FORVM, No. 480
Dezember
1993

Sind Ihre Gene in Ordnung?

Sie wissen es nicht? Oder noch schlimmer, Sie meinen, das ginge keinen außer Ihnen etwas an? Weit gefehlt!

Der Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs oder eines seiner Mitglieder könnte Ihnen diese oder eine ähnlıche Frage bald stellen. Natürlich nicht, um bei allfälliger Verneinung Ihrerseits Ihre Prämien von Kranken- und/oder Lebensverischerung hinaufzusetzen, nein, bewahre! Bloß, um Ihnen, falls Sie sich nach einer Untersuchung Ihrer DNS-Zusammensetzung als genetisch einwandfreier Kunde erweisen, einen Bonus zukommen zu lassen.

Selbstverständlich wird sich irgendein Punkt der kleingedruckten Geschäftsordnung auch für eine Ablehnung von Anträgen um Kranken- und Lebensversicherungen seitens neuer Versicherungswilliger eignen. Es könnte ja sein, daß Sie zu einem »preiswerteren« oder diskreteren Versicherer wechseln wollen, als jenem, der Sie zu einer »Durchuntersuchung« geschickt hat. Vielleicht stellte sich dabei heraus, daß sie angesichts einer spezifischen Erbanlage immerhin mit einem Bruchteil von einem Prozent Wahrscheinlichkeit eine seltene Krankheit zu gewärtigen hätten. Seien Sie nicht überrascht, wenn Ihnen der »diskrete« neue Versicherer die Geschäftsverbindung verweigert oder skurril hohe Prämien verrechnen möchte, auch wenn Sie heute noch pumperlgesund sind und dies vermutlich auch morgen und in vielen Jahren noch sein werden. Die selbstverständlich wissenschaftlich belegte Tatsache, daß bestimmte Vererbungsgänge zu bestimmten körperlichen (und geistigen) Dispositionen führen können, macht Sie zum »Risikokunden« und Ihre Versicherungsprämien teurer als normal.

Sollte die Wahrscheinlichkeitsrechnung der Genetiker aber an Ihnen vorbeigehen und Sie am Ende lediglich an Altersschwäche sterben, dann hatten Sie beide Glück. Ihre Versicherung vor allem. Sie hat all die Jahre höhere Prämien kassiert, als dem tatsächlichen Verlauf Ihres Lebens entsprochen hätte. Es hätte ja vielleicht doch sein können, daß der Risikofall zum Versicherungsfall wird ...

Vetternwirtschaft genetisch bedenklich

Gentechnik machts möglich: Ein Wiener Arzt, Rassehygieniker im Arbeitsmantel eines Anthropologen, verkündete kürzlich in einer österreichischen Tageszeitung, daß unserem Land durch die jüngst eingesetzten Migrations- und Asylantenströme eine genetische Abwertung durch vermehrtes Auftreten von Erbkrankheiten drohe. Vetternwirtschaft nämlich — nicht in Politik oder Wirtschaft sondern im Bett — sei der Grund dafür.

Wasser auf die Mühlen des österreichischen Versicherungsverbandsdirektors Dr. Herbert Pflüger, der jüngst brieflich um Verständnis und gesetzliche Unterstützung für sein Vorhaben buhlte, von Antragstellern um Lebens- oder Krankenversicherungen Beweise ihrer genetischen Unbedenklichkeit verlangen zu dürfen. Die Sachlage stellte er folgendermaßen dar:

Zu dem ... übermittelten Entwurf eines Gentechnikgesetzes ... halten wir fest: Gemäß 39 Abs. 1 des Entwurfes ist es verboten, Analysen von menschlichen Genen (Genanalysen) durchzuführen, deren Ergebnisse zu verlangen oder zum Gegenstand von Rechtsgeschäften oder deren Anbahnung zu machen.

Gemäß den Erläuterungen zu 39 betrifft dieses Verbot unter anderem die Durchführung von Genanalysen sowie die Vorlage von deren Ergebnissen vor dem Abschluß oder während der Dauer von Arbeitsverträgen (einschließlich öffentlich rechtlicher Dienstverhältnisse) sowie vor dem Abschluß und während der Laufzeit von Versicherungsverträgen. Darüber hinaus soll auch die freiwillige Vorlage von Analyseergebnissen durch Arbeitnehmer, Versicherungsnehmer etc. unterbunden werden ...

