FORVM, No. 108
Dezember
1962

Revolte gegen die Weltformel

Kontaktverlust ist mehr als ein soziologisches Problem. Es ist dieses erst, seitdem es das ontologische Problem des von seinem Denken verratenen Menschen gibt. In dieser beispiellosen Verwandlung seiner Bewußtseinslage und Bedrängnis seines Lebensgefühls ist der Zeitgenosse nicht einmal mehr so feierlicher Empfindungen fähig wie Goethe vor Valmy, welches uns heute ein Bagatelle-Ereignis dünken will. Nur hie und da, wenn „homo sapiens“ mit der Fülle des modernen Wissens konfrontiert wird, jenes Wissens, das er bestenfalls weiß, aber vorsichtig von seinem Leben in förderlichem Abstand hält — nur bei solchen seltenen Anlässen fühlt er, daß er des Geistes „Valmy“ erlebt hat, ohne sich dessen bewußt zu werden, er sei „dabei gewesen“.

In diese Qual bringt ihn das Buch, das der Verlag „Panorama des zeitgenössischen Denkens“ nennt (1) und das nicht weniger als eine Standortbestimmung des modernen Geistes versucht, indem es ihn durch die Quellen dokumentiert, aus denen er strömt. Die Vermutung, dieses Werk könnte etwa wirklich den unglücklichen Versuch machen, durch aneinandergedruckte Texte dem, der sich durch sie durchgebissen hat, den Autodidakten-Stolz panoramischen Universalwissens zu geben; diese peinliche Vermutung, um die Sorge verschärft, es werde hier unter der Flagge des Enzyklopädischen ein Digest des „Besten aus der Ideenwelt“ zu einem Weltbild für Volkshochschüler gemixt — diese Sorge weicht sehr rasch der besseren Einsicht und schon nach den ersten hundert Seiten einem Zustand, in den ein Rezensent nur selten gerät: dem aufrichtiger Zustimmung.

Programmatisch heißt es in der Einleitung:

Es ist nicht die Absicht des Buches, neu entdeckte Tatbestände oder neu von uns geschaffene Formen und Sachverhalte direkt darzubieten, sondern den Geist zu beschwören, aus dem heraus diese Tatsachen entdeckt und formuliert und aus dem heraus diese Formen gefunden worden sind ... Wir haben bei der Zusammenstellung dieser leider nur allzu kurzen Kapitel versucht, nicht eine Sammlung der Gegenstände des zeitgenössischen Denkens anzulegen, sondern vielmehr ein Porträt dieses Denkens selbst entstehen zu lassen.

Man atmet auf. Denn wenn etwas sehr anders ist als ein Panorama, dann ist es ein Porträt. Jenes zerstreut die Aufmerksamkeit weitflächig, dieses konzentriert sie auf eng umgrenzten Raum; jenes tritt mit dem Anspruch der Objektivität auf, dieses filtriert sein Objekt durch ein künstlerisches Temperament. Was hier vorliegt, ist zum Glück kein Panorama des zeitgenösssischen Denkens. Es ist dessen hochkünstlerisches, also sehr subjektives Porträt.

Soll man von den rund 200 Dokumenten, von dem Geist, der sie zum Zeitbild gestaltet hat, oder von dem Geist, den sie repräsentieren, berichten? Wenn jemals über ein Buch ein Buch zu schreiben war, dann hier. Bereits der Beitrag Gaetan Picons, des französischen Herausgebers, „Über den Stil des zeitgenössischen Denkens“ ist ein Kabinettstück philosophischer Essayistik und also großer Kunst. Auch die Gliederung des Stoffes bewirkt durch die sehr eigenwillige Trennung des Humanismus von der Philosophie oder der Biologie von den Naturwissenschaften eine höchstpersönliche Teilung der Materie. Unvermeidbar, daß auch die Textauswahl so subjektiv ist, wie das einer Porträtskizze ansteht. Daß mir etwa in der Philosophie die Amerikaner, die englischen Pragmatiker, die Neu-Kantianer, die Neo-Thomisten, die Lebensphilosophen (außer Bergson) fehlen oder in der politischen Ökonomie der Neo-Liberalismus und Neo-Marxismus, ist eine Feststellung, aber kein Einwand. In einem modernen Porträt meiner Frau würden mir gleichfalls vertraute Züge fehlen, und es könnte dennoch große Kunst sein.

