Medienecke
März
1997

Rendez-vous unter dem Verfassungsbogen

Bei der Vergabe der Publizistikförderung 1996 ging es wieder einmal darunter und daneben

Wenn wir ein Kunstwerk als erhaben bezeichnen, weil es uns — obwohl und weil selbst nicht so recht begreiflich — unser allgemein-menschliches Vermögen, überhaupt irgend etwas zu begreifen, vor Augen führt, dann hat sich Andreas Khol, Klubobmann der ÖVP, ein Werk von erheblicher Erhabenheit geschaffen: den Verfassungsbogen. Er spricht sehr gerne und voll Bewunderung für seinen schillernden Bedeutungsreichtum von ihm. Begriffen hat ihn aber der Baumeister ebensowenig wie wir andere auch. Dies Bauwerk ist — wie sich zeigen wird — dermaßen unbegreiflich, daß man nicht einmal sicher sein kann, ob man gerade darunter, davor oder überhaupt daneben steht. Politik als die Kunst des Unbegreiflichen macht vieles möglich: Andreas Khol etwa gilt, wenn er auch gerade daneben steht, nicht als der Blöde. Wir anderen können, wenn auch gerade schön mittig darunter stehend, bei entsprechender Nachrede jederzeit blöde dastehen.

Wir anderen, das sind zum Beispiel jene Zeitschriften, die sich alternativ nennen, weil sie ihre Aufgabe nicht vornehmlich in der Herstellung von und in der Bewährung auf Märkten sehen, sondern in der Herstellung von und in der Bewährung in Öffentlichkeiten. Zu dieser Aufgabenstellung gehört auch und gerade die Verbreitung solcher Informationen und Gedanken, die nicht dem medialen und politischen „Mainstream“ entsprechen. Dies ist: „staatsbürgerliche Bildung“, wie vom Bundesgesetz über die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik verlangt. Zu dieser Aufgabenstellung gehört auch jene Markt-Ignoranz, die partielle Markt-Untauglichkeit unweigerlich zur Folge hat. Dies ist: Förderungsbedarf, wie vom zitierten Bundesgesetz vorausgesetzt und auch verlangt.

Herr Khol möchte aber am liebsten nur solche Zeitschriften gefördert sehen, die seiner eigenen Meinung (unter den Verfassungsbogen imaginiert) entsprechen. Zeitschriften, die ihrer publizistischen Aufgabe redlich, wenn auch nicht nach dem Geschmack Khols (sohin außerhalb des Verfassungsbogens imaginiert) nachkommen, möchte er dafür bestraft und von der Förderungsliste gestrichen sehen — leider bereits in zwei aufeinanderfolgenden Jahren mit teilweisem Erfolg.

Anläßlich der Beschlußfassung über die Publizistikförderung 1996 setzte Khol die Zeitschriften AUF, Lambda-Nachrichten, an.schläge, ArbeiterInnenstandpunkt, Die Alternative, akin, Juridikum, Revolutionärer Marxismus, ZOOM, UNITAT und Rosa-Lila Buschtrommel auf seine „schwarze Liste“. Diese elf Zeitschriften waren vom überparteilichen Beirat, ganz im Sinne und nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik, zur Förderung empfohlen worden. In Tatgemeinschaft mit den ÖVP-Mitgliedern der Bundesregierung ließ Khol die Beschlußfassung im Ministerrat blockieren, um die Streichung der ihm mißliebigen Zeitschriften, unbekümmert um die gesetzlichen Grundlagen, zu erpressen. Man beachte hier und im folgenden die Position der Handelnden zum Verfassungsbogen! Nach Verhandlungen mit SPÖ-Klubobmann Kostelka, Interventionen von Seiten der Journalistengewerkschaft, der IG Autorinnen und Autoren, der betroffenen und mancher nicht betroffenen Zeitschriften, einer Ermahnung von Frauenministerin Konrad an ihre eigene Fraktion, parlamentarischen Anfragen und Stellungnahmen der Grünen und des Liberalen Forums sowie Protestkundgebungen der Vereinigung alternativer Zeitungen und Zeitschriften (VAZ) vor dem Bundeskanzleramt lautete der Beschluß des Ministerrates vom 10. Dezember 1996: Die Zeitschriften akin, Die Alternative und ZOOM wurden aus der Förderungsliste gestrichen, die übrigen wurden — für dieses Jahr — verschont.

Der ÖVP ist es damit zum zweiten Mal in dieser Angelegenheit gelungen, in der Bundesregierung einen gesetzesbrecherischen Willkürakt zugunsten ihrer repressiven Gelüste zu erpressen. Denn — das muß hier nochmals gesagt werden — die Publizistikförderung ist gesetzlich geregelt, die Bundesregierung ist zwar nicht an das Gutachten des Beirates, wohl aber an die Kriterien des Gesetzes gebunden. Sie hat die Gründe ihrer Entscheidung auch darzulegen — und zwar dem Hauptausschuß des Nationalrates. Dabei geriet die Bundesregierung schon anläßlich der Berichterstattung über das vorangegangene Förderungsjahr in erhebliche Verlegenheit — über die Gründe der — nach dem gleichen Muster von der ÖVP betriebenen — Nichtförderung der Zeitschriften akin, EKG, ZAM und UNITAT konnte sie schon damals keine Auskunft geben.

Bis Ende März dieses Jahres wird die Bundesregierung dem Nationalrat wieder über ihren Gesetzes- und Verfassungsbruch zu berichten haben. Die Damen und Herren Abgeordneten mögen reiflich erwägen und beurteilen, wer nun der Erhabenheit des Verfassungsbogens besser gewachsen war: Jene Zeitschriften, die ihre Aufgabe in der und sogar für die Republik, wenngleich vom Erhabenen wenig beeindruckt, mit Anstand wahrnehmen oder jene Politiker, die, berauscht von der Erhabenheit ihrer ideologischen Neubauten, die Fundamente der Republik, ihre Gesetze und ihre alte Verfassung ohne Schnörkel und Bogen, untergraben wie und wo es ihnen gerade gefällt. Die Damen und Herren Abgeordneten mögen nach erfolgter Erwägung und Beurteilung, bitt’ recht schön, auch an politische Konsequenzen denken.

zuerst erschienen in: Der Standard, 19.03.1997

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