FŒHN, Heft 23+24
 
1997

Noch eine Tarn-Organisation

Als von 1989 an sich immer mehr „EG NIE“- und „EG NEIN“- Flammenschriften unter die traditionellen frühsommerlichen Herz-Jesu-Feuer auf den Tiroler Bergen mischten, machte diese Form des Widerstandes den Anschlußhetzern wegen ihrer Volkstümlichkeit gehörig Angst. Was konnte man tun? Verbieten war alles andere als ratsam. Noch dazu sollten die Herz-Jesu-Feuer 1994 just auf den Vorabend der Volksabstimmung fallen. Man mußte also die Idealisten, die in Rucksäcken Hunderte von natürlich selbstfinanzierten Fackeln auf den Berg schleppten, in den Schatten stellen, indem man sie überstrahlte. Diesen Plan hatte in Innsbruck ein in der Öffentlichkeit völlig unbekanntes „Aktuelles Bürger Forum“ (ABF) gefaßt. Das ABF bestand genau aus zwei Leuten: einem Strohmann und einem Hintermann. Letzteres war der Generalsekretär der Tiroler Industriellenvereinigung, Dietmar Bachmann. „Weil die Stimmung zum Beitritt in Tirol am negativsten ist“, wollte sich hier seine bereits früher erwähnte VÖI-„Initiative Tirol für Europa“ besonders ins Zeug legen. Die 80.000 Schilling für ein Feuerwerk auf der Seegrube und die 70.000 Schilling für die Flammenschrift „EU JA“ unterhalb vom Hafelekar, seien kein Problem, so der Hintermann, während der Strohmann, ein pensionierter Innsbrucker Gewerbetreibender, davon träumte, die EU-Gegner notfalls mithilfe der Staatsgewalt von ihrem angestammten Platz am Abhang der Nordkette zu vertreiben. Zu gern hätte dieser auch noch jene EU-Laser-Show über Innsbruck um 150.000 Schilling gehabt, die dann vorzeitig fallen gelassen wurde, obwohl, wie er beteuerte, Landeshauptmann Weingartner (!), die Hälfte dieser Summe bereits zugesagt hatte. Man konzentrierte sich ganz auf „Feuerzauber“ und „Raketenzauber“ (siehe Presse-Aussendung), wofür zwei Firmen und ein Trupp von Helfern engagiert wurden. Geholfen freilich hat letzten Endes alles Geld der Industrie nicht. Infolge dichten Schneefalles während des gesamten 11. Juni 1994 mußte die angeheuerte Mannschaft am frühen Nachmittag auf der Seegrube ihr bengalisches Glump wieder einpacken und ins Tal fahren. - - -

Die EU-Gegner aber gingen unverdrossen daran, in Schneesturm und dichtem Nebel am Abhang der Nordkette in mühsamer Arbeit ihre Nein-Losung auszustecken. Erst als sie die riesige Fackel-Schrift entzündeten, riß es vollständig auf, und der feurige Appell war für zwei Stunden im gesamten Talkessel sichtbar. Den Industriellen wurde damit im wahrsten Sinne heimgeleuchtet. An diesem Vortag der Abstimmung hatte noch das ehrliche Engagement von unten gegen die totale Manipulation von oben gesiegt.

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