Läßt man sich von dem Buchtitel nicht zu der Meinung bringen, hier sei irgendein mit Gültigkeitsanspruch auftretendes objektives Panorama der Zeit gewollt, und hält man sich daran, daß Temperamente ein Zeitporträt entworfen haben, wie es sich in ihnen präsentiert, dann wird jeder Leser in diesem Bild Schattierungen, Linienführungen, Fluchtpunkte, Farbflecke entdecken, die ihn angehen. Vor allem aber wird er fühlen, daß das moderne Denken keineswegs nur ein Fortschritt des traditionellen ist. Es ist eine grundsätzlich neue Interpretation des Seins, geboren aus veränderter Bewußtseinslage des Interpreten. Nicht Prometheus greift nach dem Licht des Wissens (dem er schon so oft nahe gewesen ist), nicht Sisyphos wälzt seinen Stein der Schuld (den er schon so oft hochgewälzt hat) — es ist Prometyphos, der moderne Mensch, der den Stein des Wissens wieder einmal zum Licht neuer Erkenntnisformen hebt. Diese werden längst nicht die letzten und endgültigen sein. Daß der Mensch das weiß, ist sein Erbfluch von Sisyphos her, daß er dennoch immer wieder zum Licht will, macht ihn zum Promethiden.

Wer heute aus dem Gefühl philosophiert, „daß sich die Geschichte jenes Denkens ihrem Ende nähere, das mit Plato und Aristoteles beginnt und mit Hegel abschließt“, darf sich in Gefühlsübereinstimmung mit sehr vielen wissen. So auch Franco Lombardi, dessen jüngstem Werk (2) dieser Satz entnommen ist und der jener veränderten Bewußtseinslage unserer Menschheit nachspürt, für die alle einzelnen Krisen, welche die zeitgenössische Kulturkritik befassen, nicht mehr als Symptome sind.

Fundamental für dieses Werk ist Lombardis Vermutung, das herkömmliche Denken sei in eine Sackgasse verirrt, aus der es keinen Ausweg mehr, sondern nur noch einen Ausbruch in die „moderne Welt“ gebe, weil „mit dem zweiten Weltkrieg nicht nur die Geschichte Europas, insofern sie Geschichte der Welt war, ihren Abschluß gefunden hat, sondern auch die Form der Kultur an ihr Ende gelangt ist, die vor 2500 Jahren in Griechenland begann“. Richtig sieht Lombardi, „daß die Weltkrise und die allgemeine Problematik unserer Tage auf die letzten Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung zurückzuführen sind“. Denn „nicht nur die Ergebnisse sind problematisch geworden, selbst die Fundamente des Wissens sind ins Wanken gekommen“. Unverständlich ist freilich sein Schluß, diese neuen wissenschaftlichen Befunde hätten „keine Krise im negativen Sinn verursacht; sie bedeuten einen positiven Beitrag zum wissenschaftlichen Fortschritt“. In Wirklichkeit ist doch gerade die Zerstörung der Wissensfundamente der Grund für den Zusammenbruch jedes Weltbildes, was vom Standpunkt der traditionellen Kultur durchaus negativ zu werten ist. Was Lombardi so optimistisch den wissenschaftlichen Fortschritt nennt, vollzieht sich also in kultureller Katastrophenform — wenn es sich überhaupt als Fortschritt und nicht weit eher als geistiger Typenwandel durch Heraufkunft einer neuen Menschheit vollzieht.

