Amelie Lanier, 7. Abschnitt
August
2013
18.8.2013

Protokoll 38

Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter 2.–5.

22. Kapitel: Verwandlung von Mehrwert in Kapital

2. Irrige Auffassung der Reproduktion auf erweiterter Stufenleiter seitens der politischen Ökonomie

Bereits im vorigen Unterkapitel 1. stellte Marx die irrigen Auffassungen bezüglich Reproduktion und Akkumulation des Kapitals vor.
Jetzt soll ihnen gesondert Raum gewidmet werden.

Bereits der 2. Satz gab Anlaß zu Diskussion:

So wenig die Waren, die der Kapitalist mit einem Teil des Mehrwerts für seine eigne Konsumtion kauft, ihm als Produktions- und Verwertungsmittel dienen, so wenig ist die Arbeit, die er zur Befriedigung seiner natürlichen und sozialen Bedürfnisse kauft, produktive Arbeit.

(S. 614, Absatz 3)

Sind damit nur Dienstboten gemeint, oder auch eine Villa, die sich ein Unternehmer zum Wohnen kauft oder bauen läßt? Genauer: Bezieht sich dieser Satz nur auf lebendige, also in Zukunft zu leistende Arbeit, oder auf bereits vergegenständlichte, die ihrerseits für ihren seinerzeitigen Anwender durchaus „produktiv“, also Mehrwert erzeugende Arbeit war?
Es handelt sich hier um die Arbeit, die der Käufer kauft, und nicht um die, die wer anderer – als Dienstleistungs-Anbieter, oder Bauunternehmer – verkauft.

Die frühen Ideologen des Kapitals hatten ihre liebe Not, die Akkumulation als erste Bürgerpflicht darzustellen, gegenüber den vom Adel bisher praktizierten Umgangsformen mit Überschüssen: entweder aufessen, oder als Schatz irgendwo aufhäufen. Beide Formen des Umgangs mit abstraktem Reichtum/Geld standen dem Ziel der Kapitalverwertung entgegen – obwohl, wie sich inzwischen herausgestellt hat, beides im Kapitalismus durchaus üblich ist – aber eben der Akkumulation nachgeordnet.
Die Schatzbildung, also das Anlegen von Vorräten für schwere Zeiten, ist übrigens eine keineswegs irrationale Praktik und kommt – in Naturalform – in allen bekannten Gesellschaftsformen vor.

Es ist also zunächst korrekt, Investitionen in die Produktion als „charakteristisches Moment des Akkumulationsprozesses“ aufzufassen. Aber es ist nicht die ausschließlich Form der Verwendung des Mehrproduktes. Und selbst über die Zusammensetzung der Investition herrschen verkehrte Vorstellungen. Von der Nationalökonomie wird betont, alles Mehrprodukt würde in Arbeitslohn verwandelt. Es wird also nicht nur das wegretuschiert, was der Kapitalist unproduktiv vernascht, sondern auch das, was in konstantes Kapital investiert wird, obgleich das natürlich zum Anleiern eines neuen Produktionszyklus genauso vonnöten ist als das variable Kapital. Diese ins Auge springende Tatsache wird dann von der klassischen Nationalökonomie so zurechtgedreht, daß auch die als konstantes Kapital in den Produktionsprozeß eingehenden Rohstoffe, Gebäude, Arbeitsmittel Produkt lebendiger Arbeit sind und daher durch ihren Ankauf andere Arbeiter in Brot gesetzt werden. (Der Mehrwert, der bei der Produktion dieser Waren abgeschöpft wurde, fällt natürlich hier auch unter den Tisch.) Am Ende dieser Argumentationskette wird alles Mehrprodukt für die Anwendung von Arbeit verbraucht und der Kapitalist als Wohltäter, der selbstlos die armen Leute in Brot setzt, präsentiert. Es bleibt ein Rätsel, woraus sich die Kapitalistenklasse reproduziert.
Eine nicht ganz unbekannte Ideologie heute, wo es heißt, „Unternehmen schaffen Arbeitsplätze!“, und wo der Kapitalist als Arbeitgeber bezeichnet wird.

