FŒHN, Heft 22
 
1996

Popstar

Die Großveranstaltungen der FPÖ im Nationalratswahlkampf 1994 wurden in Zeitungsinseraten und auf Plakaten unter dem Titel „Jörg Haider-Tour 94“ angepriesen, womit z.B. an Udo 70 oder Pink Floyd Tour 1990 angestreift werden sollte. Verteilt wurden dabei ein als Wahlprogramm getarnter aufklappbarer Haider-Starfolder und ein Haider-Rap auf CD. Die einzige Botschaft der Werbespots im Fernsehen, die auch bei den Tour­Shows auf einer Riesenleinwand eingespielt wurden, war: Welch eine Größe! Welch ein Sieger! Da wird keine Zutat, mit der man sich im Schneideraum so einen bauen kann, ausgelassen. Er fliegt den Leuten zu (mit dem Privatjet und mit dem Hubschrauber) ­ und die Leute fliegen ihm zu. Haider mit Handy, Haider mit Rebook-Leiberl, Haider mit Designer-Sonnenbrille Ray Ban. Die Clips inszenieren einen Starrummel um ihn, auf daß ihre Ausstrahlung einen Starrummel um ihn auslöse. Wo er hinkommt, reißt er die Arme in die Höhe wie ein Weltcupsieger, gibt Autogramme, wird interviewt. Anknüpfend an den Haider-Kult von News & Co. macht das FP-Kamerateam allein sein Eintreffen zu einer TV-Konfrontation zur Star-Ankunft: Anflug im Jet, er wird geschminkt und gefönt, wird im BMW zum Küniglberg gefahren, wo schon alles auf ihn wartet, Fans, Händeschütteln, Begeisterung. Nicht, was er am Runden Tisch sagt, ist hier der Hit, sondern daß er, er selbst, dort hinkommt! Was für ein Star!

Griß kann man selbermachen. Zum Beispiel, indem man zu einem kleinen Saal bewußt mehr Leute hinkarrt, als darin Platz haben, wie bei der „Grundsatzerklärung“ Haiders im März 1995 in der Wiener Börse. Die Kameras, die den Redner dort umschwirren, sind die der parteieigenen Werbeagentur, die für ein Video aufzeichnet, auf dem dann die Kameras, die gerade nicht aufnehmen, aufgenommen sind.

Interner Hilferuf des Wahlkampfleiters der FPÖ-Tirol vom 3.9.94 an seine Spitzenkandidaten — auf daß dann die Parteizeitung jubeln kann: „Rund 5000 Freiheitliche kamen am Sonntag in die übervolle Linzer Sporthalle zum Wahlkampfauftakt der FPÖ. Die Volkspartei, die tags zuvor ihren Wahlauftakt ebenfalls in Linz veranstaltete, zählte gerade 3000 Besucher.“ (NFZ, 14.9.94

Der Starkult, auf den wir alle getrimmt sind (von Pavarotti bis Marlon Brando, von Claudia Schiffer bis Tomba) nützt Haider ­ und Haider nützt ihn. Wundert’s, wenn Zuhörer, wie sie’s gelernt haben, nach seiner Rede „Zu-ga-be!“ - „Zu-ga-be!“ schreien? „Hitler“, soll der Popstar Dawid Bowie einmal gesagt haben, „war der erste Popstar“. Der US-Historiker A. Schlesinger meinte nach einem Gespräch mit Haider über diesen: „Das soll ein Nazi sein? Der ist ein politischer Rockstar.“ (Wirtschaftswoche, 18.5.95) Und der Rockstar selber zitierte schon vor Jahren genüßlich ein Zeitgeistmagazin, wonach er „längst nicht mehr von den alten Nazis lebt, sondern zum Falco der österreichischen Innenpolitik geworden ist“ (Kleine Zeitung, 11. 1. 88).

Es ist direkt erheiternd zu sehen, wie auch ein großer Teil der FP­-Funktionäre nicht weiß, wie ihnen geschieht, wenn da abläuft, was da abläuft. Wie hölzern etwa der Tiroler Obmann Lugger im wahrsten Sinne daneben steht.

