FORVM, No. 221
Mai
1972

Die USA machen bankrott

Weltwährungskrise — Illusionen und Tatsachen

J. M. ist Mitarbeiter der New Yorker „Monthly Review“, wo der englische Text dieses Aufsatzes erschien. Deutsche Ubersetzung und Einrichtung: Wilhelm Burian.

I. Der Tod des „Weltwährungssystems“

Die Aufhebung der Konvertibilität Dollar—Gold durch die US-Regierung unter Nixon erweist den Untergang des kapitalistischen Weltwährungssystems — eingerichtet auf der Konferenz von Bretton Woods 1944. Das internationale Währungssystem lag schon lange im Sterben. Ein neues Phänomen begleitete das Geschehen: der „gleitende Dollar“. Der amerikanische Dollar bewegt sich nicht nur weit unter seiner früheren Parität zu anderen Währungen: was ihn vor dem Untergang bewahrt, ist der gesteigerte Ankauf von Dollars durch ausländische Zentralbanken vermittels ihrer nationalen Währung.

Verbilligte Dollars begünstigen den Export amerikanischer Waren und erschweren ausländische Exporte und amerikanische Importe. Ein Währungskonflikt wird unvermeidlich ein Handelskrieg. Die gegenwärtige Lage ist durch eine gefährliche Instabilität bestimmt. Die Erinnerung an die Depression der dreißiger Jahre, der Rückgang des internationalen Handels, der Abfall der Weltproduktion und die Zunahme der Arbeitslosigkeit werden wachgerufen. Die amerikanische Regierung hat durch die Importabgabe und inneramerikanische Kreditmaßnahmen loyale Verbündete verbittert, vor allem Japan, Kanada und die Bundesrepublik; während andere Staaten betroffen sind, wenn sie auch in diesem Schritt der USA eine grobe Verletzung der gültigen Handelsverträge und anderer Übereinkommen erblicken.

Die Öffentlichkeit ist überrascht, daß über die Handelsbilanzen (Überschuß an Exporten über Importe oder umgekehrt), welche im Verhältnis zur nationalen Produktion recht geringfügig sind, soviel Aufhebens gemacht wird. Die Bestürzung der Wirtschaftsexperten ist aber begründet, denn es handelt sich nicht bloß um passive Bilanzen. Vielmehr sind diese Ausdruck einer bestimmten Dynamik, die auch durch relativ kleine Faktoren entscheidend beeinflußt werden kann.

Das zerstörte System von Bretton Woods wurde treffend als „Gold-Dollar-System“ bezeichnet, denn es beruhte auf Goldbarren oder Papiergeld „so gut wie Gold“ als internationale Währung: dem Dollar als Weltgeld. Um 1960 konnten ausländische Währungsfachleute erkennen, daß die Zuverlässigkeit der USA immer mehr abnahm: eine Unze Gold entsprach nicht mehr dem Wert von 35 Papierdollar (nach Max gibt das Geld die in Waren enthaltene Arbeit an und wird Wertmesser) — Warenwert wird als Geldwert dargestellt, d.h. Geld vermittelt und zirkuliert, nicht Waren (d. Übers.). Dieses unvorteilhafte Geschäft wollten die ausländischen Zentralbanken nicht akzeptieren und lösten Teile ihrer Dollarreserven in Gold ein. Im März 1968 wird dieser Umtausch eingestellt, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nachdem die Vereinigten Staaten mit der Aufhebung der Konvertibilität gedroht haben.

Parallel zum Niedergang des US-Dollar als Weltgeld verstärken die USA ihre Anstrengungen; verzweifelt bemühen sie sich nachzuweisen, unterstützt von „befreundeten Regierungen“, daß der Dollar gut wie Gold sei. Die Propagandamaschine des Weißen Hauses verkündet aller Welt die Notwendigkeit der Demonetisierung von Gold, seiner Degradierung zu einer „gewöhnlichen“ Ware. Während alle Regierungen der Welt ihre Goldvorräte sorgsam hüteten, verkündeten Ökonomen von Ruf den Unsinn vom Zeitalter des Glücks und Friedens: ein sachgerechter Papiergeldstandard könnte als Weltgeld den irrationalen und atavistischen Goldstandard ersetzen. In Verfolgung dieser Annahme versuchten die Währungszauberer der US-Regierung und ihrer gehorsamen Verbündeten das Absinken der Goldreserven zu verdecken, indem sie Jänner 1970 über den Intemationalen Währungsfonds (= IWF) die Schaffung einer neuen Geldart bekannt geben: Die Sonderziehungsrechte beim IWF werden als „Papiergold“ bezeichnet, sie stellen „Ergänzungen“ zum internationalen Geldangebot dar.