A. Smith bricht die Untersuchung grade da ab, wo ihre Schwierigkeit beginnt. … alle Bestandteile der Jahresproduktion müssen auf den Warenmarkt gebracht werden … Die Bewegungen der Einzelkapitale und persönlichen Revenuen kreuzen, vermengen, verlieren sich in einem allgemeinen Stellenwechsel - der Zirkulation des gesellschaftlichen Reichtums –, der den Blick verwirrt und der Untersuchung sehr verwickelte Aufgaben zu lösen gibt. Im dritten Abschnitt des Zweiten Buches werde ich die Analyse des wirklichen Zusammenhanges geben.

(S. 616/617)

Marx bezieht sich hier auf den dritten Abschnitt des K II „Die Reproduktion und Zirkulation des gesellschaftlichen Gesamtkapitals“ Die Untersuchung dessen, wie die ganze Volkswirtschaft eines Jahres funktioniert und wie sich sowohl für die produktive als auch für die individuelle Konsumtion stets die nötigen Waren am Markt finden, stellt laut Marx eine sehr anspruchsvolle intellektuelle Leistung dar, vor der Smith & Co. offensichtlich zurückgeschreckt sind, oder die sie als vernachlässigenswert betrachtet haben. Mit dem von ihnen Geleisteten waren jedoch die Kapitalisten sehr zufrieden:

Es versteht sich übrigens von selbst, daß die politische Ökonomie nicht verfehlt hat, im Interesse der Kapitalistenklasse A. Smiths Satz auszubeuten: daß der ganze in Kapital verwandelte Teil des Nettoprodukts von der Arbeiterklasse verzehrt wird.

(S. 617, Absatz 2)

Das Absurde daran ist, daß ja anerkanntermaßen die ganze Veranstaltung nur existiert, damit die Unternehmer Gewinne machen können, und das wird jetzt als einziges Perpetuum mobile und Dienst an der arbeitenden Bevölkerung dargestellt.

Frage: Was bedeutet eigentlich „Revenue“?

Es ist ein Ausdruck für „Einkünfte, Einkommen“, in dem jegliche Herkunft dieser Einnahmen gleichgesetzt wird, und damit die damals wie heute gängige Ideologie von der „ungleichen Verteilung der Einkommen“ beflügelt. Wie die folgende Überschrift zeigt, ist es in diesem Falle derjenige Teil des Mehrwerts, der für die Konsumption des Kapitalisten verwendet wird.

3. Teilung des Mehrwerts in Kapital und Revenue. Die Abstinenztheorie

Es obliegt dem Kapitalisten, welchen Teil des Mehrwerts er seiner privaten Konsumtion zuführt, und welchen Teil er wieder zu Kapital macht und in die Produktion steckt.

Anlaß zu vielen Mißverständnissen hat gegeben, daß Marx ihm deswegen eine „historische Mission“ zuschreibt:

Nur soweit der Kapitalist personifiziertes Kapital ist, hat er einen historischen Wert … Nur soweit steckt seine eigne transitorische Notwendigkeit in der transitorischen Notwendigkeit der kapitalistischen Produktionsweise. Aber soweit sind auch nicht Gebrauchswert und Genuß, sondern Tauschwert und dessen Vermehrung sein treibendes Motiv. Als Fanatiker der Verwertung des Werts zwingt er rücksichtslos die Menschheit zur Produktion um der Produktion willen, daher zu einer Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte und zur Schöpfung von materiellen Produktionsbedingungen, welche allein die reale Basis einer höheren Gesellschaftsform bilden können, deren Grundprinzip die volle und freie Entwicklung jedes Individuums ist.

