FŒHN, Heft 6
Januar
1986

Ein Landeshauptmann im Weltkrieg

Teil 2

Josef Schumacher, Tiroler Landeshauptmann in der Zeit des Austrofaschismus, war im 1. Weltkrieg an der österreichisch-ita­lienischen Front im Einsatz. Von seinem Heldenleben kündet ein Konvolut jüngst aufgestöberter Karten und Briefe aus dem Felde. In diesen Mitteilungen, gerichtet an Mutter und Schwester in Innsbruck und Volders bzw. an den Vater, damals Präsident des Kreisgerichtes Trient, in Mezolombardo, zeigt der kleine Jos be­reits die besten Voraussetzungen für eine große Karriere: Be­zirkshauptmann, Landeshauptmann (1935-1938), Landesamtsdirektor (1957-1959), Landesoberschützenmeister, Obmann des Landesverbandes der Tiroler Blasmusikkapellen, Landeskom­mandant des Bundes der Tiroler Schützenkompanien (1950-1971) etc. etc.

Bezogen sich die in Teil 1 (HEFT 5) wiedergegebenen Schrift­stücke auf Vorrücken, Hineinschießen in die Welschen und schö­ne Erfolge, so geht es in den unten abgedruckten, zeitlich direkt anschließenden, um Rückzug, Gelage hinter der Front und um Dekorierungen.

Das hier erstmals öffentlich gemachte Dokument zeigt, aus welchem Stoff das Personal des autoritären Ständestaates und des die alte Ordnung wiederaufbauenden Neuen Österreich war.

Standort, am 13.VI.1916 früh

Meine liebe Mama!

Gestern war für uns alle ein sehr trauriger Tag. Oblt. Siegfried Mayr, ein Neffe vom Baumeister Franz Mayr, ist gefallen. Er war auf seinem Stand, wo ich auch schon öfters war und hatte einen Angriff flankierend zu unterstützen. Da kam ei­ne Granate, tötete ihn und einen Zugführer sofort und verwundete 6 Mann, dar­unter 2 schwer. Es ist uns allen furchtbar leid um ihn, er war so ein netter und lie­ber Kamerad. Besonders mir hat es großen Eindruck gemacht, war ich doch in der Malgastellung monatelang in der gleichen Hütte mit ihm beisammen.

Ich bin noch immer bei der 10. Komp. und sitze am gleichen Fleck. Wir werden auch noch 2-3 Tage hierbleiben, wir haben nichts zu tun als aufzupassen, dass die Welschen keinen Gegenangriff machen, was sie sich aber wahrscheinlich hü­ten werden. Hoffentlich kommen wir bald von dem elenden Berg fort, erstens ist es scheusslich, auf so steilen Hängen herumzuliegen und dann ist das Wetter schäbig und saukalt. (...)

Nun leb wohl, liebe Mama, es grüsst und küsst Dich Dein dankbarer

Standort, am 14. VI.1916 früh

Lieber Papa!

Bei uns ist gar nichts Neues los. Nur links von uns wird herumgerauft. Es geht scheints sehr zäh. Wir haben halt jetzt bessere Truppen gegenüber als früher, aber mit der Zeit werden wir sie schon packen. Wir sind bei der ganzen Geschich­te nicht dabei. (...)

Ich hätte heute abgelöst werden sollen, aber 1. gefällt es mir bei der 10. sehr gut und 2. müssten wir doch mit der ganzen Rüstung hinunterrennen und später doch wieder herauf, so habe ich gebeten hier bleiben zu dürfen, was auch erlaubt wurde.

Meine Verkühlung ist besser. Innigen Kuss

Standort, am 17. VI.1916 früh

Lieber Papa!

(...) Ich sitze halt noch immer am gleichen Fleck und werde voraussichtlich noch lange hierbleiben. (...) Bei den Welschen ist es ruhig und alles beim Alten. Innigen Kuss

(...) Die Russen geben Euch scheints viel zu denken.

Standort, am 17. VI.1916 früh

Liebe Mama!

(...) Habt nur nicht zuviel Angst wegen der Russen, wenn sie auch jetzt Erfolge haben, lange wird es nicht mehr dauern. Und die Offensive hier herunten wird das sicher nicht behindern. (...) Bei den Welschen ist alles ruhig und beim alten. Innigen Kuss

Standort, am 18. VI.1916

Lieber Papa!

(...) Bei uns geht immer ein Gerücht, dass wir zur Custozzafeier abgelöst werden. Wäre ganz angenehm. Leider regnet es heute wieder und ist recht unlustig. We­nigstens haben wir vor den Welschen Ruhe. (...)