Trotz aller Manöver und Täuschungen kam es im Sommer 1971 zum spekulativen Verkauf von Dollars gegen ausländische Gelder. Die Reserven und Guthaben ausländischer Zentralbanken an Dollar erreichten die sagenhafte Höhe von 60 Milliarden, während die US-Regierung nur mehr 10 Milliarden an Goldreserven auswies. Das war der Bankrott.

Die gegenwärtige Krise hat sich über einen langen Zeitabschnitt entwickelt, auch heute sind noch einige neue und nicht vorhersehbare Ereignisse zu erwarten, welche den weiteren Verlauf entscheiden. Unserer Ansicht nach ist die Währungskrise Ausdruck von drei einander wechselseitig beeinflussenden Tendenzen:

  1. Eine gewaltige Bürde für den Kapitalismus ist die Abstützung der imperialistischen Politik der USA, die internationale Finanzierung der Defizite durch die abhängigen Länder. Diese Politik führt zu Widerständen, vor allem die unfreiwillige Finanzierung der amerikanischen Kapitalexporte, welche den Eintritt der Krise beschleunigten. (Die Kredite der amerikanischen Regierung und der Banken wurden multinationalen Konzernen mit Stammhaus in den USA zur Verfügung gestell, um ausländische Industrien aufzukaufen. Als Ersatz erhalten die Staaten einen Haufen IOU [Wechsel] der amerikanischen Regierung).
  2. Die internationale Inflation erfaßt alle kapitalistischen Staaten. Das liegt in der gemeinsamen wirtschaftlichen Strategie dieser Staaten: Anregung des Wachstums der moribunden monopolistischen Struktur durch immer stärkere währungs- und steuerpolitische Eingriffe.
  3. Die bornierte Überzeugung der USA, Gold durch Papiergeld zu ersetzen. Ein Beweggrund ist die theoretische Verwirrung, die über den eigentlichen Charakter des Geldes besteht.

II. Die Kategorie Geld

Die Analyse des Geldes — wie sie Karl Marx vorgelegt hat — ist der Ausgangspunkt unserer Argumentation. Damit verknüpft ist unsere Ansicht, daß die gegenwärtige Währungskrise erst ihren Höhepunkt erreicht haben wird, wenn der Goldpreis (in Papierdollar) alle künstlichen Schutzmaßnahmen durchbrochen hat. Wir halten es für wahrscheinlich, daß dies in Zusammenhang mit dem Eurodollar erfolgen wird.

Gold wird als Fetisch bezeichnet. Das ist soweit richtig, als alle materiellen Dinge, welche einen Wert darstellen, im gesellschaftlichen Kontext: fetischisiert werden. Ein Bündel Papiergeld verleiht dem Besitzer eine bestimmte Macht. Die gesellschaftliche Wirkung dieser Banknoten ist an ihre Substanz gebunden und begleitet sie. Der Häuptling eines Stammes etwa verfügt über gesellschaftliche Wirkung kraft seines Fetischs; solange er diesen besitzt, wird er seine Rolle beibehalten. Gelingt es einem Rivalen, dem Häuptling den Fetisch zu entwinden, wird er die Rolle des Anführers übernehmen können. Wann immer Macht an einen materiellen Gegenstand gebunden ist, kann diesem Fetischcharakter zugesprochen werden.