(S. 618, Absatz 3)

„Transitorisch“ – der Kapitalismus wird hier als eine Übergangsphase zu einer „höheren Gesellschaftsform“ bestimmt, die offenbar so sicher kommen muß wie das Amen im Gebet. Durch die ständige Akkumulation auf erweiterter Stufenleiter entwickelt er die „gesellschaftlichen Produktivkräfte“, usw. usf. Der Gedanke des selbsttätigen, mit einer „historischen Notwendigkeit“ behafteten Fortschritts, der alle einmal beglücken wird, rechtfertigt dann implizit alle Opfer, die für diesen „Übergang“ erbracht werden müssen …

Damit wird dem Kapitalismus eine Rolle zugesprochen, die seine Überwindung eigentlich verunmöglicht – eine notwendige Phase, innerhalb derer er sich voll entfalten kann und muß, um die segensreichen Grundlagen für den Kommunismus zu schaffen. Daraus kann dann folgen – je nachdem, welche historische Phase man nach Einschätzung der Histomat-Experten gerade durchläuft – daß man die Bourgeoise gerade einmal unterstützen muß, bis die Zeit reif ist für eine Revo. Das heißt dann „wissenschaftlicher Sozialismus“. Dergleichen theoretischer Tätigkeit widmeten sich u.a. Varga und Kondratjew.

Auch über das Bewußtsein der arbeitenden Menschheit ist mit diesem Wort „transitorisch“ einiges ausgesagt: Eigentlich will außer den unmittelbaren Nutznießern, den Kapitalisten und ihren Apologeten eigentlich niemand dieses System, und mit etwas Aufklärung über seine Schädlichkeit legen alle das Werkzeug nieder und sagen: Schluß jetzt! Auf in den Kommunismus! (Natürlich auch das nur, wenn die Zeit reif ist …) Diese Einschätzung ist irgendwo nachvollziehbar in einer Zeit, als es praktisch keine Volksbildung gab und Arbeitskonflikte und Rebellionen die einzigen Zeugnisse waren, wo das Bewußtsein der arbeitenden Menschheit irgendwie Öffentlichkeit erlangte.

Aus dergleichen Bemerken entwickelten sich jedenfalls unter Marx’ Anhängern verkehrte Vorstellungen, bekannt unter den Stichworten „historischer Materialismus“ und „Klassenbewußtsein“.

Was das Verhältnis von Akkumulation und Konsumfonds des Kapitalisten betrifft, so mag an den Anfängen der Vermögensbildung tatsächlich jeder investierte Cent vom Mund abgespart werden, aber mit dem Erfolg und der Mehrwertmasse verändert sich die Einstellung, und jetzt „gebührt“ dem Unternehmer sein Konsum, denn er hats ja zu was gebracht. Schließlich muß man auch etwas darstellen, weil für dahergelaufene Schlucker gibts keinen Kredit:

Während der klassische Kapitalist den individuellen Konsum als Sünde gegen seine Funktion und „Enthaltung“ von der Akkumulation brandmarkt, ist der modernisierte Kapitalist imstande, die Akkumulation als „Entsagung“ seines Genußtriebs aufzufassen. … Auf einer gewissen Entwicklungshöhe wird ein konventioneller Grad von Verschwendung, die zugleich Schaustellung des Reichtums und daher Kreditmittel ist, sogar zu einer Geschäftsnotwendigkeit des „unglücklichen“ Kapitalisten.

(S. 620, Absatz 1 & 2)

Natürlich steht ja dann – bei Erfolg – auch mehr Mehrwertmasse zur Verfügung, es gibt also mehr zum vernaschen, auch wenn mehr investiert wird.

Die klassischen Ökonomen hatten offenbar großes Interesse, die Unternehmer bei der Stange zu halten:

Wenn der klassischen Ökonomie der Proletarier nur als Maschine zur Produktion von Mehrwert, gilt ihr aber auch der Kapitalist nur als Maschine zur Verwandlung dieses Mehrwerts in Mehrkapital. Sie nimmt seine historische Funktion in bitterm Ernst.