Innigen Kuss

Standort, am 21. VI.1916

Lieber Papa!

(...) Du glaubst immer, dass wir uns da noch rühren, keine Spur davon. Es herrscht allerorts Ruhe, kleinere Schiessereien natürlich ausgenommen. Was Du gehört hast, dass wir es den Welschen trotz der russischen Offensive zeigen wer­den, scheint sich nicht zu bewahrheiten. Im Gegenteil! Man fühlt die russische Offensive ziemlich stark hier und sie ist im wahren Sinne des Wortes eine Entla­stungsoffensive. Hoffen wir, dass sich die Russen doch bald ausgeblutet haben. Heute Nacht war ich in der Stellung wo Oblt. Mayr gefallen ist. (...) Während ich oben war, sind ein paar Minen in die Nähe unseres Lagers geflogen und haben ei­nen Fähnrich und 6 Mann verwundet, zum Glück nicht schwer. Da habe ich wie­der einen grossen Segen gehabt, wer weiss, ob es mich nicht vielleicht auch er­wischt hätte. Allerdings so ein ›Tausendguldenschuss‹, wie die alle waren, währe gar nicht so ohne gewesen. Aber besser doch, ich wünsche mir keinen.

(...) Ich lege Dir hier wieder ein paar Tagebuchblätter bei, hoffentlich hast Du die früheren bekommen. Lesen wirst Du es wohl nicht garso leicht können. (...) Leb wohl. Innigen Kuss Dein dankbarer

Standort, am 22.VI.1916

Lieber Papa!

Gestern abends sind wir aus der Stellung fort herunter eine 1/2 Stunde dort wo wir früher waren. Oben haben uns die welschen Minen zu arg zugesetzt. Für uns ist es von großem Vorteil. Wir können uns seit 10 Tagen das 1. Mal die Schuhe ausziehen und uns waschen und brauchen die Menage nicht halbs kalt zu essen. (...) Innigen Kuss

Standort, am 24. VI.1916

Lieber Papa!

Ich bin also gestern wieder glücklich zur Komp. eingerückt. Es war nichts Neues dort los. Abends sind wir abmarschiert, sind 3 Stunden marschiert und haben dann genächtigt. Heute beziehen wir eine neue Feldwachstellung, die aber sehr weit von den Welschen weg ist. Wir sind ganz sicher dort. (...)

Innigen Kuss

Standort, am 25.VI.1916

Liebe Mama!

(...) Wir sind alle furchtbar froh, dass es jetzt in Russland wieder besser geht. Also Ihr geht erst am 4. nach Volders. Da werden die Kirschen wohl schon alle weggefressen sein. Innigen Kuss

Standort, am 26. VI.1916

Meine liebe Mama!

Vielen Dank für Dein liebes Briefl vom Fronleichnamstag. Ich habe wohl auch zurückgedacht an die schönen Fronleichnamstage früherer Jahre, an die schönen Prozessionen in Wien, ans Gefrorene im Schwarzenberggarten und an die Prozessionen in Trient. Gebe Gott, dass wir nächstes Jahr eine Sieges- und Friedensprozession mitmachen können.

Wenn Du schreibst, dass aus meinen Karten Heimweh klingt, so hast Du nicht so unrecht, denn dass es nach den herrlichen Anfangserfolgen nicht mehr weiter­geht, ist schon recht deprimierend. (...) Wenn Klemens gewußt hätte, dass er doch nicht vorgehen wird mit seiner Batterie hätte er sich wohl auch nicht garso geeilt, hinauszukommen. Gerüchte scheinen schon feine bei Euch herumzugehen, glaubt nur nicht an diese Sachen. (...) Ich habe wenig zu tun, die Mannschaft ist ziemlich angestrengt, weil sie äusser Postendienst auch noch die Menage, Kaffee usw. über den steilen Berg herauftragen muss.

Nun lebe wohl, liebe Mama, es grüsst Dich innig Dein dankbarer

Standort, am 26. Juni 1916

Mein lieber Papa!

