Amelie Lanier, 1. Abschnitt
Juli
2011
31.7.2011

Protokoll 9

Zirkulationsmittel, Fortsetzung: Umlauf des Geldes

Zirkulationsmittel, Warenmetamorphose, Fortsetzung

Um als Geld zu funktionieren, muß das Gold natürlich an irgendeinem Punkt in den Warenmarkt eintreten. Dieser Punkt liegt an seiner Produktionsquelle, wo es sich als unmittelbares Arbeitsprodukt mit andrem Arbeitsprodukt von demselben Wert austauscht.

(S. 123, 2. Absatz)

Wie tritt das Gold in den Warenmarkt ein?
Vom Goldbergwerk zur Münzprägeanstalt, wo es erst zu Geld wird. Entweder beides gehört dem Staat, dann wird nur transportiert, oder der Staat kauft es dem Bergwerksbesitzer ab – mit geprägten Münzen.

Man sieht dem Geld daher nicht an, welchen Schlags die in es verwandelte Ware. Eine sieht in ihrer Geldform grade aus wie die andre. Geld mag daher Dreck sein, obgleich Dreck nicht Geld ist.

(S. 124, Absatz 1)

???

Man kann zwar mit Geld alles kaufen, auch irgendein Klumpert, aber in die andere Richtung ist es eher schwierig – mit irgendeinem Schmarrn in der Hand tut man sich schwer, zu Geld zu kommen.
(Mir Fallen da diverse Rentner im Osten nach der Wende ein, die auf der Straße versuchten, ihren Hausrat loszuwerden, um an Geld fürs Essen dranzukommen.)

Obwohl in den folgenden Beispielen von ge- oder verkauften Waren – Leinwand, Bibel, Branntwein, Weizen – nur die einfache Warenzirkulation und nur die 1. Metamorphose (zum Unterschied von den 3 in K II) ausgeführten) behandelt wird: W – G – W: kaufen, um zu verkaufen, so erschließt sich doch langsam, wie kompliziert diese Angelegenheit ist: Jeder Kauf setzt bereits einen Verkauf voraus, damit das Geld für den Kauf da ist, und an jeden Verkauf schließen sich wieder ein Kauf oder auch mehrere Käufe an, da das Geld ja nur das Mittel und der Vermittler des Warentausches ist.

Allerdings ist die Ware selbst hier gegensätzlich bestimmt. Am Ausgangspunkt ist sie Nicht-Gebrauchswert, am Endpunkt Gebrauchswert für ihren Besitzer. So erscheint das Geld erst als der feste Wertkristall, worin sich die Ware verwandelt, um hinterher als ihre bloße Äquivalentform zu zerrinnen.

(S. 126, 1. Absatz)

Was ist mit dem letzten Satz gemeint? Die Äquivalentform ist doch diejenige Ware, die der anderen Wert verleiht, zuspricht – es geht also hier nicht um den Wert an sich („Wertkristall“), um seine im Geld verselbständigte Form, sondern um das bloße Erhalten eines Äquivalents, um dann damit wieder an Gebrauchswert zu kommen. Mit Äquivalentform (= flüssig) gegenüber Geld (= fest) soll das Übergangshafte des Händewechsels von Geld und Ware festgehalten werden: Für jeden Verkäufer ist das Endziel nicht das Horten von Geld, sondern der Erwerb von Gebrauchswerten. Jedem W – G folgt ein G – W.

Dieselbe Ware (Leinwand) eröffnet die Reihe ihrer eignen Metamorphosen und schließt die Gesamtmetamorphose einer andren Ware (des Weizens). Während ihrer ersten Wandlung, dem Verkauf, spielt sie diese zwei Rollen in eigner Person.

(S. 126, 2. Absatz)

Wenn Leinwand verkauft wird, eröffnet dies dem Leinwandverkäufer die Möglichkeit eines Kaufes, während sie dam Leinwandkäufer den erwünschten Gebrauchswert verschafft. Der gleiche Akt ist also Kauf und Verkauf zugleich, das Ende einer Bewegung und der Beginn einer anderen.