(S. 621, Absatz 3)

Malthus, soweit Marx ihn hier referiert, wollte den Kapitalisten durch hohe Besteuerung zu Sparsamkeit zwingen, damit er nicht vor lauter Konsum aufs Akkumulieren vergißt. Dagegen wendete ein anderer ein, was ihr ureigenstes Interesse ist, wird doch freiwillig besser funktionieren. Gleichzeitig wird festgestellt: Den Arbeitern zu viel zu zahlen, sei Abzug vom Profit.

Das Zitat eines angeblichen Ricardo-Anhängers gibt einige Rätsel auf:

Vermehrte Nachfrage von Seite der Arbeiter meint durchaus nichts als ihre Geneigtheit, weniger von ihrem eignen Produkt für sich selbst zu nehmen und einen größren Teil davon ihren Anwendern zu überlassen; und wenn man sagt, daß dies, durch Verminderung der Konsumtion [auf seiten der Arbeiter] »glut« [Marktüberfüllung, Überproduktion)] erzeugt, so kann ich nur antworten, daß glut synonym mit hohem Profit ist.

(S. 622, Absatz 4)
  1. Es unterstellt einen Arbeiter, dem es freisteht, sich zu nehmen, was er eben produziert hat, und dem „Anwender“ einen Teil zu „überlassen“ – als ob dieses Produkt nicht schon von vornherein dem Kapitalisten gehören würde!
  2. Es stellt einen eigenartigen Zusammenhang von niedrigem Arbeitslohn und vermehrter Nachfrage her. Je weniger dem Arbeiter von „seinem eigenen Produkt“ überlassen würde, so die Logik, um so mehr muß er sich kaufen. Nur: wovon?
  3. Wenn es dann zu „Überproduktion“ kommt, also mehr Waren am Markt sind, als zahlungsfähige Nachfrage, so meint der Schlaumeier, eben das sei gut für hohe Profite. Genauso könnte man sagen: für viele Bankrotte!
    Eines aber steht bei allem Unsinn zweifelsfrei fest: nur nicht zu hohe Löhne zahlen, das ist ganz verkehrt!
    (Im Grunde wird in diesem Zitat auch der Hauptgrund der Krise genannt, aber das gehört jetzt nicht hierher.)

Was ist eigentlich der Unterschied zwischen klassischer und Vulgärökonomie?
Die klassische bemüht sich noch, draufzukommen, wie der Kapitalismus oder zumindest einzelne Elemente von ihm funktionieren.
Die Vulgärökonomie versucht nur, das Interesse des Kapitals als ewiges Gesetz zu verkünden und möglichst auch in Gesetzesform gießen zu lassen.

Das leitet über zu einer weiteren Geistesleistung des bereits bekannten Herrn Senior, der Abstinenztheorie des Kapitals. Während der Wilde alles verfuttert, was er herstellt, legt der Unternehmer (fast) alles auf die Seite und schafft es dadurch, zu akkumulieren! Mr. Senior unterschlägt natürlich, daß es nicht das selbst verfertigte Produkt ist, an dem sich dieser edle Zug des Kapitals zeigt. (S. 623-624)
All diese geistigen Meisterleistungen geschehen nur aus der Angst, das zarte Pflänzlein der Kapitalakkumulation könnte auf dem Altar der ungezügelten Genußsucht geopfert werden …

Andere Gesellschaftsformen kennen zwar den Prozeß der Produktion auf erweiterter Stufenleiter auch, sie verfressen keineswegs alles, was sie produzieren. Das gilt aber nicht: keine Abstinenz, kein „Fortschritt“!

Dieser Prozeß erscheint aber nicht als Akkumulation von Kapital und daher auch nicht als Funktion des Kapitalisten, solange dem Arbeiter seine Produktionsmittel, daher auch sein Produkt und seine Lebensmittel, noch nicht in der Form von Kapital gegenüberstehn.

