Amelie Lanier, 4. Abschnitt
Januar
2013
27.1.2013

Protokoll 30

Maschinerie und große Industrie 5, Kapitel 13/6-7

13. Kapitel: Maschinerie und große Industrie

6. Die Kompensationstheorie bezüglich der durch Maschinerie verdrängten Arbeiter

Laut einem Teilnehmer eine heute auch noch aktuelle Theorie, auch wenn niemand mehr Senior, Mill & Co. kennt.

Marx geht jetzt alle Momente dieser Theorie durch.

  1. Der Unternehmer kauft eine oder mehrere Maschinen und ersetzt dadurch Arbeiter. Ist dadurch Kapital „freigeworden“? Nein, es wurde gebunden, in Form von konstantem Kapital, und steht gar nicht mehr zur Auslage von Arbeitslohn zur Verfügung.
  2. Die die Maschine Herstellenden haben ja Arbeit, auch wenn die Maschine andere verdrängt. Ja, aber immer die gleichen x Leute fertigen Maschinen an, die dann immer y neue Arbeiter in der Fabrik des Käufers verdrängen.
  3. Die Behauptung, die „freigesetzten“ Lebensmittel, die die entlassenen Arbeitern sich nicht mehr kaufen können, seien so etwas wie freigesetztes Kapital, ist so blöd, daß sie fast nicht der Beschäftigung wert ist. Unverkaufte Lebensmittel sind Ladenhüter und überhaupt kein Kapital. Sie werden entwertet, und nicht freigesetzt. Dann gibts Personalabbau in der Lebensmittelindustrie, und somit werden die „freigesetzten“ Arbeiter nicht nur nicht kompensiert, sondern sie kriegen sogar noch Gesellschaft auf dem Pflaster, auf das sie geworfen worden sind.
  4. Theoretisch können die entlassenen Arbeiter in anderen Branchen Arbeit finden. Das ist jedoch erstens nur möglich, wenn es dort überschüssiges Kapital gibt, das sie anwenden will, und hat gar nichts mit dem zu tun, das sie jetzt durch Maschinerie ersetzt hat. Zweitens ist ihre Spezialisierung jetzt entwertet und sie müssen sich billiger anbieten, um in einem neuen Job unterzukommen.

Dieser Satz ist nicht ganz klar:

Ferner attrahiert jeder Industriezweig jährlich einen neuen Menschenstrom, der ihm sein Kontingent zum regelmäßigen Ersatz und Wachstum liefert. Sobald die Maschinerie einen Teil der bisher in einem bestimmten Industriezweig beschäftigten Arbeiter freisetzt, wird auch die Ersatzmannschaft neu verteilt und in andern Arbeitszweigen absorbiert, während die ursprünglichen Opfer in der Übergangszeit großenteils verkommen und verkümmern.

(S 464, 2. Absatz)

Wer ist diese „Ersatzmannschaft“? Kinder, Zuagroaste? Die Arbeiterklasse ist offenbar eine nachwachsende Energieform. Wenn die Lenden nicht genug hergeben, hilft der Staat in Sachen Zufuhr nach. (Inzwischen gibt es ja schon etwas zu viel „Ersatz“, siehe Jugendarbeitslosigkeit.)
Welche Übergangszeit? Wenn sie verkommen, so gabs ja wohl keinen „Übergang“.

Was ist hier gemeint?

Nach wie vor ihrer Einführung besitzt die Gesellschaft also gleich viel oder mehr Lebensmittel für die deplacierten Arbeiter, ganz abgesehn von dem enormen Teil des jährlichen Produkts, der von Nichtarbeitern vergeudet wird.

(S 465/466)

Wer sind diese „Nichtarbeiter“? Kapitalisten, die sich vollfressen? Arbeitslose, die irgendwie durchgefüttert werden? Kinder, die nicht arbeiten? Und warum „vergeudet“? Wenn etwas verkauft wird, so hat es doch seinen Zweck erfüllt und irgendjemandem Geld in die Tasche gespült.
Vermutlich gehört „vergeudet“ in Anführungszeichen und soll die Sichtweise der Apologeten wiedergeben, die alles, was nicht direkt zur Reichtumsvermehrung beiträgt, als Verschwendung betrachten.