Vielen Dank für Deine Karten vom 19. und 20. Auf der vom 20. war die Stelle über die Stimmung im Hinterlande stark zensuriert, aber ich habe es doch noch so beiläufig entziffern können. Dass meine Tagebuchblätter gut ankommen freut mich. Ich habe nachher nocheinmal geschickt und schicke heute wieder und zwar vom 26.V.-19.VI. Hoffentlich kommen sie wieder recht an. (...) Wegen des Hu­stens brauchst Du Dich nicht mehr zu sorgen, er ist jetzt fast ganz gut geworden. Aber etwas anderes ist jetzt bei mir wieder einmal schlechter geworden nämlich mein Gemütszustand. Dass es hier nicht mehr weitergeht dürfte ja allgemein be­kannt sein. Unser Marsch in die neue Stellung war ja eigentlich ein kleiner Rück­zug, wenn wir auch gar nichts zurückgelassen haben und der Welsche bis heute, also nach 3 Tagen, noch nichts weiss, dass wir fort sind. Er schiesst noch immer mit Minen dorthin, wo wir waren. Patrouillen schickt der Feigling ja nicht aus. Dass eine solche Geschichte — bedingt ist sie durch die Russen — auf den schönen Anfang furchtbar deprimierend, besonders für uns an der Front hier, wirkt ist klar. Hiezu kommt noch alles Mögliche, was man hier erfährt und was sehr trau­rig ist. Aus all dem hat sich jetzt bei mir begreiflicherweise eine sehr gedrückte Stimmung entwickelt, zu der noch ein starkes Heimweh kommt. Und dass meine Nerven nicht mehr die alten sind und manchmal bedenklich nachlassen, fühle ich deutlich. Ich bete schon recht fleissig, dass es bald wieder besser wird. (...) Mein größter Wunsch ist halt jetzt Ruhe, Ruhe und baldige Heimkehr.

Leb wohl, mein lieber Papa, es küsst Dich innig Dein trauriger

Standort, am 27. Juni 1916

Lieber Papa!

Gestern nachmittag wurde ich mit 2/3 meines Zuges zum 2. Regt. geschickt und musste mit diesen paar Mandeln einen wichtigen Sattel besetzen. Der Befehl hiess: »Halten bis zum letzten Mann!« Es war schon eher eine Scheissgassen. Zum Glück kam jedoch um 1 Uhr nachts der Rückzugsbefehl. Ich dankte Gott dass ich aus dem Loch heraussen war. Jetzt sind wir endlich einmal in Reserve. (...) Heute ist ein herrlicher Tag. Viele Flieger am Himmel. (...)

Innigen Kuss

Standort, am 27. Juni 1916

Liebe Mama!

Gestern war ich, wie man deutsch sagt, in einer Mordsscheissgassen. Ich warmit 2/3 meines Zuges beim 2. Regiment und musste dort einen wichtigen Sattel be­setzen, stell Dir vor mit nur 25 Mann. Der Befehl lautete: »Ausharren bis zum letzten Mann!« Feine Aussichten! Gottlob kam in der Nacht der Befehl spanisch zu verschwinden, was ich auch schleunigst besorgt habe. Froh war ich wie ich aus dem Loch heraussen war. Jetzt bin ich in Reserve. Das Wetter ist herrlich. (...) Innigen Kuss

Standort, am 28.VI.1916

Lieber Papa!

(...) Unsere jetzigen Bewegungen sind eine Folge der im Generalstabsbericht ge­nannten Verkürzung. Die Welschen trauen sich immer erst 3 Tage später nachzurücken. Hinterlassen haben wir ihnen keinen Knopf. Ich bin neugierig auf den Cadornabericht darüber. Sonst nichts Neues.

Innigen Kuss

Standort, am 29.VI.1916

Lieber Papa!

(...) Heute abends kommen wir wieder weg von hier, endlich in Reserve, denn die Reserve wo wir jetzt sind, ist auch keine richtige, wir sind immer alarmbereit. Die Welschen sind schon nudeldick in den Gegenden die wir verlassen haben. Inni­gen Kuss

Österreich, am 1.VII.1916

Liebe Mama!

(...) Wir sind gestern nachts abgelöst worden und die ganze Nacht und den näch­sten Tag, nämlich gestern marschiert. Vormittag haben wir die österreichische Grenze überschritten und sind jetzt in der Nähe von Folgaria in Baracken, wie lange weiss natürlich niemand. Aber wir sind tiefste Reserve, und dürften jetzt wohl hoffentlich längere Zeit Ruhe haben. Es kommt einem ganz merkwürdig vor, den ganzen Tag keinen Schuss zu hören. (...)

Leb wohl, innigen Kuss

Standort, am 3. Juli 1916

Mein lieber Papa!

