Großmachtstreben in Kurdistan
Der Angriff der irakischen Armee in den kurdischen Gebieten war eine Reaktion auf den Einmarsch iranischer Truppen.
In den vergangenen Wochen gab es wieder einmal schwere Auseinandersetzungen zwischen der Demokratischen Partei Kurdistan (KDP) und der Patriotischen Union Kurdistan (PUK) in der UNO-Schutzzone im Irak. Gleichzeitig kam es zu Kämpfen zwischen der irakischen und der iranischen Armee. Zehntausende Menschen sind wieder zu ziellosen Flüchtlingen geworden.
Nachdem die irakische Armee 1990 die KurdInnen brutal überfallen hatte und Millionen KurdInnen in Richtung Iran und Türkei flüchten mußten, verabschiedete die UNO eine Resolution, in der ein Teil Kurdistans unter den Schutz der Alliierten gestellt wurde, um von den irakischen Angriffen verschont zu bleiben. Seither verwalten die zwei fast gleich großen Parteien KDP und PUK die Schutzzone in Irakisch-Kurdistan.
Beide rivalisierenden Parteien sind seit Jahrzehnten immer wieder in militärische Auseinandersetzungen verwickelt. Um sich gegenüber der anderen Partei zu stärken, haben beide Parteien mit Kurden-Feinden ersten Ranges kollaboriert: mit dem Iran und der Türkei. Der Konflikt zwischen KDP und PUK entzündet sich immer wieder an der Machtfrage. Der Iran, der selbst Probleme mit seinen KurdInnen hat und brutal gegen sie vorgeht, zeigte ein „Interesse“ am Problem zwischen den irakischen KurdInnen und bot sich als Vermittler zwischen den beiden Parteien an. Das Ergebnis war nicht die Versöhnung, sondern die Belieferung beider Parteien mit Kriegsmaterial. Die Abhängigkeit der PUK vom Iran ging so weit, daß am 26. Juli 1996 eine mehrere tausend Mann starke Armee iranischer Revolutionswächter (Pasdaran), ausgerüstet mit Artillerie, Katjuscha-Raketen und Panzern, ungehindert über die Grenze in Irakisch-Kurdistan einmarschierte – über jenes Gebiet, das unter der Kontrolle der PUK steht – und in Sulaymania stationiert wurde. Zwei Tage später griffen die iranischen Truppen Quartiere der Demokratischen Partei Kurdistans (DPKI) sowie Flüchtlingslager der iranischen KurdInnen mit Bodentruppen an und nahmen diese unter Artilleriebeschuß. Die iranischen Truppen mußten sich zwar nach einem zweitägigen Kampf zurückziehen, sind aber weiterhin in Irakisch-Kurdistan stationiert. Parallel zu diesem Kampf kam es auch immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen den rivalisierenden Parteien PUK und KDP.
Da sich die Beziehungen zwischen dem Iran und der PUK intensivierten und die Streitkräfte des Irans die PUK angeblich unterstützten, hat die Führung der KDP um die „Unterstützung“ des irakischen Regimes gegen die iranische Armee gebeten.
Der Grund des irakischen Angriffs war zweifellos die Anwesenheit der iranischen Armee. Seit der Bildung der Schutzzone und dem Konflikt zwischen PUK und KDP hat sich der Iran intensiv in die Konflikte der Region eingemischt.
Seitens der Europäer und der USA gab es mehrmals Versuche, zwischen den Kriegsparteien zu vermitteln – aber jedesmal ohne Erfolg. Das Scheitern ist zu einem guten Teil auf den Iran zurückzuführen. Der Iran will sich sowohl in der Golfregion als auch in Kurdistan als Herr der Lage präsentieren und vor allem den US-Amerikanern und auch den Alliierten zeigen, daß sie trotz ihrer Schutzzone nichts zu sagen haben.
Die USA dürften dies wohl bemerkt haben. Und es ist vorstellbar, daß der Angriff des irakischen Regimes in der Sicherheitszone in Absprache mit den USA erfolgte. Zur Zeit sind der Iran und die mit ihm verbündete PUK die Verlierer. Aber das ist nur der Anfang eines endlosen Kampfes.