Streifzüge, Heft 50
Oktober
2010
2000 Zeichen abwärts

Massensterben am Limes

Man erfährt aus den Marginalien im www-Dschungel, welche Folgen der Druck der Zivilisierten-Zentren für die Migrantenmeute hat, wenn ihre Schaluppen aus einer nordafrikanischen Bucht in See stechen. Wie eine Migrantenmenge auf einen hölzernen Schleppkahn von zehn Metern gedrängt wird, der im aufgewühlten Meer zehn Meilen vor einer EU-Insel kentert. Seine Insassen ertrinken und landen im Gottesacker unter Wasser statt im Eldorado. Fischer erzählen, wie sie an den Kiel eines untergegangenen Schlauchboots geklammert Hilfe erhoffen. Am Tod von ca. 14.000 migrantischen Menschen seit 1988 sind weder die stürmische See noch ein morscher Seelenverkäufer Schuld, sondern der fremdländische Deckel ihres Passes, der als Bannfluch für die superimperialistischen Pressuregroups gilt. Dieses Gewoge schreibt die Geschichte den nordischen Nationen ins Stammbuch, was sie in Rage bringt, nicht als Bastion der Humanität gefeiert zu werden, sondern der Brutalität.

Dass die verbale Variante der humanitären Handlanger die eigenen Staaten als Drahtzieher von jeglicher Schuld des Massensterbens am Limes nicht nur freispricht, sondern auch als ritterliche Retter darstellt, ist weit mehr als biegbares Beiwerk. Das Gegenteil ist aber der Fall. Zum Beispiel fungiert das Grundgesetz der Bundesrepublik nicht als Korrekturband des Staatsapparates, sondern als die Charta seiner Macht. Es ermächtigt generell die partizipierenden Gewalthaber durchzusetzen, was immer sie zur Abwehr der demokratischen Domäne für notwendig auslegen, dabei den humanitären Akt außen vor zu lassen.

Die Apparatschiks der Staatsgewalt sind nicht gehorsame Gefolgsleute der Menschenrechte oder globalen Königswege, sondern deren honorierte Hintermänner und Vollstrecker. Auch die einschlägigen Regeln gehören zum Werke-Vermerk ihrer Macht, durch die sie in die Lage versetzt werden, jedem unterlegenen „Anderen“ eigenhändig eine menschenrechtliche und humanitäre Lizenz hinterher zu schicken.

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