Lombardi, der mit einem imponierenden Sachwissen die geistigen Strukturen des vorigen Jahrhunderts analysiert, um sich an den Beginn seiner „modernen Welt“ vorzutasten, stellt die Weichen seiner Beweisführung falsch, wenn er behauptet, diesem Fortschritt sei es zu danken, daß „wir den heutigen Stand der Wissenschaft als Übergang und Vorspiel zu einer neuen Synthese unseres Wissens betrachten. Wenn es daher eine Krise des Geistes gibt, so mag sie aus wissenschaftlichen Quellen gespeist sein, aber ihr Ursprung liegt nicht in der Wissenschaft.“ Die Frage ist, ob seine Antithese zwischen dem Geist (der in Krise ist) und der Wissenschaft (die sie nicht verschuldet hat) statthaft sei, ja ob seine Erweiterung dieses Gegensatzes zur allgemeinen Konfrontation des „Geistes“ mit den „Dingen“ auf solchem Weg mehr fördern könne als die alte sterile Diskussion zwischen Idealisten und Materialisten, für die genau das gilt, was Lombardi in anderem Zusammenhang schreibt: „Der Pegasus der Philosophie weidet noch immer auf den Triften, die der größte Genius unseres Abendlandes säte; er hat noch nicht gemerkt, daß diese Triften längst verdorrt sind und daß er, der sich einst auf den Flügeln Platons in die Lüfte erhob, sich nun mit dem Metier des Klappergauls begnügt.“

Lombardi hat ein feines Sensorium dafür, „daß wir uns immer noch begrifflicher Klischees bedienen, die den Problemstellungen des verflossenen Jahrhunderts angemessen sein mochten, unserer Zeit aber nicht mehr genügen“. Doch was Lombardi fehlt, ist die Einsicht, wie sehr er selbst noch klischee-befangen ist, wenn er auf die Suche nach politischen und soziologischen, kulturellen und ökonomischen „Dingen“ geht, welche für die Krise des „Geistes“ verantwortlich gemacht werden könnten. Er statuiert Zusammenhänge, für die folgende Sätze nur zwei Beispiele sind: „Noch bevor eine idealistische Lehre die Ursache ist für eine bestimmte Teilnahmslosigkeit gegenüber den sogenannten materiellen Interessen des Lebens, ist sie Ausdruck eines Mangels an organischem Zusammenhang in der politisch-wirtschaftlichen Struktur der Zeit.“ Der andere Satz: „Der Begriff von der Vorherrschaft, ja von der Unabhängigkeit des Geistes von der Materie, eines apriorischen Denkens im Verhältnis zu dem plebejischen Ursprung der Erfahrung, entspricht in der Tat dem Prinzip der Vorherrschaft einer Klasse, wenn nicht sogar einer Kaste über die simple Menschheit, die nur die materiellen Existenzbedingungen der auserwählten Schar zu liefern hätte.“ Das ist in prägnanteren Formulierungen, in klassisch gewordenen Begriffen und viel frischer vom Faß des historischen Materialismus zu haben.

Lombardi ist überzeugt, „die Philosophie, für die wir hier Partei ergreifen, ist ... eine Philosophie der Freiheit in einem viel tieferen Sinn, als dies auf den ersten Blick deutlich wird“. Seine Freiheitsabsicht in allen Ehren. Doch auch der zweite und dritte Blick kann kaum verdeutlichen, wie der Freiheit gedient werden soll, wenn man das Axiom aufstellt: „Wir stehen vor einer Krise, die im Geiste ist, weil sie vorher in den Dingen war.“

Das Gegenaxiom, die Krise sei in den Dingen, weil sie vorher im Geiste war, könnte als Motto über Schrödingers Schrift stehen (3). Auch er ist im Grund à la recherche de la liberté perdue, einer Freiheit, deren sich der Geist des Abendlandes begab, als er sich selbst aus der Interpretation der Welt durch die Naturforschung ausgeklammert hat, so daß das Sein, was es dadurch an exakter Berechenbarkeit gewann, an anschaulicher Lebendigkeit verlor und schließlich zur leeren mathematischen Weltformel wurde. „Der Geist gehört also nicht dazu und kann darum selbstverständlich die materielle Welt weder beeinflussen noch von ihr beeinflußt werden.“ Tatsache ist, „daß die Welt des Naturforschers so schauderhaft objektiv geworden ist, daß darin nicht Platz ist für den Geist und dessen unmittelbare Gegebenheiten“. Dieser Prozeß der Selbstausklammerung des Geistes aus der von ihm entworfenen Weltstruktur, war sein eigener Schabernack, der freilich „eine Hölle von unerträglichen logischen Antinomien“ bewirkt hat, um deren Auflösung sich Schrödinger bemüht.