(...) Über die Frontverkürzung könnte ich schon alles Mögliche erzählen, war un­ser Baon. doch während des ganzen Rückzuges Nachhut und ich manchmal noch hinter der Nachhut. Grossartig sind jedenfalls einmal die Cadornaberichte be­sonders über unseren Abschnitt, die anderen kann ich natürlich nicht so beurtei­len. Erstens haben wir einmal schon absolut gar nichts hinten lassen. Was irgend­wie zu gebrauchen war, wie Kupferkessel, Geschirr, Monturen, Zivilkleider, Wä­sche, Kirchenglocken etc. wurde alles in Autos zurückgeliefert. Alles übrige wur­de vollkommen demoliert. Strassen und Brücken gesprengt. Zweitens wenn er schreibt, er hat unsere Linien heftig beschossen und wir sind deshalb in »regello­ser Flucht« zurück, so täuscht er sich ein bisl denn dort, wo er hingeschossen hat war keine Katz mehr von uns. Sind dann später Patrouillen zu nahe gekommen, haben wir sie abgeschossen oder abgefangen. Sie sind auch vor unseren Augen in grossen Gruppen herumspaziert, dann haben wir gleich die Artillerie verständigt und binnen kurzem ist so eine Granate in einen Haufen hinein, dass nur so die Fetzen geflogen sind. Unser Baon hat beim ganzen Rückzug vom 25.-30. keinen Mann verloren. Wie wir bis zur Hauptstellung zurückgegangen waren, sind wir in Reserve gezogen worden und geniessen die Tage der Ruhe sehr. Klemens schrieb mir, dass er jetzt Etappenschwein ist. Das ist ja fabelhaft.

Soeben komme ich vom Baon. zurück, wo ich die kleine Silberne aufgehängt er­hielt. Ich hab eine Mordsfreude. Ich war zwar zur Grossen eingegeben, aber der Mjr. hat gesagt, die wird schon noch kommen, wenn eine Gelegenheit ist. Näch­ster Tage komme ich vielleicht nach Trient. Dann werden wir uns wohl sehen. Leb wohl, auf Wiedersehen innigen Kuss Dein dankbarer

Habe 250 K an Dich abgeschickt.

Standort, am 3. Juli 1916

Meine liebe Mama!

(...) Es ist also jetzt Schluss mit der Offensive, die uns so herrliche Erfolge ge­bracht hat. Leider hat sie ein so rasches Ende gefunden. Aber glaubt nur ja nicht das, was Cadorna schreibt. (...) Ich weiss sehr gut, wie Cadorna alles »erobert« und was er alles »erbeutet« hat. Erobert hat er gar nichts, sondern nur verlasse­nes besetzt. Und erbeutet hat er noch viel weniger. Wir haben alles was nicht niet und nagelfest war fortgeschafft, alles übrige unbrauchbar gemacht. Sämtliche Strassen und Brücken sind gesprengt worden. 2 Tage, nachdem wir wegwaren, sind die Welschen erst gekommen. Dass die Welschen aber zuvor noch die ganz leeren Stellungen und Orte wahnsinnig bombardiert haben davon schreibt der Cadorna nichts. Ebenso nicht, dass viele von den nachrückenden Patrouillen ab­geschossen oder gefangen wurden. An einzelnen Stellen, wo sie gar zu frech wa­ren, wurde ein kleiner Gegenstoss gemacht und im Nu waren sie wieder über 2 Berge zurückgerannt. Das ganze war für die Welschen eine Mordsblamage. Und blöd haben sie das Nachrücken angestellt, einfach unglaublich. In Haufen bis zu 100 Mann sind sie herumgelaufen und dass wir ›Barbaren‹ dann mit ›Schware‹ hineingeschossen haben ist klar. Viele sind aber dann nicht mehr ganz geblieben. (...) Das Reserveleben hier geniessen wir und die Mannschaft kolossal. (...) Im ganzen war ich 36 Tage in Italien. (...)

Leb wohl, viele Grüße der ganzen Volderer Kolonie, innigen Kuss

Standort, am 10. Juli 1916

Meine liebe Mama!

(...) Unser Baon. liegt in Reserve 2 Stunden vom Regiment weg. Das Regiment ist in Stellung auf einem über 2000 m hohen Berg. Ich war gestern oben mir die Stellungen anzuschauen. Gross entzückt war ich nicht. Angegriffen können sie zwar nicht gut werden, aber sie sind halt noch recht schlecht ausgebaut und deshalb wegen der Artillerie nicht sonderlich angenehm. Dann ist es mit der Verpflegung wegen der grossen Höhe und Entfernung ziemlich schwierig. Wasser gibt es kei­nes oben äusser Schnee. Ich hoffe, dass wir nicht sobald hinaufmüssen, dann wird schon besser ausgebaut sein. Am Rückweg bin ich mit Peps Prochaska zusammengekommen. Du wirst ihn nicht kennen, aber Großmama kennt ihn gut. Er ist prachtvoll dekoriert. Silberne I. und II. Signum, Verdienstkreuz und zum 2. Signum eingegeben. Ich wohne hier in einer ganz hübschen Hütte. Das Wetter ist schön.

