radiX, Nummer 1
Dezember
1998

TierRECHTSbewegung

Tierrechte sind modern geworden. Von autonomen VeganerInnen über die für vier Pfoten Spendende Oma bis zum militanten Antisemiten hat sich in den letzten Jahren eine Volksfront für die Tiere herausgebildet die — besieht mensch ihre Inhalte genauer — durchaus auch als Tier-Rechts-Bewegung bezeichnet werden kann.

Dabei soll es in diesem Artikel keineswegs um die real vorhandenen katastrophalen Zustände in der industrialisierten Landwirtschaft gehen. Diese zu kritisieren und zu bekämpfen sind auch wir angetreten. Und diese sollen mit diesem Artikel auf keinen Fall gerechtfertigt, verharmlost oder relativiert werden. Was hingegen sehr wohl geschehen soll ist eine Beleuchtung der ideologischen Positionen vieler — aber sicher nicht aller — Gruppierungen die sich für Tierrechte engangieren.

Peter Singer

Einer der ideologischen Väter der modernen TierRECHTSbewegung ist der australische Moralphilosoph Peter Singer. In seinem Standardwerk Animal Liberation — Die Befreiung der Tiere gibt er als "aktive und wirkungsvoll arbeitende Organisationen [...] die den Tierbefreiungsstandpunkt unterstützen u. a. die Adressen der Animal Liberation Front, der British Union for the Abolition of Vivisection, der Vegan Society, des Österreichers Dr. Helmut F. Kaplan sowie von Animal Peace und PETA aus Deutschland an.

Für Singers Idee den Menschenaffen Menschenrechte zuzugestehen — das „great ape projekt“ — wirbt die GAMS, die Fakultätsgruppe der GRAS (Grüne und Alternative StudentInnen) an der medizinischen Fakultät Wien. Die feministische Zeitschrift EMMA ist Singer ebenso zugetan wie die zwischenzeitlich eingestellte anarchistische Zeitschrift Toleranzgrenze aus Wien. Sie zitierte Singer 1994 in einem Artikel mit dem Titel „Über Menschen und andere Tiere“, stimmte darin inhaltlich mit seinem „Antispezizismus“ überein, verschwieg aber gleichzeitig seine Folgerungen für die Euthanasie. (T. ERROR, 1994: 18)

Was sind aber nun diese Positionen Peter Singers?

Singer geht grundsätzlich von einem „Antispezizismus“ aus, das heißt er sieht keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen „Menschen und anderen Tieren“. Gruppierungen die an der Unterscheidung zwischen Mensch und Tier festhalten setzt er mit RassistInnen gleich und bedenkt sie mit dem beschimpfend gemeinten Ausdruck „Spezizisten“.

Singer: „Wir können mit Berechtigung annehmen, daß bestimmte Lebewesen Merkmale aufweisen, die ihr Leben wertvoller machen als das anderer Lebewesen. Aber mit Sicherheit wird es einige nichtmenschliche Tiere geben, deren Leben — nach welchem Maßstab auch immer — mehr Wert haben als das Leben einiger Menschen. Ein Schimpanse, ein Hund oder ein Schwein beispielsweise dürfte einen höheren Grad an Selbstbewußtheit aufweisen und eine größere Fähigkeit für Sinnvolle Beziehungen zu anderen besitzen als ein geistig schwerbehindertes Kleinkind oder ein Mensch im Stadium fortgeschrittener Senilität. Wenn wir also das Recht auf Leben auf diese Eigenschaften gründen, müssen wir diesen Tieren ein genauso großes, wenn nicht sogar größeres Lebensrecht zugestehen als solchen geistig behinderten oder senilen Menschen.“ (SINGER,1975, 1996: 53)

Mit der hier skizzierten Negierung jedes Unterschieds zwischen Mensch und Tier kommt Singer in seinem Klassiker der TierRECHTlerInnen auch bald zu dem Schluß, daß es zwar unter normalen Umständen das Leben des Menschen gerettet werden sollte, „wenn wir vor die Entscheidung gestellt wären, entweder einen Menschen oder ein anderes Tier zu retten. Aber es sind auch Fälle denkbar, in denen das Gegenteil richtig wäre, weil der betreffende Mensch nicht über die Fähigkeiten eines normalen Menschen verfügt.“ (SINGER, 1975, 1996: 55)

Singer gesteht all jenen Menschen denen er „Personenstatus“ zukommen läßt — die also nicht „schwerbehindert“ sind den agressiven Anspruch auf Selbstverwirklichung zu. Ganz als Ethik des Kapitalismus gedacht ist es so für ihn nur allzu richtig wenn sich der Stärkere mit allen möglichen Methoden durchsetzen kann.

