderen, die von uns. Zu den einen meint die Krone, daß sie Geiseln ihres Offiziers waren, zu den einen slowenischen zumindest, ein Los, das sie mit fast allen Soldaten der Welt teilten. (Krone)

Jetzt nicht mehr, weil sie inzwischen zu Jugo-Deserteuren geworden sind. Die anderen sind z.B. die, die unter Hauptmann Eisenbach dienen. Von denen schlafen alle in festen Unterkünften, haben dort Duschen, können sich regenerieren (Der kleine Duden. regenerieren: a) erneuern, auffrischen; b) wiedergewinnen [Rohstoffe aus Abfällen ...]). Das ist für die Psyche der Männer sehr wichtig, denn sie wissen ja nicht (was sie tun oder) wie lange sie hierbleiben müssen. (Oberösterreichische Nachrichten)

Insofern sind auch sie nach der unangenehmen Warterei immer noch Geiseln ihres Offiziers, nach den Ausnahmen (Zacken aus der Krone) ist weiterhin noch zu suchen. (Bei den 200 österreichischen Soldaten im kurdischen Flüchtlingslager im Irak? Noch basisdemokratisch organisierbar?)

Andererseits könnten sich die Soldaten durch „Lesen & Lösen“ aus diesem Los eigenhändig befreien, weil ihnen „ihr persönliches Horoskop“ eben ein anderes Los bescheiden würde. So müßten die Widder aus der Volksarmee z.B. „ihre Ansprüche mit Nachdruck geltend machen“, aber „nichts auf die Spitze“ treiben. Den serbischen Skorpionen hingegen „ist es möglich, eine Veränderung zu verwirklichen“. (Welche sollten sie sich genau überlegen?) „Entschlossenes Handeln bringt sie ein gutes Stück weiter.“ Abgesehen davon, daß es auch unter den Slowenen Skorpione geben könnte, scheinen diese doch mehrheitlich aus Waagen zu bestehen, denn „Neues kann erfolgversprechend gestartet werden. Verlassen Sie sich nicht auf vage mündliche Vereinbarungen, Verträge müssen her.“ Denken Sie aber daran, daß auch Offiziere und demokratische Politiker gern in Horoskopen schmökern und dementsprechend heute vor allem Jungfrauen als treue Geiseln bereithalten, denn „Ihre Bemühungen werden von guten Gestirnseinflüssen unterstützt.“ Und „Wenn Sie“ dann noch dazu „gegebene Versprechen einhalten, gibt es“ als Belohnung auch noch „Erfolge“. (AZ)

Diese Erfolge auf beiden Seiten werden wohl noch weitere Tage dialektische Spannungen erzeugen, wie sie im Kriegsgeschehen auch anderweitig zu beobachten sind. So das Abenteuer und die Sorge, die letztendlich im Profit aufgehoben werden. Also bitte: Keine Schwarz-Weiß-Malerei.

Zum „Abenteuer“ deshalb, denn das ist fast wie ein Urlaub mit einem Schuß Abenteuer, Schuß überhaupt, wie ein Unteroffizier den Oberösterreichischen Nachrichten zu verstehen gab. Poetischer, vor allem in der Kriegsberichterstattung, informiert da schon die Presse, wenn sie vom Flug über den Smaragd-grünen Wörthersee schließlich im Eibiswald landet. Der rote Mond ist aufgegangen über den windischen Büheln im Südosten. Den Radlpaß taucht er in dieser Nacht zum Montag in mattes Licht ...

Und in diesem matten Licht mit Rotem Mond reitet der Schreiber märchenhaft in den Schlußsatz hinein, der dem Fortsetzungsroman Hoffnung verschafft: denn bevor er aber (der Hauptmann nämlich) in der Nacht in den Wald aufbrach, wechselte er seine schlanke Offizierspistole gegen einen massiven Trommelrevolver. (Presse)

Darunter, unter diesem massiven Trommelrevolver im roten Mondschein, verblaßt sogar die unter dem blauen Balken versteckte Schlagzeile der ersten Presseseite: daß der Handel mit Belgrad gefährdet ist.

Ganz anders rechnet sich da die ARBÖ-Sorge mit ihren 3000 registrierten Telefonanrufen: Die Sperre des Karawankentunnels kostet täglich eine Million Schilling. (Kurier)

Abgesehen von den Bemühungen aller Österreicher und ihrer Zeitungen (Standard, Presse u.ä.), auf die Milliarden Auslandsverschuldung Jugoslawiens an Nordwesteuropa hinzuweisen, scheinen andere Verluste an Gewicht zu verlieren: von der Wirtschaftskrise nicht betroffen dürfte das Carrera Brillenwerk im slowenischen Ormoz nahe der österreichischen Grenze sein. Die Fabrik ist sozusagen eine verlängerte Werkbank des Carrera Standortes Traun. Wir haben nur drei Werktage verloren, ist man in der Münchner Zentrale froh, daß nicht mehr passiert ist.