Es kann in der Tat vorkommen, daß A und B wechselweis voneinander kaufen, aber solche besondre Beziehung ist keineswegs durch die allgemeinen Verhältnisse der Warenzirkulation bedingt. Einerseits sieht man hier, wie der Warenaustausch die individuellen und lokalen Schranken des unmittelbaren Produktenaustausches durchbricht und den Stoffwechsel der menschlichen Arbeit entwickelt. Andrerseits entwickelt sich ein ganzer Kreis von den handelnden Personen unkontrollierbarer, gesellschaftlicher Naturzusammenhänge. Der Weber kann nur Leinwand verkaufen, weil der Bauer Weizen, Heißsporn nur die Bibel, weil der Weber Leinwand, der Destillateur nur gebranntes Wasser, weil der andre das Wasser des ewigen Lebens bereits verkauft hat usw.

(S. 126, 2. Absatz)

Man sieht hier, wie sämtliche Warenbesitzer irgendwie zusammenhängen, und wie Geld erst Warenzirkulation möglich macht – der unmittelbare Naturaltausch könnte dergleichen nie bewerkstelligen, weil da müßte ja B die Ware von A und A die Ware von B brauchen, was selten vorkommt.
Es ist vom Standpunkt einer bis zur Geldwirtschaft entwickelten Warenproduktion unmöglich, auf Naturaltausch umzusteigen.

Außerdem hat es nicht nur für denjenigen Warenbesitzer Folgen, der auf der seinigen Ware sitzenbleibt, – er fällt damit als Käufer flach, und wer anderer kann auch nicht verkaufen, und daher nicht kaufen, usw.

Die Zirkulation schwitzt beständig Geld aus.

(S. 127, 1. Absatz)

Die Waren treten ein in die Zirkulation und wieder heraus aus ihr, das Geld bleibt drinnen, weil es ja nur den Händewechsel der Waren vermittelt und keine Konsumbedürfnisse befriedigt.
Es wird dabei nicht mehr, aber es wird bei jedem Tauschakt sozusagen als etwas im Nachhinein Überflüssiges ausgeschieden.

Die Zirkulation sprengt die zeitlichen, örtlichen und individuellen Schranken des Produktenaustausches ebendadurch, daß sie die hier vorhandne unmittelbare Identität zwischen dem Austausch des eignen und dem Eintausch des fremden Arbeitsprodukts in den Gegensatz von Verkauf und Kauf spaltet. ... Geht die äußerliche Verselbständigung der innerlich Unselbständigen, weil einander ergänzenden, bis zu einem gewissen Punkt fort, so macht sich die Einheit gewaltsam geltend durch eine - Krise.

(S. 127/128)

Jeder Kauf ist ein Verkauf, aber nicht jedem Verkauf folgt ein Kauf. Sobald eine Kette der Transaktionen stockt – man muß sich das so vorstellen wie Wellen um einen Stein, der ins Wasser fällt – so hat das Auswirkungen in alle Richtungen, und wenn das in großem Maßstab passiert, so bricht die Warenzirkulation ein – Waren werden unverkäuflich und die Krise ist da.

Was ist gemeint mit dem Satz:

Die Entwicklung dieser Möglichkeit zur Wirklichkeit erfordert einen ganzen Umkreis von Verhältnissen, die vom Standpunkt der einfachen Warenzirkulation noch gar nicht existieren.

(S. 128, 1. Absatz)

Die Gründe, warum ein Verkauf/Kauf nicht zustandekommt, sind mannigfaltig und liegen außerhalb der Zirkulationssphäre, kommen jedoch in ihr zum Ausdruck. Um sie zu erklären, muß man andere Momente der Warenproduktion untersucht und begriffen haben. (Z.B. könnte der Bedarf an Bibeln gedeckt sein ...)

b) Der Umlauf des Geldes

Es entfernt die Waren beständig aus der Zirkulationssphäre, indem es beständig an ihre Zirkulationsstelle tritt und sich damit von seinem eignen Ausgangspunkt entfernt. Obgleich daher die Geldbewegung nur Ausdruck der Warenzirkulation, erscheint umgekehrt die Warenzirkulation nur als Resultat der Geldbewegung.