Neue Methoden der Diagnose und somit die Verfügbarkeit neuer Kenntnisse über Krankheiten müssen (Anm. d. Autorin: müssen!!!) von Personenversicherern bedacht und im Rahmen von Antragsprüfungen eingesetzt werden können.

Das Ziel jeder Risikoprüfung besteht darin, einer Antiselektion zu begegnen. (Anm. d. Autorin: Siehe auch Formulierungen der Rassengesetze des Tausendjährigen Reiches) Genanalysen ermöglichen dem Antragsprüfer, individueller und risikogerechter vorzugehen; dazu ein Beispiel: Für den Fall, daß in der Familiengeschichte des Antragstellers eine Erbkrankheit auftaucht, die mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% auf ein Kind vererbt wird, können solche Risken — ohne Genanalyse — in der Regel nur mit einem deutlichen Zuschlag versichert oder abgelehnt werden. Wenn der Versicherer in Zukunft in einem derartigen Fall zur Klärung des Risikos eine Gendiagnose verlangen kann, könnte die Hälfte dieser Risken zu Normalbedingungen versichert werden.

Die Möglichkeit der Versicherer, sich Kenntnis über allfällige Gendefekte von Antragstellern bzw. Versicherten zu verschaffen, ist daher von wesentlicher Bedeutung, und zwar im Interesse der einzelnen Versicherten, der gesamten versicherten Gemeinschaft und der Versicherer. Die durch medizinischen Fortschritt ermöglichte Verbesserung der risikogerechten Tarifierung entlastet einerseits gendefektfreie Versicherungsnehmer (für sie sind Prämienverbilligungen möglich) und kommt allen Versicherungsnehmern zugute, da Sicherheitszuschläge, welche ungenaue Risikoeinschätzungen ausgleichen sollen, knapper bemessen werden können. (Anm. d. Autorin: Wie nett!)

Wesentlich ist, daß die Möglichkeit der Versicherer zur Verschaffung der Kenntnis besteht; ob die einzelnen Versicherer von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, soll ihnen überlassen bleiben.

Diese Scheinliberalität spricht monetäre Bände: Versicherer handeln nämlich niemals ohne Not gegen ihre betriebswirtschaftlichen Interessen. Das letzte G’satzl des Herrn Verbandsdirektors scheint daher auch noch einen anderen Zweck zu verfolgen, als den Gesetzgeber oder die Lobbyisten milde zu stimmen. Er entlastet wahrscheinlich die rudimentären Reste des eigenen schlechten Gewissens.

Jedenfalls läßt seine Buhlschrift keine Ahnung von der wesentlichen Bedeutung der Weitergabe von Daten Versicherter oder Versicherungswilliger an Arbeitgeber, bzw. auch »nur« an neugierige »Schwesterinstitute«, an Banken (Lebensversicherungen gelten als Kreditbesicherung), Detekteien, Auskunfteien, andere Firmen, potentielle oder tatsächliche Arbeitgeber bzw. offizielle Stellen erkennen. Ebenso scheint er wenig angekränkelt von des Gedankens Blässe an die wesentliche Bedeutung ethischer Bedenklichkeit der Eugenik oder der ohnehin schon unerträglichen Diskriminierung Behinderter — nicht nur im Erwerbsleben.

Derartige Weitergaben lägen nämlich durchaus im Interesse der Profite der Gemeinschaft der kommerziellen Risikoträger. Zum Glück ist hierzulande der »Einsatz der Gendiagnostik in den Bereichen Arbeitmarkt, Arbeitsrecht und Versicherungswesen« (noch) verpönt. Die Empfehlungen der österreichischen parlamentarischen Enquete-Kommission im Bericht über die »Technikfolgenabschätzung am Beispiel der Gentechnologie« belegen jedenfalls zur Ehrenrettung unserer »Bürokratie«, daß ihr nach Expertenanhörung klar war, daß sie allen Grund hat, hypertrophen Wünschen von Wissenschaftern und Industriemanagern vorsichtig bis ablehnend zu begegnen.

Die EG liberalisiert gerade ...