Leb wohl, innigen Kuss Dein dankbarer

Standort, am 11. Juli 1916

Lieber Papa!

(...) Hier ist gar nichts Neues, wir haben den ganzen Tag nichts zu tun. Ich glaube aber, dass die Reserve nicht mehr lange dauern wird. Innigen Kuss

Standort, am 17. Juli 1916

Liebe Mama!

(...) Leutnant soll ich am 1. August werden. (...)

Viele Grüsse an Alle, innigen Kuss

Standort, am 19. Juli 1916

Meine liebe Mama!

(...) Unser aller Lieblingsgespräch ist jetzt der Friede. Auf den warten wir schon damisch hart. Und ich glaube, im Herbst wäre doch wohl bald Aussicht darauf. Mit Verpflegung geht es uns tadellos. Da brauchst Du Dir gar keine Sorge zu ma­chen. Heute anlässlich des Jahrestages des Auszuges ins Feld haben wir sogar zu­fällig ein Fass Bier bekommen. 25 l für 3 Herren. Das genügt! Fleisch haben wir alle Tage, mittags und abends. Mir wäre was anderes bald lieber. Als Zuspeise hat die Mannschaft Fisolen meistens, wir Nudeln, Reis oder aus Zwieback ge­machte Knödel mit Geselchtem drinnen. Dann gibt es in der Früh und nachm. Kaffee mit Zucker und abds. Thee mit Rum. Also tadellos. Was fehlt ist Milch, Butter und Gemüse. Aber wir sind trotzdem sehr zufrieden. (...) Wir sind heute natürlich in gehobenster Stimmung, denn auf ein Jahr Frontdienstzeit, wo sogar eine ganze Offensive dabei war, kann doch nicht ein jeder zurückblicken. Auch die Stellungen wo wir waren haben für die Zukunft keinen schlechten Klang: Km. Dolomiten und Plateau von Folgaria! Ich kann nur dem lieben Gott aus ganzem Herzen für seinen Schutz und Schirm danken und ihn bitten, mich weit­erhin gnädig zu beschützen und sei es auch noch auf ein Jahr, ich werde das Gott­vertrauen nicht verlieren. Jetzt geht es mir ja ausgezeichnet in der Reservestel­lung. Die Mannschaft baut Baracken und Ställe und wir tun nichts. Das scheint allem Anschein nach noch mindestens 14 Tage zu dauern. (...)

Nun leb wohl, liebe Mama, viele herzlichen Grüsse an alle lieben Volderer, es küsst Dich innig Dein dankbarer

Standort, am 3. VIII. 1916

Liebe Mama!

Zwischen 28. und 31. könnt Ihr auf den 5 Uhr Zug schauen, denn da werde ich kommen. Ich freue mich schon wahnsinnig. (...) Hier ist gar nichts Neues. In 4 Ta­gen geht es in die Stellung. Dort kann man sich nicht waschen, bitte schicke mir daher eine Flasche Eau de Cologne und einen Waschl.

Innigen Kuss

Standort, am 10. Aug. 1916

Liebe Mama!

Kaum bin ich gestern abds. hundsmüde von Bozen bei der Komp. angekommen, wurden wir alarmiert und mussten zum 3. Regt. als Reserve marschieren. (...) Heute nacht sollen wir wieder abgelöst werden, dann kommt morgen ein langer Brief. (...) Innigen Kuss

Standort, am 11.VIII.1916

Meine liebe Mama!

(...) Heute haben wir wir anlässlich meiner Ankunft von Bozen ein festfressen ge­habt mit folgendem Menü: Nudelsuppe, kaltes Hirn mit Mayonaise, Lungenbra­ten mit Kartoffel und grünem salat, Omeletten, Obst, Käse, schwarzer Kaffee, roter und weißer Wein und Champagner. Du siehst, wir halten den Krieg noch aus. (...)

Nun leb wohl, auf recht baldiges Wiedersehen küsst Dich Dein dankbarer

12. Aug. 1916

Liebe Mama!

Vielen Dank für den Waschei. Bitte lass meine alten Bergstiefel sohlen. (...) Dann richte meine Lederhosen, die ganz kurzen Unterhosen und den Jangger her. Bei meinen färbigen Hemden mit Manschetten lass diese stärken aber nicht die Brust. Innigen Kuss

Standort, am 13.VIII.1916

Meine liebe Mama!

