Heft 7-8/2001 — 1/2002
Februar
2002

Lebensschutz oder Frauenverachtung?

Anfang Jänner machte die über deutsche Fernsehsender ausgestrahlte Werbung für ein Buch namens „Kraft zum Leben“ Schlagzeilen. Prominenz aus Sport und Film bekannte sich in diesen Spots zu Gott, dessen Hilfe durch das gratis erhältliche Buch zu bekommen sei. Re­cherchen von Sektenberatungsstellen ergaben, dass diese Aktion von der US-amerikanischen Fa­milie De Moss finanziert wurde. Die millionenschwere Familienstiftung „Arthur S. De Moss Foundation“ gehört zum konservativen evangelikalen Spektrum in den USA und unterstützt mit großen Summen u.a. die Anti-Abtreibungs-Bewegung in den USA, die (US-) „Nationale Koalition gegen Pornographie“, „Campus Crusade for Christ“ und eben auch die „Power-for-Living-Kampagne“. Kontakte bestehen zu rechtsextremen Gruppen ebenso wie zur Mun-Sekte und zum rechten Prediger Jerry Falwell, der den Wahlkampf von George W. Bush unterstützte wie schon jenen von Ronald Reagan 1984. Die Fernsehwerbung für „Kraft zum Leben“ wird mitt­lerweile nicht mehr ausgestrahlt, weil in Deutschland religiöse Werbung an sich verboten ist.

Diese Kampagne ist in engem Zusammenhang mit dem internationalen Vormarsch der Ab­treibungsgegnerInnen zu sehen. Bekannt sind in Österreich die Bet- und Belästigungsaktio­nen vor Kliniken, in denen Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt werden, wie beispiels­weise allmonatlich vor der Wiener Mairo-Klinik. Dorthin führen aber nicht nur Prozessionen, sondern nahezu täglich werden Frauen belästigt, um sie am Betreten der Klinik zu hindern.

Vor kurzem konnte die Mairo-Klinik allerdings einen juristischen Erfolg verbuchen: Eine Kündigung der Räumlichkeiten wurde abgewendet. Die Vorgeschichte ist eng mit der blau­schwarzen Regierung verbunden, denn durch diese fühlen sich die AbtreibungsgegnerInnen hierzulande so stark wie noch nie. Im Nationalratswahlkampf 1999 warben sie, die sich selbst gern als LebensschützerInnen sehen, vorzugsweise zwar durch beten, doch auch Flugblätter tauchten auf für die ÖVP, aber auch für die FPÖ. Doch die Beziehungen gehen tiefer.

Pro-Life, eine der großen und reichen Gruppierungen im Kampf gegen den Schwangerschaftsabbruch, kaufte unter ihrem Anführer Dietmar Fischer letztes Jahr die Wohnung in der Großen Sperlgasse 24 in Wien, in jenem Haus, in dem die Mairo-Klinik ihre Praxis hat, und versuchte seither, diese mit Hilfe von Räumungsklagen zu vertreiben, obwohl die Klinik einen unbefristeten Mietvertrag hat. Vertreten werden die AbtreibungsgegnerInnen durch die (ehemalige?) Rechtsanwaltskanzlei des amtierenden Justizministers Böhmdorfer.

Die österreichischen AbtreibungsgegnerInnen kommen vorzugsweise aus dem rechts­katholischen Lager, doch auch Antifrauenminister Herbert Haupt, „Alter Herr“ der deut­schnationalen „Akademischen Landsmannschaft Kärnten zu Wien“, kann zu ihnen gezählt werden. Schon kurz nach seiner Angelobung dachte er laut über Einschränkungen des Schwangerschaftsabbruchs nach, vorerst nur für voraussichtlich Behinderte. Ebenso propagierte er ein Mitspracherecht der Männer beim Schwangerschaftsabbruch. Dass damit nur der Weg zu allgemeinen Einschränkungen bis hin zur Aufhebung der Straffreiheit für alle Abtreibun­gen geebnet werden sollte, zeigt schon der Beifall für Haupt, der prompt folgte.

Die geradezu klassische Gruppierung im Kampf gegen Abtreibung und Selbstbestimmungsrecht der Frauen sind die „Geborenen für Ungeborene“, 1984 mit ÖH-Geld gegrün­det. Der damalige „Zentralausschuss“ mit einer Mehrheit aus AG und JES unterstützte die „Ge­borenen für Ungeborene“ mit 95.000 Schilling (HTU-Info 10/84, 2.5.84). Das Frauenreferat der HTU forderte — erfolglos — den Rücktritt des ZA-Vorsitzenden Herbert Rainer und seiner Stellvertreter von AG und JES. Die größten Aktionen der „Geborenen für Ungeborene“ fanden statt, als Marilies Flemming (ÖVP) Familienministerin war. Sie bekannte sich als Abtreibungsgegnerin und stand im besten Einvernehmen mit den katholischen Bischöfen. Sie ver­hinderte auch eine umfassende Sexualaufklärung an Österreichs Schulen, indem sie den so­genannten „Sexkoffer“ weitgehend ausräumte. Dieser war als Informationssammlung für Leh­rerInnen gedacht und enthielt u.a. Materialien über Abtreibung. Doch darüber durften die SchülerInnen nichts erfahren.

Im Gründungsjahr der „Geborenen für Ungeborene“ war Wahlkampf in den USA; der rechtsevangelikale Fernsehprediger Jerry Falwell unterstützte Ronald Reagan, der sich gegen den Schwangerschaftsabbruch engagierte. In diesem Jahr kam es in den USA zu mehr als zwanzig Anschlägen auf als „Abtreibungskliniken“ betrachtete Kliniken, in denen Schwanger­schaftsabbrüche möglich waren. Ein Zusammenhang ist nicht nachweisbar, doch eine Vor­bildwirkung kann nicht ausgeschlossen werden.

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