Wurzelwerk, Wurzelwerk 21
Mai
1983

Ist das Überleben finanzierbar?

Wer vor 4, 5 Jahren ökologische Sachfragen aufwarf, avancierte bestenfalls zum Fabelwesen. Zwentendorf war zwar des Pudels Kern, aber um die Schale kümmerte sich außer ein paar Wissenschaftlern niemand.

Grüne? Vollkommen überflüssig in Österreich ...

Inzwischen ist der Begriff überstrapaziert, die Ökologie hat, wie Huber sachlich vermerkte, ihre Unschuld verloren, „grün“ ist zur Schönfärberei geworden, ist Zierrat oder Tarnkappe, Politikum.

Die Notwendigkeit der Ökologie freilich hat sich drastisch erhöht. Es scheint vielen entgangen zu sein, daß vor allem die Erfolglosigkeit und damit verbundene Frustration initiativer Bürger im akuten Einzelfall zur politischen Ausformung der Alternativ- und Umweltschutzbewegung geführt hat.

Der Wahlkampf überlagerte noch einmal fast alles, kulminierte, so er nicht in Personal-Aktualitäten erstarrte, in Arbeitsloslösungen.

Lautlos, schleichend, weitgehend unbemerkt reichert sich ein Kreislauf der Gifte an, der oft schon irreparabel erscheint. Und weil unsere Regelungen für die öffentliche Berichterstattung an Aktualitäten aufgehängt sind, was sich meist in Katastrophen- und Strohfeuerjournalismus erschöpft, hat ein Fach-Seminar, das sich vorrangig den doch relevanteren Zusammenhängen widmet, nur dann Aussicht auf Breitenwirkung, wenn dabei zumindest ein Giftschlot bestiegen wird.

Und während um Milligramm gefeilscht wird, ein Heer von Gutachtern einer Handvoll Schlechtachter immer noch widersteht, droht sich die Palette der Schadstoffe zum schlimmsten aller möglichen Effekte zu summieren. Fließ- und Grundwässer, Luft- und Bodenqualität, alles liegt zunehmend im Argen. Einseitige Überversorgung und mangelhafte Entsorgung, ein Land der Müllberge am elektrischen Strom?

Auch ohne Zwentendorf zieht sich ein zunehmend breiter Spalt durch Österreich: die schier unmögliche Koexistenz einer gesunden Landwirtschaft mit rational-monetären Industrie-Strukturen, die noch dazu auf den Bedarf der 60er-Jahre ausgelegt sind; beide, längst mehr auf Verderb als auf Gedeih ineinander verstrickt, produzieren frappierende Sachzwänge: zunehmend automatisierte, kunstdüngerstreuende Monokulturenbebauer sichern zwar die Umsätze von Ölhändlern, Maschinenbauern und Chemie-Fabriken, der Natur und dem Nährwert aber dienen sie nicht mehr. An Profitmaximierung orientierte Energieversorgungsunternehmen kämpfen mit fiktiven Prognosezahlen verbissen darum, die letzten größeren zusammenhängenden Aulandschaften vernichten zu können. Der flächenfressende Straßenbau, grundstoffintensiv, transportfreudig, hochautomatisiert, zerschneidet Öko-Systeme, Biotope, Bausteine des Lebens mit der Selbstverständlichkeit einer Guillotine. All dies im Schlagschatten der neuen Technologien.

Damit keine Irrtümer entstehen: natürlich gilt es, den Protest durch Produktivität zu veredeln, den Kampf der Natur durch gesellschaftliche Kreativität erfolgreich zu gestalten. Und Solidarität darf nicht an Parteigrenzen, bei Interessenskonflikten haltmachen. Mensch und Natur stehen erst seit wenigen Jahrzehnten in einem ernsthaften Widerspruch. Der wird allerdings auch für den Verursacher existenzbedrohend. Der heutige Wissensstand erlaubt es, Strategien zur Vermeidung eines ökologischen Desasters zu entwickeln. Es bedarf freilich eines grundsätzlichen Umdenkens. Reparaturen mit Milliardenaufwand mögen die ärgsten Extreme mildern helfen, aber zu wessen Lasten gehen sie, wem dienen sie? Vorbeugen oder Filter? Vermeiden oder Vergraben? Am Dreck verdienen oder am Verhindern desselben? Der Staatshaushalt soll der Organisation des Gemeinwohls dienen. Der Naturhaushalt aber ermöglicht erst dieses Ziel, er ist die Grundlage. Die Ökologie sollte die Wurzel ökonomischen Werkens sein, nicht der neueste Qualitätssprung. Die Zentralkläranlage ist bestenfalls eine Krücke für den Gewässerhaushalt, Sondermülldeponien können höchstens Zwischenlagerfunktion haben. Wiederverwertbarkeit und Wiederverwendung müssen Priorität erhalten. Am Beginn eines jeden Produktionsprozesses sollte die Umweltverträglichkeitsprüfung mit einer um ökologische Aspekte bereicherten Kosten-Nutzen-Analyse stehen — inclusive Spätfolgen. Wer Energie spart, sollte belohnt, gefördert werden, ob er sich nun bescheidet, oder ob er alternative, additive Wege beschreitet. Je dezentraler, desto besser, Prämisse: Kraft-Wärme-Kopplung. Ökologisch wirtschaftenden Landwirten wäre unbedingter Vorrang einzuräumen. Dazu bedarf es direkterer Vermarktungswege, vor allem aber einer qualitätsorientierten Agrarpreispolitik.

Das De-facto-Monopol der NEWAG erschwert Alternativen, die Überkapazitäten in der Grundstoffindustrie und im Baugewerbe erscheinen dringend abbaubedürftig. Diese Branchen und die veraltete Schwerindustrie setzen der Umwelt am meisten zu, neben dem Pesthauch der Retorte. Alljährliche Milliardenspritzen ließen sich besser zur Umstrukturierung, zur Innovation verwenden.

Umwelt schützen heißt sparen — mit Prämien. Und ist in den meisten Fällen auf lange Sicht gesehen ökonomischer als so manches — angebliche wirtschaftliche — Erfordernis. Es nicht zu tun hieße, noch mehr Schulden machen als in den Bilanzen derzeit ausgewiesen wird. Mit Zins und Zinseszinsen, bis zur Unfinanzierbarkeit ...

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