(S. 624, Absatz 2)

Es ist eben vom Standpunkt der Wissenschaft unsinnig, nicht-kapitalistische Produktionsformen zu untersuchen, um dann zu dem schluß zu kommen, daß es bei ihnen nicht kapitalistisch zugeht. Vom Standpunkt des Apologeten des Kapitals ist aber diese Methode sehr sinnvoll, überall ägyptische Finsternis zu entdecken, bis endlich die Sonne des Privateigentums, des Mehrwerts und der Akkumulation aufgeht.

4. Umstände, welche unabhängig von der proportionellen Teilung des Mehrwerts in Kapital und Revenue den Umfang der Akkumulation bestimmen: Exploitationsgrad der Arbeitskraft – Produktivkraft der Arbeit – Wachsende Differenz zwischen angewandtem und konsumiertem Kapital – Größe des vorgeschoßnen Kapitals

Es

… wirken bei Bestimmung der Größe der Akkumulation alle die Umstände mit, die die Masse des Mehrwerts bestimmen. Wir fassen sie hier nochmals zusammen, aber nur insofern sie mit Bezug auf die Akkumulation neue Gesichtspunkte bieten.

(S 625, Absatz 2)

Dankenswerterweise erinnert Marx hier an alles, was wir eigentlich schon wissen müssten, aber was vielleicht nicht mehr ganz vorhanden ist …

Was ist gemeint damit, daß die Nationalökonomie

die Beschleunigung der Akkumulation durch erhöhte Produktionskraft der Arbeit identifiziert mit ihrer Beschleunigung durch erhöhte Exploitation des Arbeiters.

(S 626, Absatz 2)

– ?

Die Rate des Mehrwerts, man erinnere sich, ist das Verhältnis von notwendiger (=bezahlter) Arbeit zu Mehr-(=unbezahlter)Arbeit. Ob diese Rate jetzt gesteigert wird durch Produktivkraft der Arbeit oder durch Lohndrückerei, ist den hier erwähnten Nationalökonomen wurscht. Sie sehen nur eine größere Mehrwertmasse, die nach Abzug der Konsumption des Kapitalisten für die Akkumulation zur Verfügung steht.

Deshalb kommen jetzt einige Beispiele dafür, wie der Arbeitslohn noch unter sein absolutes Minimum gedrückt werden kann.

Einen doofen Satz von J.S. Mill kontert Marx gekonnt:

»Könnte Arbeit ohne Kauf gehabt werden, so wären Arbeitslöhne überflüssig.« Wenn aber die Arbeiter von der Luft leben könnten, so wären sie auch um keinen Preis zu kaufen.

(S 626, Absatz 3 & 4)

Die folgenden Zitate sind dem Gejammer über den falschen und unnötigen Konsum der Arbeiter gewidmet, die sich ansaufen, rauchen, bzw. anderen Drogen hingeben, und dadurch Bedürfnisse pflegen, die den Arbeitslohn verteuern. (Alles sehr aktuell heute.) Dagegen werden als leuchtendes Beispiel Weltgegenden angeführt, wo die Arbeiter mit weniger auskommen.
Diese ganzen Apologeten der reibungslosen und erfolgreichen Ausbeutung haben kein Bewußtsein davon, wie sehr Drogen aller Art das arbeitende Volk bei der Stange halten und ihre Verfügbarkeit vereinfachen. (Auch das sehr aktuell heute.)

Einschub zu „Drogen aller Art“: eine wichtige Erfindung zum Aushalten der Ausbeutung war das von Paracelsus erfundene Laudanum, das sehr verbreitet war in englischen Industrie- und Hafenstädten, neben dem Gin.
Zweiter Einschub: Marx und Engels war das Thema der Drogen irgendwie zuwider. Es war ihnen wohlbekannt, daß die englischen Arbeiter jede Menge von dem Zeug (Alkohol, Tabak, Opium) konsumierten. Aber das war für sie eine „Nebenerscheinung“ der Ausbeutung, nicht der Rede wert. Man konnte es irgendwie dem „Lumpenproletariat“ zuweisen, dem Teil der Arbeiterklasse, der von ihnen für Agitation abgeschrieben war: der Abschaum der Gesellschaft, bei dem Hopfen und Malz verloren war. Das ist ein Hinweis darauf, wie sehr sie das Bewußtsein der arbeitenden Klassen, deren Bedürfnisse und Vorstellungen, als tabula rasa betrachteten, die bloß darauf harrte, von kommunistischer Propaganda beschrieben zu werden …