Als Anhänger eines Utilitarismus — der Nützlichkeitsphilosophie Jeremy Benthams (1748-1832) — ist für Singer nur „das größtmögliche Maß an Zufriedenheit für die maximale Zahl von Personen“ (BIERL, 1996: 48) ausschlaggebend.

Menschen die der „Maximierung von Glück“ im Wege stehen und etwa als „behinderte“ Neugeborene von der Gesellschaft versorgt werden müssen gibt Singer so zum Abschuß frei. Der so moralisch argumentierende TierRECHTler outet sich schnell als Euthanasiebefürworter:

Nehmen wir an, es sei, was manchmal vorkommt, ein Kind mit einem massiven, nicht zu behebenden Hirnschaden geboren worden. Der Hirnschaden ist so schwer, daß das Kind solange es lebt nur dahinvegetieren wird, unfähig zu sprechen, andere Leute zu erkennen, unabhängig von anderen etwas zu tun, oder zu einem Bewußtsein seiner selbst zu gelangen. Die Eltern des Neugeborenen begreifen, daß keine Hoffnung darauf besteht, daß sich der Zustand des Kindes jemals verbessern könnte, und sind weder selbst willens, die Tausende von Dollar auszugeben, die eine angemessene Pflege des Kindes jährlich kosten würde, noch wollen sie es vom Staat fordern. Sie bitten den Arzt, das Kind schmerzlos zu töten. [...]Erwachsene Schimpansen, Hunde, Schweine und Mitglieder vieler anderer Arten sind in ihrer Fähigkeit, sich auf andere zu beziehen, unabhängig zu agieren, sich ihrer selbst bewußt zu sein und jeder anderen Fähigkeit, von der man sinnvoll behaupten könnte, daß sie dem Leben Qualität verleiht, dam hirngeschädigten Neugeborenen weit überlegen. Selbst bei der besten nur möglichen Pflege können manche geistig schwerstgeschädigten Säuglinge niemals den Intelligenzgrad eines Hundes erreichen. [...]

Singer ist nur ein — allerdings ein sehr wichtiges — Beispiel dafür zu welch menschenverachtenden Schlüssen die Negierung des Unterschieds zwischen Menschen und Tieren führen kann. Die Konsequenzen aus Singers mörderischem Gedankengut ist die Vernichtung all jener Menschen die nicht „produktiv“ sind: „Behinderte“, Alte, Schwache, Kranke, ... . Der Tierschützer Singer wird zum Herr über Leben und Tod von Menschen, oder wie es Ernst Klee in seiner Absage an die Veranstalter des Heidelberger Kongreßes mit Peter Singer sagte: „Wer das Lebensrecht Behinderter in Frage stellt, ist potentiell auch ihr Mörder. [...] Angesehene Wissenschaftler nutzten die NS-Zeit, ohne lästige Tabus“Menschenmaterial„beforschen, verbrauchen, töten, sezieren zu können.“ (KLEE, 1996)

Animal Liberation Front

Was sich bei Singer als Theorie manifestiert hat jedoch auch Auswirkungen in den Bewegungen die sich den Tierrechten verschrieben haben.

Die sich durch ihre Aktionen direkter Tierbefreiung in der Autonomen Szene großer Beliebtheit erfreuenden Animal Liberation Front (ALF) setzt sich zwar teilweise tatsächlich aus Menschen zusammen die einen linken Hintergrund haben, die Positionen als Organisation unterscheiden sich jedoch wenig von denen Singers. Sie werden zwar selten so deutlich formuliert und so konsequent zu Ende gedacht aber die Negierung des Unterschieds von Mensch und Tier ist auch hier deutlich zu bemerken. Die Italienische Schwesterorganisation der britischen ALF, das Comitado Liberazione Animale (CLA) definiert sich selbst etwa als „una associazione senza scopo di lucro che si batte contra la vivisezione e contra ogni forma die sfruttamento e violenza inflitta sullúomo, sugli altri animali e sulla natura.“ (eine nicht gewinnorientierte Assoziation gegen Tierversuche, gegen jede Form von Ausbeutung und Gewalt gegen Menschen, sowie jede andere Tierart und die Natur) (Flugblatt des CLA vom 15.5.1995).

