MOZ, Nummer 57
November
1990
Rechtsradikale im deutschen Osten:

„Rache ist gerecht“

Das Gebiet der ehemaligen DDR ist zum Tummelplatz alter und neuer Nazis aus Westdeutschland und Österreich geworden. Der Nährboden dafür ist allerdings hausgemacht.

Wir machen weiter! Wir sind Rebellen und dienen einer gerechten Sache. Skins voran. Wir sind Elite. Terror gegen Terror. Die Rache ist unser, denn Rache ist gerecht. Wir stehen wie ein Bollwerk, wie eine eiserne Wand schaffen wir es. Alle zusammen. Mann für Mann. ... So wie sie gegen uns sind, dürfen sie nichts anderes erwarten, als das Blut fließt. Ihres und Unseres. ... Wir sind die Götter. Und wer nicht mit uns ist, ist gegen uns. Immer mehr werden sich zusammenraffen. Sie werden uns einsperren, sie werden uns zermürben, aber kapitulieren werden wir nicht und wenn es Rückschläge gibt, für uns ist es das Stahlbad das die starken zurückbläst und die schwachen vernichtet. übrig bleibt der kern.

Bemerkenswert an diesem Text sind nicht allein sein Inhalt und seine eigenwillige Rechtschreibung. Es handelt sich um Teile eines Kassibers, der von einem 23jährigen Nazi-Skinhead aus dem Gefängnis an seinen ‚Gauleiter‘ geschmuggelt werden sollte. In Ost- Berlin, Hauptstadt der DDR. Er stammt aus dem Herbst 1988. Das war zu einer Zeit, als Neo-Faschismus und Rechtsradikalismus in der DDR offiziell nicht existierten, als die bloße Existenz der DDR schon ein Beweis für den zutiefst antifaschistischen Charakter der DDR-Gesellschaft war. Seitdem sind die Dinge in Bewegung gekommen. Die rechte und rechtsradikale Szene in der DDR hat seit der ‚Wende‘ in der DDR und der Öffnung der Grenze einen bemerkenswerten Aufschwung genommen. Sie reicht von unorganisierter Ausländerfeindlichkeit über Parteien wie die REPublikaner bis hin zu bewaffneten Faschistengruppen. Diese Entwicklung wird durch Hilfe aus dem Westen gefördert, aber sie ist in der DDR selbst entstanden und hat sich dort seit Anfang der achtziger Jahre entwickelt.

Kräftige Hilfe aus dem Westen: FAP-Neonazis in Bayern

Die rechte Szene in den 80er Jahren

Die ersten Kerne einer rechtsradikalen Szene ließen sich in der DDR etwa seit 1980/81 beobachten. Rechtsradikalismus blieb bis zu diesem Zeitpunkt sozial unauffällig, eher eine ‚Privatsache‘, der man im Familien- oder Bekanntenkreis anhing. Die DDR-Behörden datieren den Beginn des strafrechtlich relevanten Neo-Nazismus und verwandter Aktivitäten offiziell auf 1981, und diese Terminierung kann durchaus als realistisch angesehen werden.

Die rechtsradikalen Tendenzen Anfang der achtziger Jahre speisten sich aus zwei Quellen: jugendlichen Freundescliquen und Fußballfans. Junge oder sehr junge Leute mit starkem Gruppengefühl und diffusem, noch ungerichtetem politischem und sozialem Unbehagen fingen an, in Opposition zur DDR-Regierung, zur DDR-Gesellschaft und in Protest gegen bestimmte gesellschaftliche Minderheiten oder konkrete Mißstände rechte oder rechtsradikale Parolen zu rufen und, nicht selten unter Alkoholeinfluß, Schlägereien anzuzetteln.

Skinheads — Vom Randale-machen und Parolen-schreien zu einem komplexen Organisationsgrad

Die Skinheads

Ein Papier der DDR-Kriminalpolizei (bzw. des Innenministeriums) formulierte Anfang 1990: „Aus diesen Kreisen Jugendlicher rekrutierten sich etwa seit 1982 Skinheads, die mit nationalistischen, rassistischen und antisemitischen Parolen auftraten und aus solchen Motivlagen bei verschiedenen Gelegenheiten, insbesondere Sport- u.a. Veranstaltungen lokal öffentlichkeitswirksam Straftaten begingen“ — wobei allerdings darauf hinzuweisen ist, daß diese Skinheads im Verlauf der achtziger Jahre eine deutliche Weiterentwicklung durchmachten, was ihren Organisationsgrad, ihre interne Differenzierung und ihre Ideologie betrifft.