(...) Sei so gut und lass mir, sobald Du erfährst, dass ich Leutnant geworden bin, die Bluse richten. Den Mantel lass folgendermassen richten: Der Kragen aus Samt und nicht in der früheren scheusslichen ausliegenden Form (Skizze) son­dern steil auf und nieder wie es jetzt modern ist (Skizze). Hoffentlich weisst Du was ich meine. Du musst es dem Maresch schon genau erklären, er ist ein furcht­bar unmoderner Mensch. Bitte nimm beides nach Volders, ich kann es vielleicht brauchen, ebenso Säbel, schwarze Kappe, Handschuhe und Stadtschuhe. Dann kauf mir ein paar grüne Wickelgamaschen. (...) Sonst gibt es hier nichts Neues, das Wetter ist wieder besser. Viele Grüsse an alle Volderer

innigen Kuss

16. August 1916

Liebe Mama!

(...) Hier gibt es nichts Neues. Am 18. haben wir gemeinsamen grossen Frass, an dem auch die Regts. Musik teilnehmen wird. Innigen Kuss, auf Wiedersehen

Standort, am 17.VIII.1916

Liebe Mama!

(...) Gestern nachts um 1/2 1 erhielt ich die Nachricht, dass ich Leutnant gewor­den bin. Ich stand sofort auf und leerte mit Oblt. Geusan und Kerber, der auch Lt. geworden ist 2 Flaschen Schampus. Wir haben es jetzt tadellos. Die Regts. Musik ist da und jeden Abend Konzert. Morgen ist grosse Feier zum 18. August. Auf Wiedersehen am 27., innigen Kuss

Standort, am 18.VIII.1916 Liebe Mama!

(...) Heute war grosse Kaiserfeier, leider bei schlechtem Wetter. Vormittag Feldmesse mit Musik. Mittags grosser Frass mit folgendem Menü: Kalte Platte, geb. Erbsensuppe, Hirn mit Ei, Schnitzel mit Kartoffel, Salat und Kompott, Torte, Käs, Kaffee, Bier, Wein, Schampus. Es dauerte von 1/2 1-1/2 7. Es war tadel­los. Morgen gib ich meinen Urlaubsschein ein. Innigen Kuss

Standort, am 21. VIII.1916

Liebe Mia!

Vielen Dank für Deinen Brief und die Fotos. Sie sind recht nett. Großpapa finde ich furchtbar schlecht ausschauen. Er erbarmt mir schon recht. Auf den Urlaub freue ich mich schon wahnsinnig, es wird eine Mordshetz werden. Auf die Jagd werden wir auch fleissig gehen. Hebt mir ein paar gelbe Zwetschken auf. Viele Grüsse an alle.

Auf Wiedersehen

Jos

1935 wurde Josef Schumacher Landeshauptmann in jenem Bundesland des klerikalfaschistischen Österreich, das maßgebli­che Initiativen in Richtung autoritärer Ständestaat gesetzt hatte. Er sei ein maßhaltender, einsichtiger Landeshauptmann gewe­sen, ruft ihm ein Prof. Gschließer nach, was immer Maß und Ein­sicht in einem totalitären System heißen mögen. Und sein heuti­ger Nachfolger in mehreren Ämtern und Adjustierungen dankt ihm, der loyal zur Diktatur gestanden hat, grabredend, daß er das Land in schwerster Zeit aufrechterhalten habe.

So wie ein jedes seinen Ursprung hat, so hat ein jedes seine Fol­gen. Schumacher (CV) holt einen DDr. Alois Lugger (CV) ins Landhaus, jenen, diesen, und macht ihn zu seinem Sekretär. Luggger, früher Mitglied des ›Tiroler Heimatschutzes‹ und der Heimwehr, später als Verwaltungsjurist bei der AEG in Berlin für die Beschäftigung der Häftlinge der umliegenden KZs in der Firma zuständig, Absolvent der Kriegsschule Bernau bei Berlin, Fe­stungskommandant in Thüringen (1945),usw. Wie gesagt, von nix kommt nix. Und von so etwas, kommt so etwas.

Im ›Tiroler Anzeiger‹ vom 22. März 1937 schreibt ein Bauernbündler in einer 2-Jahresbilanz der Landeshauptmannschaft Schumachers, daß sie gehört gehabt hätten, daß er den ganzen Weltkrieg im Ehrenrock der Kaiserjäger und fast immer an hei­ßen Abschnitten der Front mitgekämpft und mitgelitten habe; das wiege mehr als noch so eifrige Tintenspritzerei im Hinterland und gebe eine besondere Voraussetzung für führende Stellung in der Tiroler Heimat. Wenn einer vier Jahre lang als junger Reser­veoffizier in der engen, durch Not und Tod zusammengeschmiedeten Gemeinschaft der Schützengräben zugebracht habe, wisse er auch gar wohl, wie es um Denken und Fühlen der Bauern und Arbeiter bestellt sei.