Benjamin Thompsons Suppe, abgesehen von ihrer kulinarischen Fragwürdigkeit, ist sehr variabel, je nach den Preisschwankungen, da sie für gewisse Ingredienzen nur Preis-, aber keine Mengenangaben aufweist. (S. 628)

Dann kommen Beispiele aus der Welt der Grundbesitzer und Taglöhner (S. 629), wo die kirchliche Fürsorge eingesetzt wird, um zu niedrige Löhne zu ergänzen, damit die Leute nicht verhungern. (Vorläufer gewisser sozialstaatlicher Ausgleichszahlungen heute. Woher hatten die Pfarreien eigentlich das Geld dafür?)

Überarbeitung und Lohndrückerei haben – dies nur zur Erinnerung – für den Kapitalisten den Vorteil, daß das konstante Kapital dabei nicht proportianal wächst, also weniger Vorschuß nötig ist, als wenn man die Produktion durch Anstellen von mehr Arbeitern steigert. (Auch sehr aktuell heute in der Krise.) Besonders im Bergbau bietet sich dieses Verfahren an, da dort keine zu verarbeitenden Rohstoffe vonnöten sind.

Durch die Konkurrenz setzt sich die Verringerung des Stundenlohns erst innerhalb dieser extraktiven Branchen durch, und kommt dann der verarbeitenden Industrie zugute, deren Rohstoffe sich dergestalt verbilligen.

Soviel also zu Lohndrückerei und Arbeitszeitverlängerung, also den Methoden der absoluten Mehrwertproduktion.

Ein andrer wichtiger Faktor in der Akkumulation des Kapitals ist der Produktivitätsgrad der gesellschaftlichen Arbeit.

(S. 631, Absatz 2)

Neben Arbeit und Natur trägt hier die Wissenschaft ihren Teil bei, um den Exploitationsgrad der Arbeit zu erhöhen.

Marx erinnert hier daran, daß zugesetzte Arbeit vergegenständliche Arbeit erhält, und dies in zunehmendem Maße vollbringt, je höher die Mehrwertrate steigt. Einer (pro Produkt) gleichbleibenden, insgesamt steigenden Masse von Rohmaterial steht eine sich stets verringernde Arbeitsmenge (und Lohnsumme) gegenüber.

Was ist mit diesem Satz gemeint? –

Alle Kräfte der Arbeit projektieren sich als Kräfte des Kapitals, wie alle Wertformen der Ware als Formen des Geldes.

(S. 633, Absatz 1)

Es wird dem Kapital zugeschrieben, Leute in Arbeit zu setzen und Waren zu produzieren, obgleich letztlich alle stoffliche Produktion Produkt von Arbeit ist. Ob jetzt eine einzelne Ware verkauft, ihr Wert mit dem anderer an Waren verglichen wird – alle Käufe und Verkäufe erscheinen als Funktionen des Geldes, weil sie nur dafür erzeugt wurden, um für Geld über den Ladentisch zu gehen.

Warum leisten die Bestandteile des fixen Kapitals „Gratisdienst“? (S. 635) Sie setzen doch Wert zu, aber nur imRahmen des in ihnen vergegenständlichten Wertes. Wenn sie darüber hinaus noch fungieren, so erzeugen sie sozusagen gratis Wert, oder geben bei jedem Produkt mehr Wert ab, als es ihrer Durchschnitts-Lebensdauer entsprechen würde. Die Maschinen werden besser und langlebiger im Verlauf der Entwicklung der Produktivität. Und dieser zusätzliche Gewinn kann wieder investiert werden und steigert also die Akkumulationsfähigkeit des Kapitals.