Antisemitismus

Insbesondere in stark antisemitisch geprägten Staaten wie Österreich oder Deutschland haben sich in weiten Teilen der TierRECHTSbewegung auch andere Aspekte rechsextremen und faschistischen Gedankengutes breitgemacht.

Neben Singers „modernem“ Ökofaschismus ist hier der alte Antisemitismus und eine teilweise diffuse Ausländer- und Islamfeindlichkeit weit verbreitet. Max O. Bruckers Blatt „Der Gesundheitsberater“ wettert immer wieder gegen das — wie es in einer Schlagzeile heißt — „betäubungslose Schächten der Tiere“. Der Autor des Artikels „Das betäubungslose Schächten der Tiere — Kulthandlung im 20. Jahrhundert?“, Dr. Werner Hartinger ist Vorstand im „Verein Ärzte gegen Tierversuche e.V.“ und diskutierte in dieser Funktion bei einer Veranstaltungsreihe der VHS Braunschweig im Februar 1997 mit Dr. Helmut F. Kaplan und VertreterInnen der den Holocaust relativierenden Animal Peace (AP) (SCHAAF, 1997: 27)

Hartinger beschreibt dabei die Schlachtmethode gläubiger Juden und Muslime als einziges Horrorszenario. Während in der Realität beim Schächten mit einem einzigen Schnitt eines scharfen Messers sowohl die Hauptschlagader, die Luft- und Speiseröhre wie die Nervenbahnen im Hals des Tieres durchtrennt werden und das Schlachttier keineswegs mehr Schmerz spürt als ein „christlich“ geschlachtetes Tier — ja meist sogar wesentlich weniger Streß und Schmerz durchmachen muß als in den Massenschlachthöfen der Gegenwart — schreibt Hartinger von einem bis zu dreizehnminütigen „Todesringen“, von schmerzvollen Schnittstellen und Atemnot. Er spricht von einer „Lobby der Tierquäler“ die im „deutschsprachigen (!) Raum“ der EU das Schächten „als Religionsvorschrift und Kulthandlung“ propagierten (SCHAAF, 1997: 27).

Verein gegen Tierfabriken (VgT)

Auch der Österreichische Verein gegen Tierfabriken des ORF-Talkshowstars Dr. Franz-Josef Plank hat das „ausnahmslose Verbot des Schächtens“ zu einem seiner Ziele erhoben und beschreibt dieses gleich wieder besseren Wissens mit den stark verkürzenden und bewußt manipulativen Worten „(= Schlachten ohne vorhergehende Betäubung)“ (PLANK, 1994: 30)

Wie viele andere Tierschutzgruppen auch, verharmlost der „Verein gegen Tierfabriken“ mit Begriffen wie „Hühner-KZ“ immer wieder die Schoa und verwischt damit bewußt den Unterschied zwischen einer zugegeben grausamen Nahrungsmittelproduktion und der industriellen Massenvernichtung von Menschen. Folgerichtig wird dann der Schlachtung am Schlachthof für Franz-Joseph Plank überhaupt gleich zum „Holocaust“ (PLANK 1994: 22).

Die Schwesterorganisation des VgT in der Schweiz — ebenfalls Verein gegen Tierfabriken genannt wurde aufgrund ihrer antisemitischen Hetze sogar schon nach dem Schweizer Antirassismusgesetz verurteilt und forderte in der Folge die Aufhebung desselben. (HOMEPAGE des VgT)

Die Österreichische Sektion machte hingegen zuletzt mit ihrem Vorgehen gegen die Orgien-Mysterien-Spiele des Aktionskünstlers Hermann Nietsch im August dieses Jahres von sich reden. In einer Pressekonferenz forderte der Rechtsanwalt der Gruppierung Herrmann Nietsch in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuliefern (...).