(S. 130, 1. Absatz)

Wieso eigentlich „erscheint“? Das Geld vermittelt ja die Warenzirkulation.
Aber es steht nicht an ihrem Ausgangspunkt. Dort stehen die Waren in den Startlöchern, um zu ihren Benützern zu gelangen. Von ihnen bwz. den Warenbesitzern geht die Bewegung aus, in der das Geld nur die Rolle des Schmiermittels innehat.

Wenn man die Zirkulation nur von der Seite des Geldes betrachtet, so hat man immer nur G – W, und von daher ist die Zirkulation nicht zu begreifen, weil der Zusammenhang der Transaktionen sich so nicht erschließt.
Geld hat ja Zugriff auf alle Waren, es ist also nicht klar, warum die eine oder die andere jetzt gerade gekauft und nicht gekauft wird. Auch wie das Geld in die Hand des Geldbesitzers kommt, bleibt im Dunkeln.

In der häufigen Wiederholung des Stellenwechsels Geldstücke spiegelt sich wider nicht nur die Metamorphosenreihe einer einzigen Ware, sondern auch die Verschlingung der zahllosen Metamorphosen der Warenwelt überhaupt. Es versteht sich übrigens ganz von selbst, daß alles dies nur für die hier betrachtete Form der einfachen Warenzirkulation gilt.

(S. 130, 3. Absatz)

Warum steht der letzte Satz da, gegen welche möglichen Einwände oder Fehlinterpretationen will sich Marx hier wehren?
Es gibt ja hier weder Kapital noch Zins, und es soll hier vielleicht darauf hingewiesen werden, daß hier eine Abstraktion gemacht wird, um nur die Zirkulation zu untersuchen. Aber man darf nicht hier aufhören zu lesen, weil da könnte man meinen, hier herrscht ja noch Harmonie.
Der Satz ist ein Hinweis: Es kommt noch was!

Wir wissen jedoch, daß bei gleichbleibenden Werten der Waren ihre Preise mit dem Werte des Goldes (des Geldmaterials) selbst wechseln, verhältnismäßig steigen, wenn er fällt, und fallen, wenn er steigt. Ob die Preissumme der Waren so steige oder falle, die Masse des zirkulierenden Geldes muß gleichmäßig steigen oder fallen.

(S. 131, 2. Absatz)

Bei sonst gleichbleibenden Umständen braucht man nur die Hälfte des Geldes als Umlaufmittel, sobald sich sein Wert verdoppelt. 1 Banane – 1 Geldstück, sobald sich der Wert des Geldes verdoppelt, krieg ich 2 Bananen dafür. Umgekehrt, umgekehrt – entwertet sich das Geld, braucht man mehr davon. Ähnlich wäre Umstellung von Silber auf Gold als Geldmaterie – man brauchte dann weniger Umlaufmittel. Ähnliches geschah bei der Umstellung von Schilling auf Euro.

Man hat gesehn, daß die Zirkulationssphäre der Waren ein Loch hat, wodurch Gold (Silber, kurz das Geldmaterial) in sie eintritt als Ware von gegebnem Wert.

(S. 131, 2. Absatz)

Dieses „Loch“ heißt heute EZB.

Zu den Ausführungen 1. Absatz S. 132: Da wird doch das angesprochen, was heute als Inflation besprochen wird?
Ja, aber das Phänomen der steigenden Preise bzw. des fallenden Geldwertes wird auch gleich mit einer verkehrten Erklärung versehen: Die Preise steigen, weil zu viel Geld im Umlauf ist. Und dagegen polemisiert Marx schon vorher mit seinem Hinweis:

Obgleich daher die Geldbewegung nur Ausdruck der Warenzirkulation, erscheint umgekehrt die Warenzirkulation nur als Resultat der Geldbewegung.

