FORVM, No. 499-504
Dezember
1995
Linke!

Jörg Haider steht auf Eurer Seite

Er will die „Diktatur des Proletariats“

Jörg Haider ist der Märtyrer der österreichischen Nation. Was dieser Mensch alles zu ertragen hat: mafiose Politiker und dubiose Journalisten, unordentliche Beschäftigungspolitik und grenzenlose Einwanderungspolitik einer Regierung, deren einzige Tätigkeit offensichtlich darin besteht, IHN beharrlich auszugrenzen usf.

Dabei hält er doch nur das System der repräsentativen Demokratie für überholt, den Parteienstaat für obsolet, den Bürgern sei endlich der Vorrang vor den Bonzen zu geben, gegen den Parteien-, Kammer- und Bonzenstaat sei der Kampf zu führen, wenn die Repräsentanten des Landes nicht in der Lage seien, die Mißstände abzustellen, müsse eben das Volk stärker mitreden, die Dritte Republik, ohnedies nicht aufzuhalten, werde aus dem Protest der Bürger gegen die verkommenen politischen Sitten hervorgehen, die Regierungsparteien seien dem Volkswillen längst entfremdet, er habe eine Vision von einem Bürgerrechtsstaat, der aber nicht geschaffen werden könne, ohne den Parteienstaat zu beseitigen, die Parteien brauche man nicht mehr, an ihre Stelle sollten »Bewegungen«, Wahlbewegungen treten, die sich von Fall zu Fall bilden würden, im Zeitalter der Telekommunikation benötige der Bürger doch wirklich nicht mehr den Politiker, der für ihn den Übersetzer spiele, Abstimmungen seien mit den Mitteln der Telekommunikation recht einfach durchzuführen, überdies fehle es Österreich an der rechten Führungspersönlichkeit (deren Führerschaft man ja von Zeit zu Zeit durch Volksabstimmung bestätigen lassen könnte — Anm.d.Vf.), für die Zukunft werde man mehr geistig-moralische Führung benötigen, als heute vorhanden ist usf. — das alles hat Jörg Haider erkannt, doch hat keiner IHN verstanden — oder verstehen wollen, vielmehr hat man ihn wieder einmal »ins Winkerl«, also außerhalb des »Verfassungsbogens« gestellt.

Als Haider einmal, im Zusammenhang mit Thomas Bernhards »Heldenplatz«-Affäre, Karl Kraus zitierte, hätte man schon wissen müssen, was in ihm steckt. Damals hatten sich unsere Kulturschmocks noch darüber mokiert, daß er den Satz »Werft ihn raus den Schuft aus Wien!« verkehrt, nämlich gegen einen Künstler gerichtet, verstanden hätte und nicht — wie Kraus gegen den machtlüsternen Herausgeber eines Revolverblatts (den Bekessy’s von heute wird’s gefallen haben). Aber diese künstlerische Freiheit wird man doch auch einem Haider zugestehen müssen, dem unermüdlichen Kämpfer für die künstlerische Freiheit, vor allem der von Andersdenkenden.

Was ER meinte, hätte man schon ahnen können, als ER begann, Jürgen Habermas zu zitieren. Wer hätte das gedacht, meine Damen und Herren Haiderkritiker? Haider und die Kritische Theorie der Frankfurter Schule — ein umwerfendes Gespann.

Dabei will dieser begabte Politiker doch nichts weniger, als den Traum aller Linken, den von der Diktatur des Proletariats, endlich verwirklicht sehen, nach dem Motto: »Ihr habt nichts zu verlieren als eure Ketten. Ihr habt eine Welt zu gewinnen.« Das gesunde Volksempfinden solle regieren, das Volk selbst möge, direktdemokratisch und durch Abstimmungen mittels Fernseher (man könnte sich das als eine Art besseren Lichttest vorstellen) seinen Willen kundtun, den Volkswillen nämlich, der keiner Übersetzung mehr bedarf. Die Diktatur des Proletariats, einst von Marx und Engels gedacht als notwendiger Übergang zur klassenlosen Gesellschaft, geleitet von einem Führer, der weiß, was das Volk in seinem tiefsten Grund wünscht, der ahnt, was die Volksseele‚ dort wo sie am tiefsten ist, fühlt, ist das Ziel. (Und was das Volk wünschen könnte, würden ihm seine Blätter, »Volkszeitungen« u.ä. schon klarmachen.) Und nur ewige Nörgler und mafiose Journalisten könnten meinen, was dabei herauskäme, wäre dann nicht eine Diktatur des Proletariats, sondern eher eine Diktatur der Proleten.

Geschichte ereigne sich zweimal, hat schon Karl Marx geschrieben — beim zweiten Mal als Farce.

Kein Wunder, wenn Jörg Haider, dieser ewig unverstandene, lupenreine Demokrat, dieser in seiner unbändigen Liebe zur österreichischen Nation schwer geprüfte, wirklich anständige (im Gegensatz zum von ihm so genannten »ehrenwerten«) Politiker des Landes, wohl auch einmal zu den österreichischen Märtyrern zählen und zumindest in dieser Rolle den ihm zustehenden Platz in der österreichischen Geschichte einnehmen wird. Ist es nicht ein zutiefst österreichisches Schicksal, welches ihm widerfährt, daß ER wie viele andere große Söhne des Landes — zumindest zu Lebzeiten — verkannt bleibt? Wenigstens bleibt ihm — einem generösen Onkel sei Dank — das Los der Armut erspart.

Die verbreitete Ansicht, Haider wäre ein Rechter, ist ganz offensichtlich grundfalsch; eher ist er das trojanische Pferd der Rechten. Insgeheim ist er ein ganz linker.

Also: Noch eine kleine Anstrengung, Österreicher, und das Paradies ist erreicht. Wählt Haider, Linke!

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