Was ist gemeint mit:

Da also die Maschinerie an sich betrachtet die Arbeitszeit verkürzt, während sie kapitalistisch angewandt den Arbeitstag verlängert

(S 466, Absatz 1)

Man kann durch die Maschine in der gleichen Zeit mehr Waren herstellen, also die gleiche Anzahl Waren in kürzerer Zeit. Da es dem Kapitalisten aber um das Herstellen von möglichst viel Waren geht, so wird die Arbeitszeit verlängert oder Schichtbetrieb eingeführt, um möglichst viel aus der Maschine herauszuholen.

Die damaligen Schönredner genauso wie die heutigen Nationalökonomen gehen so vor, daß sie die häßlichen Seiten des kapitalistischen Systems zu „Mißständen“ oder vorübergehenden Erscheinungen erklären, während sie sich schwärmerisch über die Segnungen des technischen Fortschritts ergehen. Was damals von den Ökonomen zur Maschinerie verzapft wurde, wird heute z.B. vom Internet behauptet. Die „Technik – Fluch oder Segen“-Thematik wird ja den Schulkindern schon nahegelegt. Wer sich gegen die gesellschaftlichen Folgen der einen oder anderen Technologie wendet, wird leicht als Maschinenstürmer abgetan.

Aber umgekehrt entstehen doch Mechanisierung und Produktivitätssteigerung doch neue Arbeitsplätze.

Eine neue Technologie kann Arbeitsplätze schaffen – wenn die Produktion irgendeiner Ware gesteigert und diese auch am Markt abgesetzt werden kann, so steigt der Bedarf nach Rohmaterial, Vorprodukten usw. und dadurch werden Leute in Arbeit gesetzt.

Warum hat das nichts mit der Kompensationstheorie zu tun? (S 466, 2. Absatz) Hier erfährt sie doch eine Bestätigung. Offenbar meint Marx, daß die damaligen Theorien das tatsächlich vorhandene Phänomen falsch erklären. Und jetzt kommt die richtige Erklärung.

In welchem Maße Arbeitsplätze geschaffen – oder auch vernichtet werden, hängt davon ab, wie in diesen rohstoffproduzierenden Branchen gearbeitet wird. Die Negersklaven in den USA und die vertriebenen Bauern Englands und Kleinhäusler Irlands sind Beispiele für die gegenteilige Wirkung der verstärkten Nachfrage nach Rohmaterial auf die Nachfrage nach Arbeitskraft. Aber auch bei ersterem Beispiel – die Sklaven – sind es ja nicht Lohnarbeiter, die da in Arbeit gesetzt werden.

Vermehrte Zufuhr an Rohmaterial durch verbesserte Maschinerie kann auch verstärkt Leute in den weiterverarbeitenden Gewerben beschäftigen – solange dort handwerklich gearbeitet wird. Es findet hier also in der Tat Kompensation statt, die ist aber nur temporär – solange, bis die Maschinen auch hier die Handarbeit ersetzen.
Und das geschieht sicher, weil die erhöhte Betriebsamkeit, der verstärkte Einsatz von „Händen“ den Erfindergeist anstachelt, um diese vielen Lohnempfänger durch einen Apparat zu ersetzen.

Der Maschinenbetrieb treibt die gesellschaftliche Teilung der Arbeit ungleich weiter als die Manufaktur, weil er die Produktivkraft der von ihm ergriffnen Gewerbe in ungleich höhrem Grad vermehrt.

(S 468, Absatz 2)

Durch die weitere Teilung der Arbeit und die Entwicklung neuer und effektiverer Maschinen entstehen neue, auf ein bestimmtes Produkt spezialisierte Wirtschaftszweige. Ein Beispiel: die Energie-Industrie, die ja seinerzeit ein Anhängsel der Industrie war. Oder die Schraubenerzeugung.