Man möchte als Österreicher meinen, es gäbe hierzulande eine gute und sinnvolle Tradition gesunden Hausverstandes, sich der praktischen Anwendung wissenschaftlicher Megamanie — vor allem in Form von teuren und riskanten Technologien — entgegenzustellen. Die Kernkraft zum Beispiel, nur um an Tschernobyl zu erinnern. Man kann aber als gelernter Österreicher auch nicht umhin, wachsam zu bleiben, denn nicht nur einmal haben einflußreiche Lobbies versucht, sie durch irgendwelche Hintertürln doch noch einzuschleusen bzw. den Volksentscheid in Frage zu stellen. Man dachte vielleicht — wie in der Schweiz — man werde nur noch einmal oder gar wiederholtemale, aber eben andersherum fragen müssen, um bei den grundsätzlich dummen und ungebildeten Massen einen Stimmungsumschwung für eine neuerliche — in ihrem Sinn richtige — Abstimmung über diese Technologie zu erreichen. Zum Nutzen und Frommen von hauptsächlich Großkonzernen, die wie die Pharmariesen auch wirtschaften: Produktion so billig wie möglich und Verkauf so teuer wie möglich. Kernkraftwerker aller Drittweltländer — vereinigt Euch! Oder laßt Euch zu Molekularbiologen umschulen, denn für diesen Bereich gibt es erstaunliche Marktprognosen.

Österreichische Wissenschafter kennen sie und bangen offensichtlich bereits um ihre Jobs und zukünftige Forschungs-Förderungen. Anläßlich einer deutschen Veranstaltung zum EG-Liberalisierungskurs im Genrecht äußerten einige von ihnen wehleidig Bedenken, in Österreich drohe hinterwäldlerische Fortschrittshemmerei und werde in naher Zukunft jede Wettbewerbschance auf dem Biotechno-Markt zu begraben sein. (Die österreichischen Grünen meinen, darüber könnte man nur froh sein). »In Universitätskreisen gibt es Ängste, daß die Bürokratie alles von vorne herein erstickt«, zitiert die Wiener Zeitung vom 23. Juni dieses Jahres Univ. Prof. Dr. Hermann Kattinger, den Vorstand des Instituts für Angewandte Mikrobiologie in Wien. Die Bürokratie reagiert zunächst nicht.

Cui bono?

Dabei wären doch ach so viele Forscher (von Chemie- und Pharmakonzernen wie Hoechst, Bayer, Sandoz oder Boehringer Ingelheim, die mit ihren österreichischen Töchtern Biochemie Kundl und Bender ohnehin schon die Füße fest in der Türe haben?) — bereit, nach Österreich zu kommen, wenn sie hier frei arbeiten könnten. Klar.

Billigeres Personal gibt es hier allemal, nicht nur best ausgebildete Forscherkollegen. Und bei ein wenig, typisch österreichischer, gesetzlicher Nonchalance und der traditionellen Nachlässigkeit kann der eine oder andere Störfall — wie gefährlich oder harmlos auch immer — ganz gut unter den roten Teppich gekehrt werden, den man den europäischen und überseeischen Konzernherrn gerne ausrollt und mit Milliardensubventionen statt Rosen bestreut. Mit der Aussicht auf Arbeitsplätze in einer (selbsternannt) zukunftsträchtigen Industrie machen vife Industrielle seit langem immer wieder und erfolgreich regionalen Politikern schöne Augen und hören nicht auf, die Klinken zu putzen bis das entsprechend günstige Bauland bereitgestellt, die Halle errichtet, geleast und die Subvention auf das Firmen-Stammkonto — in Europa oder Übersee — geflossen ist. Danach verbreiten pfiffige Konzernherren und ihre Interessenvertreter, daß Löhne und Lohnnebenkosten in Asien — oder Osteuropa — doch ziemlich niedriger seien als in Österreich und machen diesbezüglich mit Hilfe angeblich hochintelligenter Wirtschaftsjournalisten in Massenmedien Stimmung für höhere Grenzwerte und Regionalförderungen sowie niedrigere Steuern.

