radiX, Aussendungen
März
2002

Doppelte Arbeit für die Antiglobalisierungsbewegung

Nach der erfolgreichen Verdrängung von Mauthausen und Auschwitz hat sich in Österreich ein diffus-braunes Polit-Biotop entwickelt, indem sich manche Entwicklungen und Tendenzen in ungewöhnlicher Weise besonders deutlich oder besonders frühzeitig zeigen: Dass Ökologie ein auch für Rechte interessantes Thema ist, beweist etwa die langjährige und fruchtbare Zusammenarbeit der drei größten NGOs in diesem Bereich (WWF, Global 2000 und Greenpeace) mit einer rechtsextremen Tageszeitung. Dass sich ein völkischer Nationalismus von ganz rechts (die freiheitliche Partei) mit einem völkischen Nationalismus von ganz hinten (KOMAK, AIK) durchaus einig sein kann, in der Solidarität mit dem Irak. Oder dass die sogenannte Antiglobalisierungsbewegung zuallererst in Österreich ihre endgültige Spaltung erlebt.

Während sich im letzten Jahr der Antiglobalisierungsbewegung eine vergleichsweise einfache Aufgabe stellte, nämlich das WEF zu verhindern, zu stören und zu diskreditieren, was allerdings den größten Polizeieinsatz seit 1945 auslöste, hat sich die Aufgabenstellung ein Jahr später, bei den geplanten Protesten gegen das WEF in Salzburg im September 2002, verdoppelt: Neben dem ursprünglichen WEF gilt es nun einen zweiten Kongress, das „alternative Gegenforum“ der klein- und mittelständischen Unternehmer, zu verhindern. Dieses Mini-WEF ist aber ein Spross der österreichischen Antiglobalisierungsbewegung: Salzburg verdankt diesen zweiten „Gipfel“ nämlich dem politischen Amoklauf eines Funktionärs der Grünen, der in einer Nebenfunktion auch noch als Sprecher von attac-Salzburg auftritt, und der als grüner Arbeiterkammerrat schon letztes Jahr das ureigentliche Potential der Grünen Partei bediente, indem er nämlich die Räumlichkeiten der AK dem Repressionsapparat zur Verfügung stellte, und nicht etwa den DemonstrantInnen, die sich ohne Schlafplätze im Infopoint drängten. Ja, die Rede ist von Robert Müllner, dem grünen Möchtegern — Klaus Schwab aus Salzburg.

Robert Müllner initiiert, nach einem Bericht der Salzburger Nachrichten, vom 10. Januar 2002, der auf der home-page der Anti-WEF Koordination unter www.antiwef.org abrufbar ist, ein „alternatives Gegenforum“. Dabei sind ihm anscheinend alle Bündnispartner recht: der AUGE Funktionär Müllner hat kein Problem mit dem ÖVP — Wirtschaftsbund-Direktor Franz Riedl und Vertretern der Salzburger konservativen Landesregierung an einem Tisch zu sitzen. Während große Teile der kleinen, linken Öffentlichkeit in Österreich auf vielfältigste und kreativste Weise eine Widerstandsbewegung GEGEN die FPÖ-ÖVP Regierung angezettelt haben, setzen sich andere Linke mit ebendiesen Herren zusammen, und erweisen damit der zweiten wichtigen sozialen Bewegung, die momentan in Österreich für Diskussionen sorgt (die sogenannte „Antiglobalisierungsbewegung“), einen Bärendienst.

Robert Müllners Idee, gemeinsam mit dem Bürgertum gegen die internationalen Multis anzutreten, resultiert aus einer Kritik der bestehenden Wirtschaftsordnung, die nur die Finanzkrisen, die globalen Aktienmärkte und den Casinokapitalismus verantwortlich machen für die Übel der Welt. Kapitalismus wird nicht als soziales Verhältnis kritisiert, sondern nur seine vermeintlichen Auswüchse, die sich in den übermächtigen Multis und ihren Managern personalisieren. Diese Multis werden nicht als integraler Bestandteil, als logische Folge von Kapitalakkumulation, Konzentrationsbestrebungen und Profitmaximierung begriffen, sondern als übermächtige Hybris, dem das heimatverbundene, „schaffende“, übersichtliche, fleissige und naturwüchsige Kleinunternehmertum gegenübersteht. Müllner und vergleichbare Linke, können den Schleier der Verhältnisse nicht durchbrechen: Jeder nach kapitalistischen Prinzipien werkende Konzern und jedes Unternehmen funktioniert nach dem gleichen Muster. Der einzige Unterschied ist der mangelnde Erfolg der Salzburger Wirtschaftsbündler; das macht die lokalen KapitaleignerInnen aber um nichts sympathischer. Müllner und Co stricken sich so ein Weltbild das speziell in Österreich, nach Mauthausen, Treblinka und Auschwitz, in gefährliches Fahrwasser gerät: die Trennung zwischem dem guten, nationalen und schaffenden Kapital, das vor dem bösen, heimatlosen und übermächtigen Finanzkapital verteidigt werden muß, ist die klassische Kapitalismuskritik der NSDAP und hatte hier in diesen Gefilden mörderische Konsequenzen.

