Wurzelwerk, Wurzelwerk 39
Mai
1985

Zur Problematik des Seminarismus

Workshops, Seminare, Kurse, Meditationen, esoterische Schulungen — ein neues Zeitalter hat, wie es scheint, begonnen. „New Age“ im Zeichen des Wassermanns, aber auch im Zeichen einer sich anbahnenden ökologischen und/oder militärischen Katastrophe.

Man kann vieles — nahezu alles —, was bisher nur wenigen zugänglich war, erlernen, vom Pendeln bis zur Astrologie, von der einfachen Meditation bis zur schamanischen Ekstase. In mancher Hinsicht sicherlich ein Fortschritt. Und doch hat die Sache einen Haken, der ihr jeglichen Lebensnerv zu ziehen droht.

Denn um all das geistige Wissen zu erhalten, muß man zunächst mal teilweise horrende Beträge auf den Tisch legen. Wobei — zudem — meist in Zweifel zu stellen ist, ob das angebotene „Wissen“ nicht purer Scharlatanerie entspringt.

Es scheint, als hätten Materialismus und Kapitalismus nun auch die „geistige“ Welt erobert. Eine gefährliche Entwicklung — nicht zuletzt für den politischen Boden, der solcherart bereitet wird.

Alle jene Menschen, die ich kenne, die wirklich brauchbares „lebendiges“ Wissen zu vermitteln fähig sind, stehen mit beiden Beinen im Leben. Sie haben es nicht nötig, aus ihren geistigen Fähigkeiten Kapital zu schlagen, und würden wohl eher den letzten Bissen Brot mit ihren „Schülern“ teilen. Einer alten, leider im Zuge der Materialisierung des „geistigen“ Bereichs verlorengegangenen Weisheit zufolge verlieren alle Heiler/innen, die für ihre Fähigkeiten materielle Gegenwerte fordern, ihre Kräfte.

Es gibt in unserer Zivilisation keine Schamanen (mehr), wie manche Naturvölker sie kennen, und es gibt keine Druiden im Sinne alter keltischer Überlieferungen. Denn beide waren (bzw. sind) Teil ihrer Kultur; und sie nahmen am praktischen (Stammes-) Leben teil mit allen Konsequenzen.

Es gibt auch keine allwissenden Gurus oder absolut „Erleuchtete“. Wie die Geschichte zeigt, hatte so manche „Erleuchtung“, die meist — wenn überhaupt — nur einen kleinen Einblick in die unseren äußeren Sinnen verborgene Welt freigibt, schon katastrophale Folgen. Blavatskys um das „in Erleuchtung“ erhaltene Buch des Dzyan aufgebaute „Geheimlehre“ etwa führte geradewegs in die nationalsozialistische Massenmordmaschinerie.

Vorsicht ist also geboten — bei allen Lehren. Nichtsdestoweniger aber haben wir eine Verantwortung zu tragen, einen Weg zu finden in Richtung einer Harmonie mit der Natur und den Kräften der Schöpfung.

Hören wir auf, einander auszubeuten. Und es ist eine sehr böse Form der Ausbeutung, wenn man aus seelischen Nöten, dem Streben nach einer tieferen Beziehung zur Natur und der Suche nach Gott seinen Profit schlägt. Denn auf diese Weise bereiten wir letztlich gerade jenen — im Grunde faschistischen — Kräften den weg, die unser Leben und das unserer Mit-Wesen zerstören. Ein absolut tödliches Unterfangen.

Versuchen wir stattdessen, auf der Basis gegenseitigen Akzeptierens einander auf unseren Wegen zu helfen — materiell und geistig —, und dem System des Mammons ein „System“ des gemeinschaftlichen Lebens entgegenzusetzen. Auf allen Ebenen und, wenn nötig, mit aller Radikalität. Im vollen Bewußtsein unserer spirituellen und politischen Verantwortung, die sich nicht auf irgendwelche „Meister“ oder ein starres „Karma“ abwälzen läßt.

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