Im Jargon der Hutaufhalter klingt die Begründung ihrer Forderungen um Förderungen und geneigte weitmaschige Gesetze recht sachlich: So plädierte jüngst der Forschungsdirektor der Wiener Immuno AG, Dr. Johann Eibl, lediglich für Rechtssicherheit bei der industriellen Nutzung der Biotechnologie, damit der rechtliche Rahmen nicht nur Forschung sondern auch Produktion ermögliche. Klar. »Von Forschung und Entwicklung allein kann kein Unternehmen leben«, setzte er hinzu und vergaß nicht die seit Jahrzehnten so beliebte Drohung nachzuschieben, daß bei Abwanderung technologisch gut ausgerüsteter Produktionsbetriebe wegen Nichterfüllung ihrer Forderungen um Förderungen natürlich auch die Forscher abwandern und Österreich wird dann mit dem zurückbleibenden Mittelmaß akademischer Eierköpfe das Auslangen zu finden haben. Ätsch.

Andere Klinkenputzer von Pharmas und anderer Großindustrien Gnaden haben die gleichen Methoden. »Es bleibt zu hoffen«, so Eibl, »daß die Diskussion um den Gentechnikgesetzentwurf Anlaß gibt, der Öffentlichkeit die Notwendigkeit neuer Technologien nahezubringen, allenfalls bestehende Schutzbedürfnisse abzuwägen und die richtige Entscheidung zu treffen.« (Zitat gleichfalls aus Wiener Zeitung vom 23.6.93)

Und nun darf dreimal geraten werden, wofür sich Förderungsverantwortliche, Gewerkschaftsöbere und Massenmedien im Nu entscheiden werden. Merks Österreich: Werden Schutzbedürfnisse zu teuer, so gefährden sie Arbeitsplätze. Welcher Sozialpartner wollte sich die Verantwortung für diesen Verlust aufhalsen? Wissenschaftliche Bedenken der Gentechnik im allgemeinen bzw. einigen peinlichen technischen Pannen in diesem Bereich gegenüber hin oder her. Man kann doch nicht den Anspruch auf Fortschritt aufgeben, auch wenn Forschungen — ebenso wie die Umsetzung ihrer Ergebnisse in wirtschaftliche Realität der sogenannten modernen Technik in Hinkunft kaum noch finanzierbar sind.

Die Klinkenputzer können sich jedenfalls für eine Weile auf den Bahamas oder im schönen Zürich zurücklehnen, denn sie können sicher sein, daß die hochintelligenten österreichischen Wirtschaftsjournalisten analog den Texten aus emsigen Marketingabteilungen nur Wohlwollendes berichten. Und die breite österreichische Öffentlichkeit kann sich gleichfalls zufrieden hinter Klein- und Großformaten zurücklehnen, denn sie erfahren so gut wie nichts über jene zahllosen Lungenkrebskranken und bereits gestorbenen spanischen Arbeiterinnen, die im Sprühnebel eines Farbstoffes, bezogen von einem bekannten deutschen Chemiekonzern, ohne schützende Arbeitsbehelfe arbeiten und atmen mußten.

Der Affentanz ums goldene Kalb

Was nützt der in EG-Recht vorgeschriebene Betriebsarzt, wenn EG-Politiker im Verein mit Wirtschaftswissenschaftern die Gentechnik als vermeintliche Schlüsseltechnik (Schlüssel wozu? Zum Himmel?) in großzügigen Schwerpunktprogrammen

zur Förderung eines wettbewerbsorientierten Umfeldes für die industrielle Anwendung der Biotechnologie,

wie ein vor kurzem herausgekommener Bericht der EG-Kommission hieß, mit Milliarden-Beträgen und »verbessertem« Patentschutz anfeuern?

Was nützen die warnenden Stimmen österreichischer Veterinärmediziner (sogenannte transgene Tiere z.B. sind zwar fleischiger, geben mehr Milch oder legen die größeren Eier, benötigen aber ständige tierärztliche Unterstützung und Behandlung), Biochemiker, Ärzte, Umweltberater und anderer Experten, wenn mit dem Eintritt in die EG viele Fragen sich gar nicht mehr stellen werden.

Was wird in einem Jahr die Empfehlung der österreichischen Enquete-Kommission noch wert sein, bei allen Gentechnik betreffenden Regelungen ein hohes Schutzniveau für Leben, Gesundheit, Persönlichkeit und Umwelt zum Tragen kommen zu lassen, wenn aus begehrlichem Blickwinkel das Wachstum des Biotechnologiemarktes den Ausschlag für EG-Richtlinien gibt.