Ein anderes Papier („Studie über Erkenntnisse der Kriminalpolizei zu neofaschistischen Aktivitäten in der DDR“) aus der gleichen Zeit hat die Skinheads soziologisch untersucht und auch deren Ideologie zum Gegenstand. Diese Studie hat 1.800 Verhörprotokolle, Zeugenaussagen und andere Befragungen vom Herbst 1987 bis zum November 1989 ausgewertet.

Sie kommt zu dem Ergebnis, daß „Skinhead-Gruppierungen seit 1985/86 die am besten entwickelten Organisationselemente haben, aber nur ein Teil der Anhänger in stabile informelle Gruppen eingebunden ist.“

Die Ideologie der Skinheads gruppierte und gruppiert sich um die Propagierung traditioneller ‚deutscher Werte‘ wie Fleiß, Sauberkeit und ähnliches. Ein 18jähriger Bauarbeiter formulierte: „Ich gehe regelmäßig meiner Arbeit nach und bin der Meinung, daß ich fleißig bin und eine gute Arbeit leiste. Das ist der Punkt, der einen echten Skin auszeichnet. ... Insgesamt sind wir fleißig und können Arbeitsbummelei und Schmarotzertum nicht ausstehen. ... Ich bin dieser Gruppierung zugehörig, um wieder mal Ideale zu schaffen. Ich meine damit, Zucht und Ordnung einkehren zu lassen und aufrechte, harte Menschen zu erziehen.“ Ein Lehrling ergänzte: „Ich finde auch solche Dinge wie Kameradschaft und Disziplin gut. Ich bin einfach der Meinung, daß in einem Staat Ordnung herrschen muß und nicht Anarchie. Deshalb lehne ich Punks ab. Die könnten auch in der Mülltonne leben.“

Faschos

Ausgehend von diesen Vorstellungen von Recht und Ordnung, Fleiß und Sauberkeit entwickelte sich im Verlauf der achtziger Jahre eine ideologische ‚Verfeinerung‘. Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und neofaschistische Ideologie traten stärker hervor. Neben den Skins bildete sich vermutlich 1987/88 eine weitere Strömung heraus, die sich selbst als „Fascho“ bezeichnet. Diese systematisierte die Ideologie im Sinne des klassischen Faschismus, wobei eine Vorliebe für den ehemaligen Strasser-Flügel der NSDAP gegeben ist. Faschos sind heute die ideologische und organisatorische Elite des Rechtsextremismus in der ehemaligen DDR. Sie verfügen über ein entsprechendes Elitebewußtsein und haben sich in ihrem Auftreten von den Skinheads abgesetzt: unauffällig und angepaßt nach außen, streng konspirativ nach innen.

Diese äußere Anpassung bezog sich zum Ende der 80er Jahre nicht nur auf die Faschos, sondern galt partiell auch für einen Teil der Skinheads. Diese hatten bis Anfang 1988 versucht, den „offiziellen staatlichen und gesellschaftlichen Organisationen“ (FDJ, FDGB etc.) der DDR fernzubleiben oder aus ihnen auszutreten. Dies änderte sich im Laufe des letzten Jahres. Im ehemaligen DDR-Innenministerium wurde vorsichtig über die Infiltrationsversuche von Skins und Faschos in Polizei und Militär berichtet. „Ausgehend von der Orientierung von Anhängern rechtsradikal-neofaschistischer Gruppierungen auf Dienstverhältnisse in der Volkspolizei, der Nationalen Volksarmee (NVA) und der Zollverwaltung kann nicht sicher ausgeschlossen werden, daß in diesen Organen schon jetzt Anhänger und Sympathisanten tätig sind.“

Neo-Faschismus hausgemacht

Die SED-Regierung der DDR hatte bis zu ihrem Fall im Herbst 1989 rechtsradikale und neofaschistische Tendenzen in ihrem Land stets ignoriert, geleugnet oder auf den ideologischen Einfluß des Westens zurückgeführt. Solche Erscheinungen hätten in der DDR keinen Nährboden, sie seien ausschließlich importiert. Diese Position war nicht nur sachlich falsch, sie war zugleich politisch verharmlosend und gefährlich, gerade weil sie mit großem antifaschistischem Gestus vorgetragen wurde.