Am 14. Juni 1971 stirbt Josef Schumacher.

Eine schier unübersehbare Trauergemeinde, verlauten die ›Tiroler Nachrichten‹ habe dem ehemaligen Landeshauptmann von Tirol, Hofrat Dr. Josef Schumacher, das letzte Geleit gege­ben. Vor dem Sarg mit der sterblichen Hülle des Verewigten in der Sankt-Georgs-Kapelle des Alten Landhauses, der Stätte sei­nes vieljährigen Wirkens, hätten noch viele Menschen aus allen Kreisen der Bevölkerung Abschied genommen, ehe ihn um 14 Uhr Schützen durch das Tor des Landhauses auf die Maria-Theresien-Straße zum Sargwagen getragen hätten. Dann habe sich der lange und eindrucksvolle Trauerkondukt — allein rund 1500 Schützen — in Bewegung gesetzt. Die Spitze des Konduktes habe die Stadtmusikkapelle Wilten gebildet, dann seien die Schützen­abordnungen aus dem Schützenviertel Unterland und dem Schützenviertel Osttirol gekommen, ein eindrucksvoller Zug mit den vielen Fahnen der einzelnen Kompanien, eindrucksvoll in Würde und Emst, mit dem die Schützen ihrem langjährigen Lan­deskommandanten das letzte Geleit gegeben hätten. Der Stadtmusikkapelle Landeck seien die Abordnungen aus dem Schüt­zenviertel Oberland, zu dem auch das Außerfern gehöre, und aus dem Schützenviertel Tirol-Mitte gefolgt, wiederum ein langer Zug prächtiger Fahnen, dann eine starke Abordnung des Südti­roler Schützenbundes und Vertreter der bayrischen Gebirgsschützen. Nach dem Kranzwagen, der eine Fülle prächtiger Geb­inde als letzte Grüße aus den Kreisen der Schützen und der Mu­sikanten, aber auch der zahlreichen Gemeinden des Bezirkes Landeck getragen habe, die den Verewigten zum Ehrenbürger ernannt gehabt hätten, sei die Speckbacher-Stadtmusikkapelle Hall marschiert, dann sei der Landeskommandant des Bundes der Tiroler Schützenkompanien, Dr. Zebisch, gekommen, ge­folgt von der ehrwürdigen Bundesstandarte mit den Fahnenoffi­zieren und der Bundesleitung, einer Abordnung des Tiroler Lan­desschützenbundes und einer außerordentlich starken Abord­nung des Landesverbandes der Tiroler Blasmusikkapellen, dem Hofrat Dr. Schumacher lange Zeit vorgestanden sei. Nun sei eine Abordnung der akademischen Verbindung Austria gefolgt, der Tiroler Kaiserjägerbund mit den Fahnen der Tiroler Kaiseijäger, der Altkaiserjägerklub und schließlich die Standarte des Ehren­kommandanten mit den Trägern der Ordenskissen, auf denen die Auszeichnungen, mit denen dem Verewigten zu Lebzeiten für seine großen Leistungen gedankt worden sei, zu sehen gewesen seien. Nach den Kranzträgern seien der Kreuzträger, ein Schütze von Mühlau, Chargierte der AV Austria mit Fahne und schließ­lich die Geistlichkeit gekommen, wobei Dompropst Dr. Huber, assistiert von Msgr. Dr. Schumacher und dem Schützenkuraten Cons. Jordan, den Kondukt geführt habe. Unter der Priesterschaft habe man auch Abt Stöger von Wilten und Msgr. Dr. Stark gesehen. Dem Sargwagen, der von hohen Schützenoffizieren flankiert gewesen sei, sei die Trauerfamilie gefolgt, dann sei Lan­deshauptmann Wallnöfer mit früheren und aktiven Mitgliedern der Tiroler Landesregierung im Trauerzug geschritten, Landtags­präsident BM. DDr. Lugger mit Abgeordneten, der Präsident des Regionalrates von Südtirol-Trentino, Dr. Fioreschy. Dabei habe man auch Alt-Landtagspräsident Obermoser gesehen, der, ebenso wie Präsident Dr. Skorpil, der in den Reihen des Altkais­erklubs im Trauerzug gegangen sei, Landesrat zur Zeit der Lan­deshauptmannschaft des Verewigten gewesen sei. Die weitere Folge des Zuges hätten der Landesamtsdirektor mit den Grup­pen- und Abteilungsvorständen des Amtes der Landesregierung und den Bezirkshauptmännem, die Bürgermeister der Ehren­bürgergemeinden, Vertreter der Universität, der Bundes- und Stadtbehörden, die Kammerpräsidenten und eine große Zahl