»Mehr als 85% der weltweiten Patente wurden in den USA und Japan angemeldet«, jammerte Ende Juni dieses Jahres der für Technologieentwicklung zuständige EG-Vizepräsident Martin Bangemann vor Publikum in Wien, wohin ihn die Industriellenvereinigung eingeladen hatte. Er warb um Sympathien für vor allem zeitlich erweiterten Patentschutz und Förderprogramme. Denn nicht nur patenter ist man in Übersee sondern auch potenter. Über 12.000 Wissenschafter forschen in den USA derzeit auf diesem Gebiet, in Japan sogar mehr als doppelt so viele (Quelle: Konsument 10/91). Und um den bekannt abweichlerischen Österreichern Argumente an die patscherte Hand zu geben, schätzen Wirtschaftsforscher weltweit, es sei bis zum Jahr 2000 mit einem Markt von zwischen 350 Milliarden und zweieinhalb Billionen Schilling zu rechnen. Allein im Jahr 1991, so stand im Kurier am 9. Mai 1992 zu lesen, haben amerikanische Unternehmen mit gentechnologischen Produkten vier Milliarden Dollar (das sind rund 60 Milliarden Schilling) Erträge erzielt. Erträge, wohlgemerkt. Wer die Hauptlast der Forschung und Entwicklung trägt wird nicht erwähnt.

Wer hat Angst vor dem Wollmilchschaf?

Den Kritikern ins Tagebuch: angesichts der Behauptungen der Forscher, es liege durchaus im Bereich des möglichen, durch gentechnische Eingriffe bald auch Zuckerkrankheit, Krebs, Aids und andere Geiseln der Menschheit auszurotten, sind die paranoiden Angste der nicht umzubringenden Zweifler vor der durch Leistungsstreß und Hormongaben tumoranfälligen Turbo-Kuh, vor dem durch menschliches Wachstumshormon entstehenden Riesenschwein, den mit Mäusegenen geimpften Forellen, die angeblich Schwermetallen gegenüber unempfindlich sind, vor dem auch in gefährlichen, zum Beispiel strahlenverseuchten Zonen arbeitsamen Affen-Mensch-Bastard (einschlägige Versuche gab es bereits 1976!), oder vor Baumwollpflanzen, denen ein Bakterien-Gen zum Zweck der Abwehr bestimmter Schadinsekten eingepflanzt wurde, ja geradezu unerhört.

Mölz’ mich nicht an, ich bin umvolksam!

Aus der Sicht des internationalen Gemüsehandels sollen Paradeiser dunkelrot, rund wie eine Orange, und muß ihr Fleisch so fest wie das einer Melone sein, damit sie lange gelagert und weit transportiert werden können. Der Auftrag an amerikanische Gen-Designer enthielt daher keinerlei Angaben über den erforderlichen Geschmack. Chemiekonzerne wiederum basteln an Ackerpflanzen, die resistent gegen Totalherbizide sind. Dann kann ein rassiges Unkrautvernichtungsmittel nämlich nicht nur zögerlich am Wegrand sondern ohne Bedenken und im konzernmäßig richtigen Ausmaß auch auf dem Feld selber eingesetzt und die Unkrautfrage ihrer Endlösung zugeführt werden. (Quelle: Konsument 10/91) Schließlich sollen ja aus der Sicht von Anthropologen mimenden Rassenhygienikern, wovon schon die Rede war, aus genetischer Räson Umvolkungen tunlichst vermieden werden, damit nicht längst getilgt geglaubte Krankheiten wie TBC oder Kinderlähmung wieder auftauchen sondern sie ebenso wie Erbkrankheiten, die auf die Liebe zwischen Cousin und Cousine von längst vertilgt geglaubten Untermenschen östlicher Herkunft zurückgeführt werden, dort bleiben, wo sie bisher waren: weit weg, in der Fremde.

Einstmals gab es auf dieser Welt etwa 30.000 Reissorten. Indische Agrarforscher warnten schon Anfang der 80er-Jahre, daß davon am Ende des Jahrhunderts nur noch fünfzig übrig sein würden. Und so wie Ciba-Geigy Sojabohnen gentechnisch gegen das eigene Vertilgungsmittel »Atrazin« abhärtete und die mutierten Pflanzen zum Patent anmeldete, so machte »Basta«, ein Totalherbizid von Hoechst, eine dem Konzern allein höchstwillkommene Vereinfachung möglich: Erdäpfel und Paradeiser erhielten von Konzerntechnikern ein Gen eingesetzt, das sie gegen die unkrautvernichtenden Rabiatperlen aus dem eigenen Labor widerstandsfähig macht.