In einer warenproduzierenden Gesellschaft übt das Gold durch seine fetischisierte Gestalt Macht aus. Der Geldwert (bzw. die Kaufkraft) von Weizen oder irgendeiner anderen Ware hat den gleichen Fetischcharakter. In den warenproduzierenden Gesellschaften nehmen die Beziehungen der Produzenten untereinander selbständigen oder fetischisierten Charakter an, das Produkt der Arbeit tritt dem Produzenten als ein fremdes, unabhängiges Wesen gegenüber. Der Wert ist eine Kategorie, die eine in der Ware vergegenständlichte gesellschaftliche Arbeit umfaßt, und als gesellschaftliches Verhältnis fetischistisch an materielle Dinge fixiert ist. Das ist unserer Auffassung nach die Bedeutung des Begriffes „Fetischcharakter“ bei Marx.

Papiergeld hat Wert, weil der Staat die menschliche Arbeit reguliert und Arbeiter zwingt, Papiergeld als Ersatz für geleistete Arbeit zu nehmen. Die Macht des Geldes, gleich ob Papier oder Gold, liegt in der menschlichen Arbeit. Im Nationalstaat ist die nationale Währung, das Geld, d.h. das universale Tauschmittel, der Umfang der Werte und befördert Schuldbegleichung und Steuerzahlung. Am Weltmarkt gibt es keinen nationalen Souverän; nur eine Ware, Produkt menschlicher Arbeit, kann die Funktion eines Geldes erfüllen. Papiergeld kann von Nationalstaaten abgelehnt werden, besonders Papiergeld im Besitz von Ausländern. Ebenso kann es durch Inflation abgewertet werden. Es darf nicht übersehen werden, daß, in Zeit gemessen, tausendmal mehr Arbeit aufgewendet werden muß, um statt einer Unze tausend Unzen Gold zu produzieren. Es macht aber praktisch keinen Unterschied aus, ob auf der Notenpresse auf ein Blatt Papier 1000 anstatt 1 gedruckt wird. (Ein anderer wichtiger Aspekt ist die Überbewertung des realtiven Wertes durch den Freihandel. Die gegenwärtige Kontroverse wird um den relativen Wert der nationalen Währungen geführt, das eigentliche Problem ist aber die Schwächung des Dollar als universelles Aquivalent des Weltmarktes.) Die Entfaltung der warenproduzierenden Gesellschaft erwählt das Gold als Geldware. („Als Maß der Werte kann Gold nur dienen, weil es selbst Arbeitsprodukt, also der Möglichkeit nach ein veränderlicher Wert ist“, K. Marx, Das Kapital, Erster Band, Ullstein 1969, S. 74. — D. Übers.). Die Warenproduktion des „staatenlosen“ Weltmarktes gestattet kein Substitut für Gold, ausgenommen Papiergeld „so gut wie Gold“. Das kann nur der Fall sein, wenn die betroffene Nation „kreditwürdig“, die Golddeckung des Papiergeldes gesichert ist.

III. Die Praxis des Währungssystems

Die Sonderziehungsrechte (= SZ) beim IWF sind Äquivalente im Austausch für bestimmte Währungen, welche durch „Konsensus“ den Status von Gold erhalten. Die Höhe der SZ wird durch komplexe Regeln errechnet, ihre Ausschüttung erfolgt in Übereinstimmung mit den festgesetzten Quoten des IWF, davon erhalten die Vereinigten Staaten mehr Anteile als jede andere Nation. Die SZ können jedoch nicht derart problemlos wie amerikanische Papierdollar gedruckt werden. Die anderen kapitalistischen Staaten haben eine Handhabe gegen den Mißbrauch ihrer Kredite durch den US-Imperialismus. Sie können eine Aufstockung der SZ durch Abstimmung blockieren, oder die Begleichung amerikanischer Schulden durch die von den USA gehaltenen SZ verlangen. Sollten diese Aktionen aber zu bedrohlich werden, können die Vereinigten Staaten diese „Papiergold“-Zahlungen genauso suspendieren wie im August 1971 die Konvertibilität.

Dieser Schritt kann heute um einiges leichter getan werden, denn das SZ-System ist ein ausgemachter Schwindel. Die SZ sind Ersatz für nationale Währungen, ihr Ursprung ist der Druckstock, und sie können im Wert fallen, zu den gleichen unrühmlichen Raten wie ihre nationalen Währungen. Die Funktion des IWF hängt von der Zustimmung seiner Mitgliedsländer ab. Die meisten haben ungestraft die Übereinkommen des IWF durchbrochen, zuletzt die USA August 1971. Im Prinzip beruht der IWF auf freiwilliger Kooperation und der leeren Hoffnung, die USA würden Zurückhaltung üben.

