Jahr 2006
Juni
2006

Liebe Freundinnen und Freunde von Context XXI!

Seit 1999 existiert Context XXI, so wie Ihr es kennt: als Zeitschrift, Internetplattform und Radioproduktionsstätte. Context XXI war von Anfang an ein ziemlich anachronistisches Unterfangen. Wieso das?

Frau/Man kann eben nicht als zeitgemäß gelten lassen, was ohne nennenswerte finanzielle Mittel und ohne Profitorientierung Öffentlichkeit schaffen will.

Frau/Man kann eine Redaktion als von Gestern bezeichnen, die sich wissentlich und mit viel Elan übernimmt und fast in den privaten Ruin treibt, einfach um Öffentlichkeit zu schaffen.

Eine Zeitschrift kann als zivilgesellschaftliches Projekt mit dem Aufzeigen von Antisemitismus in der Zivilgesellschaft eigentlich nur Unzufriedenheit und Abokündigungen vieler LeserInnen provozieren. Harte Kritik am eigenen Publikum, am eigenen Umfeld, an und innerhalb der eigenen Redaktion ist eben ein schlechter, wenn auch eigentlich der einzig sinnvolle Grund, um Öffentlichkeit zu schaffen.

Viele LeserInnen, die Context XXI als Zeitschrift der ARGE Wehrdienstverweigerung empfingen, regten sich über uns auf, als keine einseitige und vehemente Kritik an der Irak-Politik der US-Regierung erschien, sondern irakische Flüchtlinge zu Wort kamen, die sich mehr über den Sturz der Baath-Diktatur freuten, als sonst was. Die ARGE selbst beschloss, ihre HerausgeberInnenschaft zu kündigen. An ihre Stelle trat die österreichische Sektion der Internationalen Liga gegen Rassismus und Antisemitismus, was inzwischen inhaltlich auch besser passte. Viele LeserInnen fanden es indiskutabel, dass die von ihnen vertretene Israelkritik von uns meist als unhaltbar, auf Unwissenheit und Vorurteilen basierend kritisiert wurde. Viele LeserInnen aus der Antiglobalisierungsbewegung sahen sich ebenfalls vor den Kopf gestoßen, als unsere AutorInnen darlegten, dass ihre Kapitalismuskritik verkürzt war und somit oft den Kriterien von sekundärem Antisemitismus entsprach.

Es gab aber auch viele LeserInnen, die unsere Kritik annahmen, fallweise, weil sie selbst so dachten, meist aber, weil man als kritischer Mensch Kritik am eigenen Handeln und Denken braucht, um weiter zu kommen, um nicht genau solche Fehler zu machen, wie jene, die man selbst kritisiert.

Auch gab es viele, meist neue LeserInnen, die unsere historischen Aufarbeitungen schätzten, vor allem, weil sie immer einen Bezug zur Aktualität behielten, eben wegen der sehr engagierten AutorInnen. Diese AutorInnen lieferten für Context XXI nicht einfach nur journalistische oder wissenschaftliche Arbeiten, sondern Essays, Versuche einer Auseinandersetzung, was natürlich die Qualität der Beiträge oft Höhenflüge antreten ließ. Und dieser Qualität Öffentlichkeit zu ermöglichen, war einer der zentralen Gründe, warum Context XXI überhaupt existierte. Spaltungen innerhalb der Redaktion gab es ebenfalls viele, die schlimmste war wohl der teilweise vollzogene Bruch mit Café Critique, dem unterschiedliche Auffassungen darüber, wo Rassismus beginnt (vgl. Context XXI 08/2004), zugrunde lagen.

Doch Kritik hat ihren Preis. Unser Preis war eine etwas überforderte Redaktion, hohe Druckkosten, viel Stress ohne Ende, inklusive gebrochener Freundschaften und Burnouts.

Die Restredaktion beschloss mit diesem Jahr, die Druckversion von Context XXI nicht mehr zu produzieren. Das, was zu schreiben ist, findet auch im Internet Platz. Das schöne Papier bleibt vorerst einmal leer und hört auf, eine „selbstverständliche Ausnahme“ zu sein.

Was bleibt, sind über 30 gedruckte Ausgaben, die für etliche Beteiligte in vielen Diskussionen Meilensteine oder zumindest prägnante Ecksteine gesetzt haben.

Auch wenn nicht mehr so bald gedruckt wird, die Kritik geht weiter, denn mit einer Zeitschrift geht noch lange nicht der Wunsch der AutorInnen unter, etwas zu sagen, auch wenn es ohne Druckfahne und Druckerschwärze schwieriger zu fassen und verstreuter wird. Vielleicht so verstreut, dass bald wieder eine Gruppe von Leuten sich wissentlich übernehmen wird, um die Worte dorthin zu bringen, wo sie fürs Auge und Gedächtnis hingehören, nämlich auf per Post verschicktes Papier.

Ihr werdet dann die Ersten sein, die davon erfahren. Bis dahin Danke für Euer Lesen und für eure jahrelange Unterstützung, die aus Context XXI keine Eintagsfliege gemacht hat. Aktuelles und hoffentlich auch bald neue Texte findet Ihr weiterhin auf www.contextxxi.at.

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