Café Critique, Jahr 2011
Januar
2011

Wehrmachtskrieger gegen Israel

Anfang der 80er Jahre ließ der israelische Premierminister Menachem Begin dem deutschen Kanzler Helmut Schmidt völlig zu Recht ausrichten, wer als Offizier am Vernichtungskrieg an der Ostfront teilgenommen hat, sollte zu den Problemen im Nahen Osten ein für alle mal den Mund halten. Das scheint beim ehemaligen Oberleutnant der Wehrmacht aber auf taube Ohren gestoßen zu sein: Schmidt zählt zu 26 europäischen Ex-Politikern, die Israel mit einem Aufruf vorschreiben wollen, wie es sich beim Siedlungsbau und bei der Verhinderung der weiteren Aufrüstung in Gaza zu verhalten habe. Ebenfalls mit von der Partie ist ein weiterer Wehrmachtsoffizier: Ex-Präsident Richard von Weizsäcker, der bis heute seinen Vater verteidigt, der in der Nazi-Zeit als Staatssekretär im Auswärtigen Amt tätig war.

Schmidt und Weizsäcker waren beispielsweise an der Aushungerung von Leningrad beteiligt, der über 1 Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind. Heute nun fordern sie gegenüber jenem Land, das als Reaktion auf die deutschen Verbrechen gegründet wurde, Sanktionen, sollte sich der jüdische Staat nicht den Vorstellungen der elder statesmen fügen. Mit Verweis auf die angeblich so vorbildhafte deutsche Auseinandersetzung mit der Geschichte fühlt man sich legitimiert, dem Staat der Shoahüberlebenden Vorschriften zumachen. Schmidt hat das außenpolitische Resultat dieses Vorgangs unlängst offen ausgesprochen: „Deutschland hat keine Verantwortung für Israel.“ Das ist allerdings allemal ehrlicher als die Politik der heutigen deutschen Kanzlerin, die sich rhetorisch gerne an die Seite Israels stellt, aber nichts daran geändert hat, dass mit der Bundesrepublik ausgerechnet der Rechtsnachfolger des „Dritten Reiches“ trotz aller Sanktionen bis heute die wichtigste westliche Stütze des Antisemitenregimes in Teheran ist.

Der Appell der Ex-Politiker zur Sanktionierung Israels wurde wenig überraschend in den iranischen Regimemedien begeistert aufgenommen. Und von Fritz Edlinger, der sich in dieser Zeitung auf „Instrumente“ gegen Israel freut, „die bislang noch nichternsthaft eingesetzt worden sind“. Wer behauptet, die Siedlungsfrage sei der gordische Knoten des Nahostkonflikts, verkennt die Realität in der Region. So wie der arabische und islamische Antisemitismus sowohl aktuell als auch historisch kein Resultat desNahostkonfliktes ist, sondern eine seiner zentralen Ursachen, so ist die gegenwärtige Errichtung von ein paar hundert Häusern in der Westbank eine Folge, nicht der Grund für die seit rund 100 Jahren andauernden Auseinandersetzungen.

Mit den aus dem Siedlungsbau resultierenden Problemen muss sich die israelische Gesellschaft auseinandersetzen. Wer perspektivisch eine wie auch immer geartete Minimierung der Gewalt in der Region wünscht, muss sich hingegen für eine konsequente Bekämpfung jener einsetzen, dieheute damit drohen, das Vernichtungswerk der Generation von Schmidt und Weizsäcker im Nahen Osten fortzusetzen. Aber die djihadistischen Antisemiten werden weder von den europäischen Ex-Politikern noch von Edlinger überhaupt erwähnt. Die plädieren lieber für „entscheidende Schritte“ und „konkrete Maßnahmen“ – nicht etwa gegen das iranische Regime oder seine Verbündeten Hamas und Hisbollah, die jede Entspannung verunmöglichen, sondern ausgerechnet gegen den jüdischen Staat.

Langfassung eines Beitrags, der redaktionell bearbeitet am 7.1.2011 in der Wiener Zeitung erschienen ist.

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