Unkraut wird bei dessen Einsatz ebenso hin wie des Nachbarn »normale« Erdäpfel und Paradeiser. Bravo! Das macht die Selbstgeneration von Stammkunden periekt, denn der Nachbar muß ja nicht ganz auf die gewohnte Fruchtfolge verzichten. Das geeignete Saatgut oder die Pflanzerln werden von Hoechst — wie freundlich — gemeinsam mit dem passenden Herbizid im Set geliefert. (Quelle gleichfalls Konsument 10/91). Und da auch im nächsten Jahr nichts außer den genetisch angepaßten Pflanzen auf demselben Grund mehr wächst, bleibt auch der Nachbar dem Chemiekonzern treu. Kaufen kann die Segnungen dieser modernen Technik jeder, der sichs leisten kann. Sicher ist auch den indischen Reisbauern auf diese Weise durchaus zu helfen. Sollten finanzielle Schwierigkeiten das Projekt stören, können Konzerne vielleicht bei der Weltbank ein gutes Wort einlegen.

Und weil in den letzten Jahren die wichtigsten Saatgutfirmen dieser Welt von Erdöl- und Chemiemultis wie Ciba-Geigy, Sandoz, Shell oder ICI aufgekauft wurden, darf man hoffen, daß demnächst als Glanzleistung der Biotechnologie der genetisch an die Herbizidreste in der Nahrung angepaßte Mensch patentiert wird — oder behält EG-Bangemann, der Defätist, doch recht? »Eine Patentierung des Menschen ist ausgeschlossen«, behauptete er jedenfalls im Juni dieses Jahres in Wien noch sehr entschieden. Kann schon sein, denn den homo herbicidis resistans kann man vielleicht wirklich nicht mehr als Mensch, jedenfalls nicht als homo sapiens, bezeichnen.

Aber vielleicht sind in ein paar Jahren ohnehin alle Bedenken bereits vom Wind der Zeit zerstreut, der auch vor gentechnischen Laboratorien nicht Halt macht, die zum Zweck der Waffenproduktion eingerichtet sind. Chemische und biologische Vernichtungsmittel werden ja — wie allgemein bekannt — nicht nur zwecks Ausrottung von pflanzlichem Unkraut, Insekten oder anderen tierischen Schädlingen von Mono(manischen)-Kulturen entwickelt.

Homo homini lupus est — Die Definition von BW-Kampfstoffen — ausgesprochen am 1. Juli 1969 in einem Bericht, stammt aus dem Munde eines Prominenten: des damaligen Generalsekretärs der UNO; es sind dies:

... lebende Organismen aller Art, welche Grundstruktur sie auch haben, oder von ihnen abstammendes infektiöses Material, das dann dazu dient, bei Menschen, Tieren oder Pflanzen Krankheiten oder Tod zu verursachen, und welche zur Entfaltung ihrer Wirkung von ihrer Fähigkeit, sich in den befallenen Menschen, Tieren und Pflanzen zu vermehren, abhängen ...

Diese Definition entspricht jener, die die Weltgesundheitsorganisation WHO im Jahr 1972 verwendete, wobei die WHO noch hervorhebt, daß »sie (die BW) für den Einsatz im Krieg bestimmt sind.« Und der UNO-Generalsekretär führte dazu vertiefend aus, daß verschiedenartige Organismen einschließlich Viren und Pilze als BW-Kampfstoffe angewendet werden können und im »Kontext der Kriegführung alle als bakteriologische Waffen allgemein anerkannt werden«.

Seither besteht weltweit Konsens, daß sämtliche biologische Waffen — z.B. nicht nur Milzbrand verursachende Bakterien wie bereits im Zweiten Weltkrieg erprobt, sondern auch Pilze oder Viren, gentechnisch zugerichtet, als Kampfmittel anerkannt sind. Die Vorstellungen Huxley’s in seinem schon 1932 herausgegebenen Klassiker »Brave New World« — sind ein gutmütig satirisches Lercherl dagegen.

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