(S. 130, 1. Absatz)

Es ist die Bewegung der Waren, die die Preise bestimmt, und nicht die Masse des Geldes, dessen Zirkulation immer nur Folge der Warenbewegung ist.
Gegen diesen Umstand ist das Geschwätz von Finanzpolitikern sehr ignorant, die meinen, mit Zinsfüßen, also mit Geldpolitik das Marktgeschehen bestimmen zu können. Das ist überhaupt die Crux bei der Wirtschaftspolitik im Kapitalismus: Der Staat stellt zwar seiner Gesellschaft das allgemeine Äquivalent zur Verfügung, hat aber sehr wenig Möglichkeit, darauf Einfluß zu nehmen, was dann damit gemacht wird.

Einseitige Beobachtung der Tatsachen, welche der Entdeckung der neuen Gold- und Silberquellen folgten, verleitete im 17. und namentlich im 18. Jahrhundert zum Trugschluß, die Warenpreise seien gestiegen, weil mehr Gold und Silber als Zirkulationsmittel funktionierten.

(S 132, 1. Absatz)

Der Irrtum war, zu glauben, die Waren seien teurer geworden, während nur die Edelmetalle billiger geworden waren, weil sie einfach geraubt worden waren, was bedeutend günstiger kam als der Abbau. Das Maß der Werte selbst hatte sich geändert.

Die weitere Verwendung dieses plötzlich über Europa hereingebrochenen Goldsegens war 1. die Finanzierung von Kriegenund 2. die Entstehung der Manufakturen auf Grundlage merkantilistischer Lehren, die darauf ausgelegt waren, das spanische Gold an sich zu ziehen.

S 133: werden die 4 Transaktionen innerhalb eines Tages hintereinander abgeschlossen, so braucht man nur 2 Pfund, liegen sie lange herum, so braucht man bis zu 8 Pfund. Es hängt also von der Geschwindigkeit ab, in der Käufe und Verkäufe nach der Ankunft der Waren am Markt stattfinden, wieviel Geld dafür erforderlich ist, nicht nur von der Menge der Waren.
Verlangsamung der Verkäufe kann ein Vorläufer der Krise sein.

Weil die Masse des Geldes, die als Zirkulationsmittel funktionieren kann, bei gegebner Durchschnittsgeschwindigkeit gegeben ist, hat man daher z.B. nur eine bestimmte Quantität von Ein-Pfund-Noten in die Zirkulation hineinzuwefen, um ebenso viele Sovereigns hinauszuwerfen, ein allen Banken wohlbekanntes Kunststück.

(S 134, 1. Absatz)

Es handelt sich darum, daß die Banken Banknoten gegen Goldmünzen herausgaben, um für den Kunden den Zahlungsverkehr zu erleichtern und sich ein Geschäft zu verschaffen. Sie konnten jedoch diesen Kredit nicht unbegrenzt ausdehnen, da sonst niemand ihre Banknoten mehr an Zahlungs statt angenommen hätte.

Beim Versuch der modernen Staaten, sich über ihre die nationale Wirtschaftsleistung Daten zu verschaffen, gibt es nicht nur irgendwelche Geldmengen-Messungen (1, 2 und 3), sondern auch Versuche, den Umlauf zu erfassen (Einzelhandelsdaten, Firmenbilanzen, Weihnachtsgeschäft und sonstiges). Damals, zu Marx’ Zeiten, wäre das allerdings viel schwieriger gewesen.

Die Illusion, daß umgekehrt die Warenpreise durch die Masse der Zirkulationsmittel und letztre ihrerseits durch die Masse des in einem Lande befindlichen Geldmaterials bestimmt werden, wurzelt bei ihren ursprünglichen Vertretern in der abgeschmackten Hypothese, daß Waren ohne Preis und Geld ohne Wert in den Zirkulationsprozeß eingehn, wo sich dann ein aliquoter Teil des Warenbreis mit einem aliquoten Teil des Metallbergs austausche.

(S 137/138)

Die Geldmengentheorie beruht also unter anderem auf der statischen Vorstellung von Waren- und Geldanhäufung, ohne die am Markt herrschende Bewegung mit einzubeziehen.
Außerdem gibt es natürlich heute auch keinen Metallberg mehr auf der einen Seite ...

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