Vielleicht hilft der Vergleich mit der Schürzenjäger-Sekte. Auch sie wird als Fanclub aufgezogen, wobei die Zugehörigkeit durch den Kauf von Fanartikeln wie Kappen, T-Shirts, Dosenbier und das Beherrschen von Refrains und Ritualen erworben wird. Von einem bestimmten Zeitpunkt an zieht jeder zusätzliche Zuseher wieder zwei zusätzliche nach sich, von denen dann wieder jeder zwei ... usw.Schneeballsystem. Wenn soviele Leute sind, muß ich ja schauen, wie das ist, wenn soviele Leute sind. Die Schürzenjäger selbst sind bis obenhin verkleidet, jedem Signal ein Gegensignal aufsetzend: dem Trachtengilet eine Motorradfahrerlederhose, dem Tiroler Adler die Pinkfärbung, der E-Gitarre ein mit Schellen besetztes ledernes Gitarrenband, der mit fetten Ringen bestückten Hand Kuhglocken in eben dieser, dem ans Gesicht montierten HI-Tech-Minimikro drei Freundschaftsbänder am Arm, der Trachtenbluse eine Alternativstrickmütze, dem Goldketterl am Arm drei lange Ethno-Haarzöpfln mit Perlenkügerln dran, der Ziehharmonika im Arm einen Klumpen aus fünf, sechs Plastikuhren am Handgelenk usw. usw. Ein Lockruf an jede nur denkbare Kleingruppe. Sie haben, wenn sie auf den Markt gehen, jede Ware mit, die dort gefragt sein könnte. Nach demselben Prinzip ist auch die Musik zusammengepappt aus allem möglichen (von der Jazzmesse über den Hitparaden-Akkord bis zur Fernsehvolksmusik), nur ganz bestimmt aus nichts eigenem. Wenn Haider ein Popstar wäre, sänge er vielleicht: „Woher sonst soll man es nehmen, als vom kleinen braven Mann? Und man braucht sich nicht zu schämen, weil sich keiner wehren kann.“ Der Journalist Christian Seiler meint dazu: „Das ist die Botschaft. Wir da unten gegen die da oben. Die Schürzenjäger als Anwälte des kleinen Mannes, als Ankläger der Bonzen, als Trostspender und Ratgeber, ...“ (Profil, 21.8.95) - Je schlechter es den Menschen geht unter dem Kapitalismus, desto größer das Geschäft, das mit ihnen zu machen ist, politisch wie kommerziell.

Wie Haider mit der Menge seiner z.T. mühselig zusammengetrie­benen Zuhörer prahlt und News mit der Riesenzahl seiner dutzendweise verschleuderten Werbeseiten protzt, so brüsten sich die Schürzenjäger mit den herbeigekarrten Kilotonnen ihrer technischen Ausrüstung: Die Länge der verlegten Kabel ist so groß wie .... die Lichtanlage ist größer als ..., wir haben eine Wattleistung von .... usw. Die Größe der vorgeführten Anlage dient in erster Linie der Inszenierung der Größe der Schürzenjäger: Wir haben einen so großen Aufwand wie die Stones, daher sind wir so gut wie die Stones.

Das führt zu weit weg? Das führt ins Zentrum. Ist das zu weit?

Es ist der Kapitalismus, der nebenher als Musikgruppe auftritt, so wie er auch nebenher als Wochenmagazin oder als Partei auftritt. Haider, News, die Schürzenjäger produzieren in erster Linie nicht politische Konzepte, journalistische Artikel, Musik, sondern Eigenwerbung. Die Ware, die sie auf den Markt bringen, ist ihr Name. Ein Spitzenprodukt. Musik haben die Schürzenjäger höchstens im Beiprogramm. Es ist nicht ihr Gesang, der die Menschen massenhaft anzieht, so wie es bei News nicht die Berichterstattung und bei Haider nicht die Politik ist.

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