Er zeigt, daß diese Welt „farblos, kalt und stumm“ bleiben muß, denn „Farbe und Ton, heiß und kalt sind unsere unmittelbaren Sinneseindrücke. Was Wunder, daß sie fehlen in einem Weltmodell, aus dem wir unsere geistige Persönlichkeit ausschließen müssen?“ Das geschah seit Demokrit und schließlich so radikal, daß Eddington „das freimütige Gewahrwerden, daß die physikalische Wissenschaft es mit einer Welt von Schatten zu tun habe“, einen der „bedeutendsten Fortschritte der jüngsten Zeit“ nannte („The Nature of the Physical World“) und Sherrington zu diesem Schluß kam: „Nach allem, was sich darüber ausmachen läßt, geht das Bewußtsein in dieser unserer räumlichen Welt einher, gespenstischer als ein Gespenst. Unsichtbar, ungreifbar, es ist ein Ding ohne jeglichen Umriß; es ist überhaupt kein Ding. Es bleibt unbestätigt durch die Sinne und bleibt das auf immer“ („Man on his Nature“).

Schrödinger fühlt diese Entfremdung zwischen dem Bewußtsein und der von ihm entworfenen Welt in ihrer ganzen Schwere und weiß von dieser Antinomie zwischen Geist und Materie: „Sie läßt sich nicht lösen auf dem Boden der heutigen Naturwissenschaft, welche noch ganz und gar auf jenes Ausschließungsprinzip eingeschworen ist und — es nicht weiß. Die Haltung der Naturwissenschaften muß ganz neu wiederaufgebaut, ein ganz neues Gebäude errichtet werden, wobei äußerste Vorsicht am Platze ist.“ Denn der „Grund dafür, daß unser fühlendes, wahrnehmendes und denkendes Ich in unserem naturwissenschaftlichen Weltbild nirgends auftritt, kann leicht in fünf Worten ausgedrückt werden: es ist selbst dieses Weltbild“.

So kommt Schrödinger zu diesem Schluß, es liege „der folgende merkwürdige Sachverhalt vor. Während alles Material zum Weltbild von den Sinnen qua Organen des Geistes geliefert wird, während das Weltbild selber für einen jeden ein Gebilde seines Geistes ist und bleibt und außerdem überhaupt keine nachweisbare Existenz hat, bleibt doch der Geist selbst in dem Bilde ein Fremdling, er hat darin keinen Platz, ist nirgends darin anzutreffen. Die Sackgasse ist eine Sackgasse, der tote Punkt ist ein toter Punkt.“

„Das Denken hat Buße zu zahlen für die Absonderung.“ Dieser richterlich strenge Satz in der Untersuchung Hans Windischers „Vom unglücklichen Bewußtsein“ im „Salzburger Jahrbuch der Philosophie“ (4) ist die Folgerung aus der Erkenntnis: „Die Loslösung des Logos aus dem Mythos im Raume der griechischen Philosophie bedingt einen allgemeinen großen Abstraktionsprozeß, der als Entfernung vom Sein den Gewinn des Abstandes bedeutet, aber auch den Verlust der Nähe einschließt ... Mit der anhebenden Ontologie tritt das Denken aus dem naiven Kreis der selbstverständlichen Einheit von Denken und Sein, nun gezwungen, sich zurückzubiegen (reflexiv) zum Sein. Wahrheit als Übereinstimmung hat nun den weiteren Abstand und den größeren Horizont zu bestehen.“

Die Sehnsucht nach der Welt des Mythos, die sich so vielfach im zeitgenössischen Denken als Reaktion gegen die Verabsolutierung der Ratio regt, ist in der katholischen Philosophie besonders lebendig. Darf doch das Denken der Patristik und Scholastik, ja letztlich das ganze Lehrgebäude der Kirche für sich in Anspruch nehmen, das retardierendste Moment im Prozeß der Selbstzersetzung der Persönlichkeit durch die richtungslos gewordene Vernunft gewesen zu sein. „Das Denken, das sich vom Mythischen löst, gerät von der Unterscheidung in die Zerstreuung. Die Einheit des Mythos, seine sammelnde Bildkraft ... zerfällt. Dem Denken fällt nun die anstrengende Aufgabe zu, im Begriff das Zerstreute zu versammeln. Bild und Begriff treten in eine neue Phase, die insofern unglückselig ist, als das Gemüt verdrängt wird.“