Was macht eine italienische Brille, die in München verwaltet wird, in Slowenien? Der slowenische Standort gilt wegen der niedrigen Arbeitskosten und gleichhohen Fertigungsqualität als ideal für einen Zulieferungsbetrieb. (Oberösterreichische Nachrichten)

D.h., wenn Slowenien den Krieg gewinnt oder verliert, sind sie länger noch sozial zu den Sehbehinderten.

Wurscht auch, wie der Krieg ausgeht, Profit klingelt aus der Richtung dringend notwendiger Lenkwaffen, die sich das Bundesheer, das österreichische, diesmal endlich doch anschaffen könnte. (Krone)

Was sind Lenkwaffen? Raketen (kleine), wie die Krone in Klammer spezifiziert. Oder, wie Humbert Fink zusammenfaßt: zeitgemässes Gerät, für diese Einrichtung.

Welche Einrichtung? So wenig Interesse war den jungen Menschen für dieses Bundesheer beizubringen!, daß sie jetzt nicht einmal wissen, von welcher Einrichtung die Rede ist. Da können wir höchstens noch darauf hoffen, daß mindestens Europa durch den Krieg aus den Kinderschuhen hinauswachsen wird. So wieder in den Oberösterreichischen Nachrichten: Die Jugoslawienkrise wird so hoffentlich zum heilsamen Schock, der Europa endlich politisch erwachsen werden läßt.

Wie es Österreich längst getan hat, denn es gibt kein Land, das außenpolitisch mehr tut als wir. (Klestil im Kurier)

Warum aber überhaupt Krieg? Dabei muß man das Motiv der Slowenen von dem Nichteinmischungsprinzip der EG unterscheiden. Über die Slowenen informiert der Standard, daß auch im Keller, in diesem Fall in einer Tiefgarage im Laibacher Regierungsviertel, ... die Slowenen keinen Zweifel an ihrem Willen zur Freiheit ließen. „Ich hoffe, daß nichts passiert, sagt ein älterer Mann. „Wenn auch nur eine Bombe fallt, wird kein einziger Soldat der Armee dieses Land lebend verlassen.“

Ebenfalls der Standard über andere Motive: Allerdings trat die Mehrheit der Delegierten für die staatliche Einheit ein und betonte unter französischer Führung das Prinzip der Nichteinmischung. Die EG-Delegierten bedauerten, aber verurteilten nicht die Gewaltanwendung der Volksarmee.

Und Bush, um Amerika nicht ganz über den Atlantik abzuschieben, hatte dem Irak am Wochenende mit einem erneutem Militäreinsatz der Alliierten gedroht, sollte Bagdad nicht seine atomaren, bakteriologischen und chemischen Rüstungsprogramme einstellen. (Standard)

Ende vom Krieg

Die österreichischen Kriegsmotive werden nicht beschrieben, sondern Mann geht sofort zur Sieger- und Verliererfrage über, zum einen und anderen. Eine standardisierte Interpretation zum anderen, dem Verlierer, die siebente jugoslawische Teilrepublik, die Armee. Sie hat nachdrücklich bewiesen, daß sie weder als Ordnungsfaktor noch als politische Größe ein verläßlicher Partner ist. (Standard)

Hoffen wir, daß sie nicht so gründlich wie die Alliierten in Irak und Kuweit für Ordnung sorgen, wie sie auf Friedhöfen üblich ist.

Der Kopf des Tages (Mesic) hingegen wird im Schlußsatz Vorsitzender und Konkursverwalter des Vielvölkerstaates ... Sieger sehen anders aus. (Standard)

Auch wenn der Gedankengang ähnlich endet, beginnt der Sieg nicht mit dem Kopf des Tages. In der Krone trägt die Überschrift das Thema des Tages vor:

Sloweniens Sieg. Den Jugo-Militärs muß aus ihrer bescheidenen Schulweisheit bekannt sein: Eine Armee, die das Schießen einstellt, einstellen muß, verliert die Dynamik, dem Gegner mit Gewalt den Willen aufzuzwingen. Weil: militärische Siege sehen anders aus. (Krone)

Hoffen wir, daß dieser vorgeführte Krieg nicht ähnlich schwindelt wie in den Kronenzeitungen (oder Zeitungen überhaupt) die Kroatenführung, die jetzt versucht, Ruhe zu suggerieren.

»suggerieren: jmdn. gegen seinen Willen seelisch beeinflussen« (Duden)

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