weiterer Trauergäste gebildet. Über eine halbe Stunde sei vergan­gen, ehe der Zug zu Ende gewesen sei. Im Nachruf dieses Blattes heißt es, dem Verstorbenen seien mit seinem vielseitigen, schön­geistigen und streng katholischen Vater nicht nur die stattliche, vornehme äußere Erscheinung, sondern auch ausgeprägte innere Lauterkeit und die selbstlose Verfolgung idealer Ziele gemein­sam gewesen. Von seiner Mutter, einer geborenen Riccabona von Reichenfels, welche samt seiner ältesten Schwester beim ersten Fliegerangriff auf Innsbruck am 15. Dezember 1943 ums Leben gekommen sei, hätte er die Warmherzigkeit des Wesens geerbt gehabt. Mit diesen von ihm selbst weiterentwickelten Anlagen habe er eine sehr gesunde, allem Verstiegenen abholde natürliche Auffassung des Lebens sowie eine frohgemute Agilität verbun­den. Seit seiner frühen Jugend habe sich Schumacher vom altösterreichischen Militär angezogen gefühlt, und so habe er im Er­sten Weltkrieg einen sehr guten Soldaten abgegeben, der sich als Reserveoffizier des 1. Tiroler Kaiseijägerregiments namentlich in der Maioffensive gegen Italien ausgezeichnet habe. Ungeachtet dessen habe der einstige k.u.k. Oberleutnant und Hauptmann der Reserve des Bundesheeres gegen Ende des Zweiten Welt­krieges ohne jeden Rang mit dem Volkssturm ins Feld gehen müssen und sei in der Gegend, in der er seinerzeit mit den Kaiser­jägern an der Front gewesen wäre, in die Gefangenschaft italieni­scher Partisanen geraten. Zurückgekehrt aus dieser habe er ins­besondere seit seiner Pensionierung größtes tätiges Interesse dem wiedererstandenen Tiroler Schützenwesen zugewandt, um des­sen Ausgestaltung ebenso wie um die Förderung der mit ihm ver­bundenen Blasmusikkapellen er sich so große Verdienste erwor­ben habe, daß er nicht nur Obmann der letzteren, sondern auch Landeskommandant der Tiroler Schützenkompanien geworden sei. Oft habe man Gelegenheit gehabt, ihn als solchen bei Feier­lichkeiten in schmucker Schützenuniform mit gezogenem Säbel in strammer militärischer Haltung zu bewundern. Die Mitglieder des Altkaiseijägerklubs hätten aber vor einigen Jahren im Hin­blick auf seine Verbundenheit mit österreichischem Soldatentum, seinen kameradschaftlichen Sinn, seine kluge, tatkräftige Art, seine Rührigkeit und sein belebendes Wesen keinen Besseren zum Präsidenten dieser Vereinigung wählen können als diesen wirklichen Tiroler Edelmann im besten Sinn des Wortes. Er habe in den sich immer mehr lichtenden Reihen der Kameraden eine Lücke hinterlassen, die kein anderer auszufüllen imstande sein werde. Einen Höhepunkt in diesem freiwilligen kulturellen En­gagement habe das Jahr 1959 gebracht, fügt die ›Tiroler Tageszeitung‹ hinzu. Damals habe sich Tirol in mehreren großartigen Festveranstaltungen des Heldenjahres 1809 erinnert. Schuma­cher habe den Ausschuß für den unvergeßlichen Landesfestzug geleitet, doch sei es ihm infolge einer Krankheit nicht gegönnt ge­wesen, die Früchte seiner Arbeit zu sehen. Als jedoch Elisabeth von England die Stadt Innsbruck mit ihrem Besuch beehrt habe, habe ihr Schumacher in der Tracht der Speckbacher an der Spitze der angerückten Schützenformationen huldigen können. Für sei­ne Verdienste um das Land Tirol sei er mit dem Ehrenzeichen des Landes Tirol ausgezeichnet worden.

Eine Nachricht, ein Kommentar?
Vorgeschaltete Moderation

Dieses Forum ist moderiert. Ihr Beitrag erscheint erst nach Freischaltung durch einen Administrator der Website.

Wer sind Sie?
Ihr Beitrag

Um einen Absatz einzufügen, lassen Sie einfach eine Zeile frei.

Hyperlink

(Wenn sich Ihr Beitrag auf einen Artikel im Internet oder auf eine Seite mit Zusatzinformationen bezieht, geben Sie hier bitte den Titel der Seite und ihre Adresse bzw. URL an.)