Windischer geht diesem „verratenen Gemüt“ durch die Geschichte der Philosophie nach, von streng katholischen Positionen aus richtend und wertend. „Denken ist ... immer in einer gefährlichen Schwebe: es ist Sein und doch über das Sein nachdenkend. Nichts liegt näher, als das Sein, den Grund zu vergessen. Wie ein verlorener Sohn irrt dann das Denken in der Welt herum; vielleicht findet es heim.“

Unwahrscheinlich, daß das in der Form einer Umkehr geschehen sollte, denn die Erkenntnis des Irrwegs ist eins und der Entschluß zum Rückweg ein anderes. Erst recht zu einem Rückweg, wie ihn im anschließenden Aufsatz des Salzburger Jahrbuches, „Eigenart und Funktion des Denkens in tiefenpsychologischer Sicht“, Franz Haider anregt.

Ihm geht es darum, aufzuzeigen, welche Bedeutung das Symboldenken für eine „ganzheitliche Wesensschau“ besitzt und wieviel von der heutigen Kultur und Lebenskrise daraus ableitbar ist, daß im Rahmen des abstrakten Begriffsdenkens die urtümlich imaginative Fähigkeit der Seele vom reflektierenden Verstand verdrängt worden ist. „Symboldenken ist mehr als Begriffsdenken. Seinem Wesen nach ist es ein essentielles Sinndenken ... Vom Personkern aus hat das psychologische Symbol einen direkten Bezug zur Transzendenz.“ Haiders Beschreibung der psychologischen Symbole geht streng mit Freud und noch immer ablehnend mit Jung ins Gericht. Ihm ist das Symboldenken der Weg zu „jener emotionalen Werterfassung und der personalen Mitte, die allein die freie Entscheidung trifft“. Die Tragik des rationalen Begriffsdenkens formuliert er so:

Der von der Person losgelöste Intellekt geht dann seine eigenen Wege und wendet sich der Naturerkenntnis zu, wobei meist die Wirkursache allein betrachtet wird; man läßt dem Glauben seine eigene Wahrheit, trennt also das Wissen vom Glauben, das heißt man trennt den Intellekt von der personalen Glaubensmitte los und verliert so das Verständnis für die Symbolsprache der Person.

Die Tendenz dieser Analyse zeigen die Schlußsätze der Abhandlung:

Einzig der Glaube vermag ... den Menschen über seine bloß naturale Stellung hinauszuheben. Glaubend erlangt der Mensch nicht nur die Sicherheit der Erkenntnis und die Zielgerichtetheit des Willens, sondern findet sich auch selbt als einmaliges, unvertauschbares Wesen. Durch diese innere Glaubensbeziehung erweist sich alle menschliche Selbstfindung und personale Integration als Gleichnis des Ewigen und Unvergänglichen.

Unklar, ob der Glaube das Symboldenken oder das Symboldenken den Glauben neu beleben soll. Auf jeden Fall scheint für Haider „eine Sprengung des rationalen Horizontes ... unerläßlich zu sein, will man den immanenten Transzendenzbezug der Person wieder aufleuchten lassen“. Als hätte nicht die Scholastik die Vernunft so hoch gewertet, daß Bochenski den modernen Rationalismus geradezu ihr säkularisiertes Kind nennt und ein moderner französischer Theologe schreibt: „Eine Theologie ist evangelisch, wenn sie der Vernunft, ihren Methoden und Gegenständen den eigenen Wert beläßt.“

Das klingt sehr anders als die Empfehlung eines „retournons“ in den Schoß der Mythen und Symbole. Es ist ein weiter Weg vom rationalistischen Optimismus des Aquinaten zu diesem Ruf zu den „Müttern“ aus Salzburg.

Im Vorstehenden besprochene Bücher

  1. „Panorama des zeitgenössischen Denkens“ (S. Fischer, Frankfurt a.M.).
  2. Franco Lombardi: Die Geburt der modernen Welt (Kiepenheuer & Witsch, Köln—Berlin).
  3. Ernst Schrödinger: Geist und Materie (Vieweg & Sohn, Braunschweig).
  4. „Salzburger Jahrbuch der Philosophie“ (Pustet, München—Salzburg).
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