FORVM, No. 196/I
April
1970

Ein Brief

Sehr geehrter Herr Nenning:

Die Publikation meiner Notizen („Nicht einfach zerstören“) in NEUES FORVM, Heft 188/189 ist mit einer redaktionellen Vorbemerkung versehen, deren erste Sätze ich zitiere:

„Herbert Marcuse ist verstummt. Seit jener wilden Attacke des jungen Führers der neuen Linken, Daniel Cohn-Bendit, auf ihn im Teatro Eliseo in Rom ... ist er in der Öffentlichkeit nicht mehr aufgetreten. Natürlich ist der ihm von Cohn-Bendit zugebrüllte Vorwurf, er sei bezahlter Agent der CIA, der pure Unsinn. Sein Verhalten aber: zu gehen, statt sich der Diskussion zu stellen, war falsch ...“

Alles falsch. Verstummt? Mich der Öffentlichkeit entzogen? Zwei Tage nach meinem Vortrag in Rom habe ich in Bari vor mehr als 1000 Studenten gesprochen. Wenig später habe ich dem „Spiegel“ ein ausführliches Interview gegeben. Anfang August im Hessischen Rundfunk wieder ein Fernsehinterview. Anfang September vor mehreren Tausend in Genf. Nach meiner Rückkehr nach den USA habe ich ungefähr ein dutzendmal in Massenversammlungen auf verschiedenen Campuses gesprochen. Außerdem nochmals mehrere Fernsehinterviews über die Aktion gegen Angela Davies. Verstummit?

Soviel zur Berichtigung der ersten Unwahrheit. Zweitens: es war nicht Cohn-Bendit, der mir in Rom „zugebrüllt“ hat, ich sei ein CIA-Agent. Er hat dies ausdrücklich in einem ebenfalls im „Spiegel“ abgedruckten Brief dementiert — ich selber habe es nie behauptet.

Drittens: Ich wurde nach Hamburg zur Feier des 70. Geburtstages von Ernst Fischer eingeladen. Was dort zur Diskussion stand, war nicht der Blödsinn meiner angeblichen Verbindung mit der CIA, sondern „Die alte und die neue Linke“. Die Gründe, die mich zur Ablehnung bewogen haben, habe ich in einem ebenfalls im „Spiegel“ veröffentlichten Brief dargelegt. Sie haben mit der Verleumdung nichts zu tun, also auch nichts mit meiner Weigerung, mich der Diskussion dieser Verleumdung zu stellen.

Herbert Marcuse
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