Rechtsradikale Ideologien bis hin zum Neofaschismus wurden und werden verstärkt noch immer von westlichen Gruppen gefördert. Dies wäre aber ein völlig aussichtsloses Bemühen, wenn es in der DDR keine dafür günstigen Auftreffbedingungen gegeben hätte und gäbe. Der Dokumentarfilmer und Mitbegründer von „Demokratie Jetzt“, Konrad Weiß, hatte im März 1989 diese Probleme untersucht. Dabei betonte er, daß die politische Kultur der DDR in weiten Teilen autoritären und rechten Ideologien entgegengekommen sei.

Nicht Originalität und Innovation haben den höchsten Stellenwert, sondern Unterordnung und Konvention. Nicht Widerspruch und Kritik sind wirklich geschätzt, sondern Anpassung und Duckmäusertum. ... Die kommunistische Kaderpartei beförderte nicht die Entwicklung demokratischer Tugenden, sondern schuf ein System neuer Privilegien zur Belohnung von Maulheldentum, Untertanengeist und Parteidisziplin. Das Führerprinzip, das sich für die Deutschen als verhängnisvoll erwiesen hatte, erlebte unter anderen Vorzeichen eine Renaissance: erst der Stalinkult, dann der unbedingte Anspruch der kommunistischen Partei, Avantgarde und Vorhut zu sein. Eine basisdemokratische Kontrolle der Mächtigen und ihrer Organe gab es nicht und wird auch heute nicht geduldet. ... All das ist nicht Faschismus. Aber die grundsätzliche Bejahung von Gewalt und der Mangel an demokratischer Kultur haben den Propagandisten der neuen faschistischen Bewegung ein leicht zu beackerndes Feld bereitet. Menschen, die hierzulande aufgewachsen und in unseren Schulen erzogen sind, sind ungenügend gegen den Bazillus (rechts-)radikaler Ideologien immunisiert.

Damit ist ein Teil des Problems benannt, aber noch nicht alles. Um politisch im rechtsradikalen Sinne wirksam werden zu können, mußten zwei weitere Faktoren hinzutreten: Einmal das ökonomische Scheitern der SED, die das Land weitgehend verfallen ließ. Von einer ausreichenden Erfüllung auch berechtigtester materieller Bedürfnisse der Bevölkerung konnte nicht die Rede sein, was sich auch politisch niederschlug. Zweitens wurde diese wirtschaftliche Stagnation von einem Maß an Bevormundung, Bespitzelung und Repression flankiert, was aus wirtschaftlicher Unzufriedenheit bald politische Apathie und dann offenen Haß werden ließ. Dieser Haß gegen SED und (in gewissem Sinne) DDR schlummerte unter der Oberfläche von Resignation und Opportunismus, bis er 1989/90 offen hervorbrach.

Vor diesem Hintergrund einer politisch und ökonomisch bankrotten Staatsführung mit weiterem Allmachtsanspruch gewannen rechte, rechtsradikale und neofaschistische Ideologien gerade bei jungen Leuten (meist Männern) an Attraktivität. Ein früherer Fascho und jetziger REP aus Ost-Berlin erklärte mir, warum er sich den Faschisten angeschlossen hatte: Es seien die konsequentesten Anti-Kommunisten gewesen. Wenn die SED die Nazis so hasse, dann müsse doch an ihnen etwas Gutes dran sein.

Mit der Grenzöffnung kommen neue Möglichkeiten der Ost-West-Zusammenarbeit: Die FAP demonstriert

Die Grenze ist offen

Nach der Öffnung der Grenze im Herbst 1989 änderten sich die Bedingungen, unter denen Rechtsradikale in Ostdeutschland operieren können, schlagartig. Dabei waren drei Faktoren besonders wichtig. Erstens: Die allgemeine politische Öffnung mit ihrer neuen Rede- und Versammlungsfreiheit erweiterte den politischen Spielraum aller Parteien, und damit auch der radikalen Rechten. Zweitens: Die Grenzöffnung erleichterte die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit Gesinnungsfreunden im Westen. Und drittens: Das neue politische Klima im Osten, insbesondere der nationale Taumel um Wiedervereinigung und DM erweiterten den Spielraum und vergrößerten die Legitimität nationalistischer Parolen.