Verbündete fand der Verein gegen Tierfabriken trotzdem immer wieder in der Ökologiebewegung und in Teilen der Linken. Die Grünen machten schon mehrfach gemeinsame Aktionen mit dem VgT. Das linke Szenelokal TU-Club lud den VgT für einen Infostand auf ein gemeinsames Anti-EU-Fest verschiedener linker Gruppen zum Auftakt des Österreichischen EU-Vorsitzes ein.

Zum Protest gegen Nietschs Mysterienspiel wurde auch die prominente Ehegattin eines führenden Front National-Politikers, das gealterte Ex-Sex-Symbol Brigitte Bardot eingeflogen. Die Tierschützerin die bei jeder Gelegenheit vor der drohenden Überflutung Frankreichs durch grausam im Hinterhof schlachtende Moslems warnt, vertrat auch in ihrem Interview das sie der Zeitschrift NEWS gab ganz offen ihre Kunstignoranz und ihr antimodernes Weltbild. Auf die Frage ob sie sich für Nietsch interessiere antworte BB:

Bis gestern beim Frühstück habe ich noch nie von diesem gefährlichen Verrückten gehört. Ich habe vielleicht schnell reagiert! Ich bin ja schon hier! Ich bin für Kunst mit Großbuchstaben. Die Avantgarde ist für mich nicht immer Kunst: Das muß eine kostbare Sache sein, schwierig zu machen. Kunst muß man studiert haben. Nicht irgendwas irgendwie tun, damit es „modern“ ist. Alles Moderne ist sowieso abscheulich.

Auf die Frage „Mögens Sie die Menschen?“ antwortete sie ebenso offen mit „Nur jene, die Tiere lieben.“

Faschistische Kontinuitäten

Hinter all diesen Versuchen einerseits das Schächten als besonders grausame Schlachtmethode zu verdammen und andererseits mit einer Gleichsetzung des Tierleides in Legebatterien und anderen Formen industrieller Landwirtschaft mit der industriellen Massenvernichtung von Menschen in der Schoa gleichzusetzen steht ein offener oder verdeckter Antisemitismus, der die ach so armen Tierchen zum Vehikel für rechtsextreme und faschistische Ideen machen soll.

Bereits die NSDAP arbeitete mit Teilen der TierRECHTSbewegung eng zusammen. In der NSDAP sammelten sich unter anderem auch AnhängerInnen biologisch-dynamischen Landbaus und TierschützerInnen. Das NS-Schächtverbot von 1933 stieß so auch auf die ungeteilte Zustimmung fast aller Tierschutzgruppen. Im 1996 erschienen Buch von Peter Köpf Ein Herz für Tiere? Über die radikale Tierrechtsbewegung ist unter anderem zu lesen wie der alte Parteigenosse (1920), Ehrenmitglied des Weimarer Tierschutzvereines und Professor an der Tierärztlichen Hochschule München dem NS-Schächtverbot nachtrauerte:

Erst der SA und SS war es zu verdanken, daß den Juden das Schächtmesser aus der Hand genommen wurde. Der Nationalsozialismus hat auch den Tierschutz auf seine Fahnen geschrieben, deutsche Sitten müssen wieder herrschen. [...] Mit dem Blutkult der Juden ist endgültig Schluß zu machen.

Wie er denken offensichtlich auch einige Guppierungen in der TierRECHTSbewegung.

Literatur

  • Bierl, Peter: Spezizismus oder wie das Töten von Menschen leichter wird, in: ÖkolinX 23, Sommer 1996, S48-49
  • Klee, Ernst: Absage an die Veranstalter des Heidelberger Kongreßes, 15.2.1996
  • Plank, Franz-Josef: Fleisch-ein Stück Lebenskraft?, 1994, Verein gegen Tierfabriken, Rekawinkel
  • Schaaf, Tamara: Antisemitische Tierschützer, in: ÖkolinX 26, Sommer 1996, S27-28
  • Singer, Peter: Animal Liberation. Die Befreiung der Tiere, 1975, Hamburg 1996;
  • Error, T.: Über Menschen und andere Tiere, in: Toleranzgrenze, April 1994, S18-20
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