Auch wenn aus dieser Trennung in bodenständig-schaffendes und internationales-raffendes Finanzkapital nicht der Schluß gezogen wird, daß ersteres mit „Deutsch-“ und „Ariertum“, letzteres aber mit Jüdinnen und Juden gleichgesetzt wird, wie dies in den Schriften der NS-Ökonomen und Zinstheoretiker wie Gottfried Feder klargestellt wird, bleibt diese ökonomisch nicht begründbare Löslösung „spekulativen“ und „produktiven“ Kapitals mit der negativen Bewertung des ersteren und der positiven Bewertung des letzteren strukturell antisemitisch. Wenn dies auch noch mit einer Suche nach Allianzen mit dem „bodenständigen produktiven Kapital“ verbunden ist, wird damit auch ohne die offene Zuschreibung des „internationalen Finanzkapitals“ als „jüdisch“ einem Weltbild Vorschub geleistet, das jenem offener AntisemitInnen entspricht.

Jede „linke“ Kritik, die daran anschließt muß sich die Frage nach dem dieser Erklärung inhärenten, strukturellen Antisemitismus gefallen lassen. Wer Spekulanten, Finanzkapital und verantwortungslose Multis kritisiert, zudem die regionale Wirtschaft stärken und dazu einen starken, interventionsfähigen Nationalstaat erstrebt, betreibt eine konservative Affirmation kapitalistischer Verhältnisse. Der moderne Nationalstaat wird weder in seiner Entstehungsgeschichte noch in seiner Funktion als Organisator der Reproduktion des Kapitalverhältnisses erkannt. Der Blick zurück auf das „golden age“ des Kapitalismus, die Phase des sogenannten Wirtschaftswunders in Österreich (oder global: des Fordismus) wird als erstrebenswerte und erreichbare, linke Utopie verkauft.

Wer solche Ziele hat ist nicht nur ein konservativer Nostalgiker, er oder sie steht einer auf Überwindung zielenden Kritik der bestehenden Verhältnisse im Weg. Der Fordismus und eine relativ breite materielle Integration subalterner Klassen, weitreichende, sozialstaatliche Versorgung usw. war unter anderem einer einmaligen Situation der Konkurrenz mit dem System des Realsozialismus geschuldet, doch schon damals gab es vielfältige Widersprüche und organisierten Protest. Die Wurzeln der Globalisierungsbewegung reichen zurück in eben diese Phase: der kulturelle und politische Aufbruch der 60er, die sexuelle Revolution, die Zerstörung der fordistischen Kleinfamilie, die Jugendrevolten der 70er, Autonomia, Hausbesetzungen und Punkrock sind die legitimen Eltern der Antiglobalisierungsbewegung.

Linkskeynesianistische NationalstaatsfetischistInnen hatten schon damals keine Antworten mehr auf das vielfältige Versagen des kapitalistischen Wirtschaftsystems. Heute, über 30 Jahre später, zieht diese Masche noch weniger: der attac-Müllner und seine ÖVP-Wirtschaftsfreunde werden im September ein legitimes Protestziel der Antiglobalisierungsbewegung sein. Wir betrachten diesen Klüngel als exakt gleich großes Problem wie das WEF selber, da wir in der Ausbeutung durch österreichische Chefs kein Privileg erkennen können.

Wir werden daher unseren Protest ausdehnen, und antisemitische Propaganda, wie sie beim attac-Kongress in den Räumlichkeiten der AK im letzten Jahr sichtbar wurde, nicht mehr dulden: Damals hingen an den Wänden des Konferenzsaales Karikaturen von offensichtlich zinsgeldfeindlichen attac-MitgliederInnen, im Stil des völkischen Beobachters: der personalisierte Kapitalist trug Zylinder, rauchte Zigarre, hatte eine Hackennase und ritt auf einem Esel namens Wirtschaft.

Interessant wäre auch eine Aufklärung über tatsächliche Position des zuletzt in Salzburg umstrittenen Robert Müllner bei attac, und wie sich attac allgemein zu Müllners „Mini-WEF“ positioniert.

Eine Nachricht, ein Kommentar?
Vorgeschaltete Moderation

Dieses Forum ist moderiert. Ihr Beitrag erscheint erst nach Freischaltung durch einen Administrator der Website.

Wer sind Sie?
Ihr Beitrag

Um einen Absatz einzufügen, lassen Sie einfach eine Zeile frei.

Hyperlink

(Wenn sich Ihr Beitrag auf einen Artikel im Internet oder auf eine Seite mit Zusatzinformationen bezieht, geben Sie hier bitte den Titel der Seite und ihre Adresse bzw. URL an.)