Die rechte Szene aus der BRD begann — mit unterschiedlichem Erfolg —, Einfluß auf die DDR-Rechte zu nehmen, insbesondere die DVU (Deutsche Volksunion), NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschlands), FAP (Freiheitliche Arbeiterpartei), NF (Nationalistische Front) und — besonders engagiert — die REPUBLIKANER. In einem Papier des Westberliner Landesamtes für Verfassungsschutz wird in diesem Zusammenhang auf Bemühungen der NPD hingewiesen, zur NDPD (Nationaldemokratische Partei Deutschlands) der ehemaligen DDR freundschaftliche Beziehungen zu knüpfen. „Einige Bezirksverbände der NDPD haben die deutschlandpolitischen Vorstellungen der NPD begrüßt, während sich die Parteiführung der NDPD von der NPD auf Distanz hielt.“

Auch die Skinheadszene profilierte sich weiter durch eine Reihe einzelner militanter Aktionen wie beispielsweise der Jagd auf linke Demonstrant/inn/en in Leipzig, dem Verprügeln von Volkspolizisten und regelrechten Straßenschlachten in Ost-Berlin und anderswo. Aber durch das verstärkte Hinzutreten insbesondere der REPs gelang es Teilen der Szene, zusätzlich zur konspirativen Arbeit auch noch legale oder teillegale Arbeitsmöglichkeiten zu eröffnen, die ihre Wirksamkeit und Propagandamöglichkeiten verbesserten. Neben den Schlägertrupps der Skins und den hochkonspirativen Fascho-Gruppen trat damit eine Gruppierung mit ‚respektablem‘ Anspruch und Parteicharakter auf die Bühne.

Die REPublikaner

Es wird zunehmend deutlich, daß in der ehemaligen DDR von keiner strengen Trennung zwischen REPs, Skinheads und Faschos die Rede sein kann. Große Teile dieser Gruppen betrachten die REPs nicht nur mit Sympathie, sondern unterstützen sie organisatorisch und personell, auch schon bei Aktionen am Rande der Leipziger Montagsdemos.

Andererseits wäre es falsch, die REPs ungebrochen als parteiliche Repräsentation der Fascho- und Skin-Szene zu betrachten. Bereits ab Februar 1990 gab es oft deutliche Kritik von rechts an den REPs. Die Republikaner funktionieren als eine „rechtsradikale Volkspartei“, als Koalition unterschiedlicher radikal rechter Strömungen, die von demokratisch-nationalkonservativ bis militant neofaschistisch reichen.

Staatsapparat und rechte Szene

Die Reaktion des Staatsapparats auf den Aufschwung der radikalen Rechten war von Widersprüchlichkeit und Hilflosigkeit gekennzeichnet. Auf der politischen Ebene war die Reaktion klar und unmißverständlich: Anfang Februar sprach sich der Runde Tisch für ein Verbot der REPs aus, die Volkskammer entsprach dieser Position und faßte einen entsprechenden Beschluß. Auch die Tätigkeit von Skins und Faschos fand bei Parteien und Parlament keinerlei Billigung. Anders sah das auf der Ebene der polizeilichen Umsetzung aus. Bei manchen Staatsorganen (wie auch in Teilen der Bevölkerung) gab es traditionell eine stille Sympathie gegenüber Skinheads und anderen Rechtsradikalen — nicht so sehr deren politischer Ideologien wegen, sondern auf Grund der dort vertretenen Sekundärtugenden Fleiß, Sauberkeit, Ordnung etc. und wegen z.T. gemeinsamer Feindbilder (etwa Punks, Schwule, Ausländer, andere Minderheiten). Es hatte in der damaligen DDR schon vor der ‚Wende‘ Fälle gegeben, in denen sich Polizei oder Stasi bewußt passiv verhalten hatten, wenn etwa eine Gruppe Skins gewaltsam gegen Punks vorgegangen war. Dies war aber nur ein Nebenaspekt. Zugleich waren weite Bereiche des DDR-Staatsapparats — und gerade auch der „Sicherheitsorgane“ — seit November/Dezember 1989 gelähmt und kaum noch funktionsfähig. Bis zu diesem Zeitpunkt war in der DDR die Stasi (Staatssicherheit) für den Rechtsextremismus zuständig gewesen, nicht die Polizei. Die Stasi wurde dann zerschlagen, doch die nun zuständige Polizei hatte mit dem Rechtsextremismus nur geringe Erfahrung und kaum Akten oder Unterlagen. Die Rechtslage war unsicher, das alte DDR-Recht praktisch kaum noch anwendbar, neue juristische Grundlagen der Arbeit jedoch nicht gegeben. Dazu kam, daß gerade die Polizei in hohem Maße eingeschüchtert war. Selbst bei gewaltsamen Angriffen auf Polizisten (etwa am Prenzlauer Berg in Ost-Berlin) wurde oft schon gar nicht mehr ermittelt, Auseinandersetzungen mit Skinheads lieber aus dem Weg gegangen.