Diese ganze dem Arbeiter abgeknöpfte Arbeit geht in das Eigentum des Kapitalisten über und erscheint dann den Apologeten des Kapitals als sein Verdienst, wofür er auch mit Gewinn gebührend entlohnt werden muß. Dieser Respekt vor dem akkumulierten Kapital wächst mit der Proportion gegenüber der lebendigen Arbeit, die von ihm eingesaugt wird.

Frage: Was haben Sklave und Sklavenhalter hiermit zu tun?

Der Sklavenhalter ist ja auch überzeugt, daß er für den Sklaven Geld ausgegeben hat, jetzt für ihn sorgt und aufkommt, und daß dieser ihm dafür die abgelieferte Arbeit „schuldig“ ist.

Was ist gemeint mit der „antagonistischen gesellschaftlichen Charaktermaske“?

Das heißt, daß der eine von der Arbeit des anderen lebt, dieses völlig rechtlich gedeckt ist, und ideologisch so daherkommt, als daß der Arbeitende demjenigen dankbar sein muß, der ihn erhält.

Was ist gemeint mit

„schließlich spielen alle Springfedern der Produktion um so energischer, je mehr ihre Stufenleiter sich erweitert mit der Masse des vorgeschossenen Kapitals.“? (S. 636, Absatz 1)

Was wir bisher immer wieder festgestellt haben – klappt G–G’, so ist mehr da für die Wiederholung des Produktionsprozesses auf erweiterter Stufenleiter, es können mehr Maschinen angeschafft oder mehr Leute angestellt werden, es gibt mehr Möglichkeiten, die Mehrwertrate zu erhöhen, und das eröffnet wieder gute Perspektiven für die nächste Runde des Kreislaufs des Kapitals …

5. Der sogenannte Arbeitsfonds

Der „Arbeitsfonds“ der Nationalökonomen ist etwas anderes, als Marx selber damit bezeichnet hat. Bei Marx sind es die Arbeitsmittel, Werkzeuge und Rohstoffe, die für die materielle Reproduktion einer Gesellschaft notwendig sind.
In der Nationalökonomie wird es zu einer diffusen Menge aus Lebensmitteln und Arbeitsvolk, das dem Kapital zur Verfügung zu stehen hat. Ungeachtet der ständigen Atteaktion und Repulsion von Arbeitskräften durch das Kapital, je nach Konjunkturlage, die den Ökonomen auch bekannt war, betrachten sie diesen von ihnen so genannten „Arbeitsfonds“ als eine fixe Größe.

Im Grunde ist das nix anderes als der heute immer wieder strapazierte „Kuchen“ des gesellschaftlichen Reichtums, der angeblich zur Verteilung ansteht, verbunden mit dem Gejammer, daß er „ungerecht“ verteilt würde.

Die ideologische Grundlage dieses „Arbeitsfonds“ scheint zu sein, daß der arbeitenden Klasse nur ein genau definierter Teil des gesellschaftlichen Reichtums zugestanden wird, der Rest gehört den Kapitalisten, als Lohn für ihre segensreiche Tätigkeit.
Die Wahrheit dieses „Arbeitsfonds“ ist diejenige, daß der Arbeiterklasse so wenig an Konsumtionsfähigkeit gelassen wird, daß Export zur Existenzbedingung des Kapitals wird, um die Kaufkraft fremder Länder an sich zu ziehen.

Das Thema dieses Kapitels ist, wie der Mehrwert reinvestiert bzw. verfuttert wird. Es wird auf dem Widerspruch von Konsumption und Akkumulation herumgeritten. Was ist was ist das Ergebnis dieses Prozesses der Akkumulation? Wie sich die Klassen den ständig anwachsenden stofflichen Reichtum der Gesellschaft aufteilen und gemäß ihren Möglichkeiten einsetzen. Wie die Rechtfertigung dieser ständigen Aneignung von Reichtum gestrickt ist. Und wie sehr die eine Klasse sich das leisten kann, was ihr die andere zugesteht.

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