Weiters wird die Luxusgüterproduktion – die muß übrigens nicht industriell betrieben werden, sondern da hat das Handwerk durchaus seine Überlebens-Nische – eingerichtet und ausgeweitet, nachdem die Klasse der Unternehmer und ihr Reichtum sich vergrößert.

Frage: Warum erweiterte sich die Kapitalistenklasse? Heute heißt es doch, die Reichen würden zwar reicher, aber dieser Reichtum konzentriere sich in immer weniger Händen. Das scheint am Anfang der bürgerlichen Gesellschaft, zur Zeit der Frühindustrialisierung anders gewesen zu sein. Da entstand diese Klasse ja sozusagen aus dem Nichts und speiste sich aus den Mitgliedern aller alten feudalen Klassen.

Schließlich erweitert sich mit dem Anwachsen des Welthandels die Transportindustrie, bzw. heute das, was als „Logistik“ bezeichnet wird. Und schließlich die Infrastruktur überhaupt, deren „Raumanteil an der Gesamtproduktion“zu Marx Zeiten offensichtlich noch nicht so groß war wie heute.
Was meint Marx mit der „Notwendigkeit rohster Handarbeit“ und „Erdarbeitern“? Offenbar nur, daß sich dort auch ein Verhältnis von spezialisierten und ungelernten Arbeitern zeigt, also beide Arten notwendig sind, und Arbeitskräfte aller Art „attrahiert“ werden.

Das Ende des Unterkapitels wirft noch ein Licht auf eine andere Absorption von Arbeitskräften, auf die Dienstboten, (nach denen übrigens heute z.B. in Rußland wieder großer Bedarf herrscht,) die ja auch aus dem Mehrwert erhalten werden, den die Unternehmer aus den Arbeitern herausholen.

Dieses Unterkapitel hat gezeigt, daß Verdrängung von Arbeitern durch Maschinerie nicht notwendig zu mehr Arbeitsplätzen anderswo führt, daß sie aber durchaus diese Wirkung haben kann. Deswegen wendet sich Marx jetzt dem zu, was in ein und der gleichen Branche mit den Entlassenen geschieht.

7. Repulsion und Attraktion von Arbeitern mit Entwicklung des Maschinenbetriebs. Krisen der Baumwollindustrie

Marx weist darauf hin, daß die Statistiken die Behauptung der Kompensationstheoretiker, daß die Einführung von Maschinerie langfristig die Anzahl der Beschäftigten erhöhe, – auch wenn sie kurzfristig zu Entlassungen führt –, nicht bestätigen. Dort, wo tatsächlich Zunahme stattfindet, ist es die „Ersatzmannschaft“, nicht die Entlassenen, die Arbeit findet, und vor allem werden die vielen Nebengewerbe, die zugrundegehen, und die Leute, die dadurch außer Brot gesetzt werden, nicht mitgezählt.

Die von Marx beschriebene „internationale Arbeitsteilung“ zwischen den Heimatländern des Kapitals und den Rohstofflieferanten von außerhalb (S 474/75) hat zwar lange gedauert, ist aber inzwischen auch durcheinander geraten ...

Auf S 477 unten erhebt sich die Frage, warum die „Aufhebung der Koalitionsgesetze“ eine „allgemeine große Ausdehnung der Fabriken“ hervorgebracht hat. Statt eines Verbotes von Arbeiterorganisationen die Genehmigung derselben scheint eine wohltuende Wirkung auf den Zustrom von Arbeitskräften gehabt zu haben.

An der Aufzählung der Aufeinanderfolge von Krise und Prosperität fällt auf, wie kurz die Konjunkturzyklen der Frühindustrialisierung waren, im Vergleich zu heute.

Die Fabrikanten bedienten sich 1842 offenbar der Arbeiter für ihre Propaganda gegen die Korngesetze, indem sie die Fabriken zusperrten und die Arbeiter zu einer Demo aufriefen. Die Aufhebung der Korngesetze führte sofort zu Lohnsenkung.

Der Zeitraffer läßt viele Fragen offen ...

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