Der nationale Taumel

Das aktuelle Problem im deutschen Osten ist — trotz des unübersehbaren Aufschwungs der verschiedenen rechtsradikalen Gruppen — nicht deren bevorstehende Machtergreifung. Dazu sind diese Gruppen weiterhin zu schwach, zu klein, zu wenig verankert. In diesem Sinne sollten diese Gruppen zwar nicht verharmlost werden, von ihnen selbst geht aber erst in zweiter oder dritter Linie eine Gefahr aus. Das gilt auch für die REPs (Republikaner), die noch am ehesten das Potential aufweisen, mittelfristig massenwirksam werden zu können. Das Hauptproblem besteht vielmehr in der Entwicklung der politischen Atmosphäre in breiten Kreisen der Bevölkerung, insbesondere im Süden der ehemaligen DDR. Hier hat sich eine nationalistische Besoffenheit breitgemacht, die der rechtsradikaler Kreise kaum nachsteht.

Ausländerfeindlichkeit ist in einem schockierenden Maße verbreitet. Dies ist um so bemerkenswerter, als in den östlichen Bundesländern nur rund 90.000 Ausländer leben. Arbeiter aus Angola, Moçambique oder Vietnam, Kleinhändler oder Touristen aus Polen werden immer wieder zusammengeschlagen. Rassismus und Sozialneid sind hier die beiden wichtigsten Triebfedern. Der knappe Wohnraum oder die Furcht um den Arbeitsplatz werden oft als Gründe für die Feindschaft gegen Ausländer vorgebracht. Schließlich spielt auch eine Rolle, daß die meisten ausländischen ArbeiterInnen — aber auch StudentInnen — in der Ex-DDR in einer Art Kasernierung gehalten werden und zugleich relativ jung sind. Wenn der soziale (und sexuelle) Druck dieser Lebensverhältnisse in Diskotheken auf die einheimische Konkurrenz trifft, sind Konflikte oft programmiert; rechte Ideologen bemühen sich, dies politisch auszunutzen.

Jenseits der noch winzigen rechtsradikalen Organisationen hat sich in den östlichen Bundesländern, der früheren DDR also, ein breites und diffuses rechtsradikales Ideologiepotential aufgebaut, dessen weitere Entwicklung noch schwer abzuschätzen ist.

Wolfgang Brück vom „Zentralinstitut für Jugendforschung“ in Leipzig schätzt auf Grund empirischer Studien, daß 10-15% der Ost-Bevölkerung über ein festgefügtes „rechtsradikales Denkmuster“ verfügen, und daß insgesamt bis zu 50% „rechtsradikale Gefühlsstrukturen“ entwickelt haben. Als Kriterien nennt er Ausländerfeindlichkeit, Nationalismus, Autoritätsdenken, Gewaltbereitschaft, Intoleranz, Sozialdarwinismus und anderes, wobei die „rechtsradikalen Gefühle“ diese Elemente eher diffus und unreflektiert, das „rechtsradikale Denken“ die gleichen aber systematisiert, durchdacht und in einem Zusammenhang enthalten.

Diese Beobachtungen sind durchaus realistisch, ist doch die ideologische Situation in der ehemaligen DDR insgesamt extrem unstabil. Der immer noch vorhandene antifaschistische Impuls der großen Mehrheit der Bevölkerung (bis in Teile der REPs hinein) stellt kein Hindernis dar, zentrale Ideologieelemente der Rechtsradikalen selbst zu formulieren. Dies kann natürlich kein Dauerzustand sein, dieser labile Gefühlszustand wird nach einer Seite umkippen müssen. Der politische Verlauf der letzten Monate läßt es nicht ausgeschlossen erscheinen, daß dieses Umkippen nach rechts erfolgen wird.

Für den Ideologieimport aus dem Westen ist in der ehemaligen DDR der Boden gut vorbereitet

Die Fotos zur Geschichte wurden im Westteil Deutschlands gemacht.