FORVM, No. 246
Juni
1974

Portugal: Nächster Putsch gegen links

Mehr als 40 Jahre hat die demokratische Opposition das portugiesische Militärregime bekämpft. Am 25. April 1974 fegte ein Militärputsch diese für recht stabil gehaltene Diktatur innerhalb weniger Stunden hinweg. Die mächtige Geheimpolizei DGS (früher PIDE war nicht imstande, einen relevanten Widerstand zu organisieren. Ihre Agenten wanderten in die Gefängnisse, aus denen kurz zuvor die politischen Häftlinge freigelassen worden waren. Wie war das möglich? Vorerst ist der rasche Erfolg des Putsches ein Beweis dafür, daß es der Militärdiktatur innerhalb von 48 Jahren nicht gelungen ist, sich eine Massenbasis zu verschaffen. Der Versuch, in Gestalt einer „Nationalen Volksaktion“ eine faschistische Einheitspartei aufzubauen, scheiterte. Auf der anderen Seite gelang es der Demokratischen Bewegung — einem Bündnis von Kommunisten, Sozialisten und Linkskatholiken — trotz Illegalität, einen relativ effizienten Widerstand zu organisieren.

Auslösendes Moment für den Sturz des Faschismus war die zunehmende Opposition innerhalb des Militärs, die sich vor allem an der Frage der Kolonialpolitik bildete. Das ärmste Land Europas gab die Hälfte seines gesamten Staatshaushaltes für militärische Zwecke aus, die Wehrdienstzeit wurde unter Salazar auf vier Jahre erhöht. Dennoch war die portugiesische Armee nicht imstande, den Vormarsch der Befreiungsbewegung in Angola, Mozambique und Guinea-Bissau aufzuhalten. Die Verluste an Menschen und Material stiegen von Jahr zu Jahr, so daß sich auch in manchen Offizierskreisen die Erkenntnis durchsetzte, daß die Kolonialkriege militätisch nicht zu gewinnen sind. Die oppositionellen Offiziere wußten, daß sie im Falle eines Putsches mit der breiten Unterstützung des Volkes rechnen konnten. Dadurch waren die Voraussetzungen für den 25. April gegeben.

Nun kann man jedoch sicherlich nicht annehmen, daß der Putsch für den CIA vollkommen überraschend gekommen ist. Offensichtlich hatten also auch die USA ein Interesse an einer „Modernisierung“ des archaischen portugiesischen Systems sowie an einer „Anpassung“ der Kolonialpolitik. Ein Kolonialkrieg, in dem noch dazu die Befreiungsbewegungen in der Offensive sind, ist letztlich den ökonomischen Interessen des Imperialismus nicht dienlich. Es ist also durchaus nicht von der Hand zu weisen, daß die USA in dieser Situation auf eine neokoloniale Lösung gedrängt haben, für die jedoch die portugiesischen Ultras nicht zu gewinnen waren.

Die Volksbewegung ist sofort nach dem 25. April über die ursprüngliche Konzeption der „Junta der nationalen Errettung“ hinausgegangen. Sie forderte nicht nur tiefgreifende ökonomische und politische Umgestaltungen in Portugal, sondern auch die sofortige Unabhängigkeit für die Kolonien. Da die Militärs gegenwärtig auf die Unterstützung der Massen angewiesen sind, haben sie teilweise deren Forderungen nachgeben müssen. So waren sie gezwungen, in die Übergangsregierungen alle demokratischen Bewegungen — einschließlich der Portugiesischen Kommunistischen Partei — aufzunehmen. Allerdings werden diese Konzessionen an die Demokratische Bewegung kaum die Zustimmung der USA finden.

Es ist bezeichnend, daß der Militärrat trotz der Bildung einer zivilen Übergangsregierung weiter im Amt bleiben will. Es handelt sich also quasi um eine „Demokratie auf Probe“, die die Möglichkeit eines erneuten Eingreifens des Militärs — diesmal gegen die Demokratische Bewegung — einschließt. Noch problematischer stellt sich die neue Situation für die Befreiungsbewegung in den Kolonien sowie in der Republik Guinea-Bissau dar. Die Junta hat zwar Verhandlungen angeboten, doch weigert sie sich nach wie vor, das Recht auf Unabhängigkeit anzuerkennen. Der Vorschlag eines bedingungslosen Waffenstillstandes ist für die Befreiungsbewegung unakzeptabel, er würde letztlich auf eine Kapitulation hinauslaufen. Gleichzeitig formiert sich auch von Seiten der weißen Ultras der Widerstand gegen die Pläne der Junta. Eine Lösung nach rhodesischem Muster rückt immer deutlicher in den Bereich des Möglichen. So war es nur konsequent, wenn der Präsident der MPLA vor kurzem angekündigt hat, die Befreiungsbewegungen müßten jerzt ihren Kampf verstärken.

Der Widerspruch zwischen der neuen Zivilregierung und dem Militärrat ist also von Anfang an angelegt: die in der Regierung vertretenen Parteien haben sich eindeutig für die Unabhängigkeit der Kolonien ausgesprochen, während Präsident Spinola und der Militärrat nur vage von einer Volksabstimmung über die Zukunft der Kolonien in einem Jahr — noch dazu bloß in Portugal! — reden. Wie sich diese Widersprüche lösen werden, wird nicht nur vom inneren Kräfteverhältnis in Portugal (und vor allem innerhalb der Armee), sondern auch von internationalen Faktoren — insbesondere vom weiteren Verhalten der USA — abhängen.

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