Die Macht des Goldes beruht nicht auf Wunschdenken, daher kann die Ausgabe der SZ nicht mit der Erhöhung des Goldvolumens verglichen werden. Angenommen der IWF besäßte eine Goldreserve von 50 Milliarden (statt seiner kümmerlichen 4 Milliarden) und verfügte über entsprechende Souveränität, dann könnte er völlig legitim Papiere im Wert von 100 Milliarden ausgeben, die auch wie Gold angenommen würden. Die Voraussetzung ist aber stets die Konvertibilität des Papiers in Gold.

Die Bedingungen für ein weltweites System aus „Papiergold“ sind nicht gegeben und im Kapitalismus nicht denkbar. Ein vereinigtes Währungssystem ist dagegen auf beschränktem Raum vorstellbar, beispielsweise in der EWG, in der „Papiergold“ als Reservewährung eingesetzt wird. Die erste Anforderung wäre ein relativ großer Vorrat an Gold und die Hegemonie einer bedeutenden Industrienation mit entwickeltem Bankwesen und einem flexiblen Kreditapparat. Einige solcher „regionaler“ Wirtschaftsblöcke könnten auch die momentane Lösung der gegenwärtigen Krise bewirken. Es liegt auf der Hand, daß eine derartige Lösung eine Neuverteilung der ökonomischen und politischen Macht impliziert. Das ist der Kern der Währungskrise: das Hervortreten neuer Machtstrukturen. Während die einheitliche Währung in Westeuropa oder in Ostasien die betroffenen Staaten vor dem Druck des amerikanischen Imperialismus absichern könnte, kommt es zu einer Steigerung der imperialistischen Konkurrenz. (Die EWG bemüht sich seit Monaten verstärkt um eine europäische Währung. — D. Übers.) Die Einheit eines Währungsblocks ist von der Hegemonie der stärksten Industrienation abhängig, z.B. Japan oder BRD; für die Vorteile dieser Hegemonie hätten die schwächeren Staaten ihre Interessen der führenden Nation unterzuordnen. Solche neue Währungsblöcke werden einen neuen deutschen bzw. japanischen Imperialismus bringen.

Eine wesentliche Steigerung der Weltproduktion in Gold ist von spezifischer Bedeutung. Die Vereinigten Staaten erhöhten 1934 den Goldpreis von 20 auf 35 $ pro Unze und provozierten einen gewaltigen Anstieg der Goldproduktion. Die privaten Goldbesitzer begannen ihre Vorräte abzustoßen. Die Reserven der Zentralbank konnten daher beträchtlich zunehmen, der Goldschatz von Fort Knox verdreifachte sich bis zum Ende des Jahrzehnts. Das ganze Unternehmen hatte aber, wenn überhaupt, nur geringen Einfluß auf das internationale Preisniveau und keine direkte Wirkung auf die Wiederbelebung des Welthandels und der Produktion. Das zeigt, daß eine Zunahme der Goldproduktion nicht hinreichende Bedingung für den Aufschwung der Produktion und des Handels darstellt, aber sie ist eine der notwendigen Voraussetzungen, ebenso wie das jeweilige politische Kräfteverhälinis.

Die Notwendigkeit einer erhöhten Goldproduktion für das Überleben und die Expansion des Kapitalismus hat Milton Gilbert dargelegt (The Gold-Dollar System, Essays on International Finance, No. 70, Princeton 1968). Das Argument lautet marxistisch ausgedrückt: die allgemeine Formel der Kapitalzirkulation ist G (Geld) — W (Ware) — G’ (um den Mehrwert gewachsene Geldsumme). G’ muß größer als G sein, um den Zweck des kapitalistischen Produktionsprozesses: die Mehrwertproduktion zu erfüllen. Wenn der Welthandel und die Weltproduktion, insgesamt gesehen, wachsen sollen, um Kapital anzuhäufen, müssen folgende Bedingungen vorhanden sein: ein Zuwachs an Geldvolumen oder eine beschieunigte Geldzirkulation (oder beides) und eine Erweiterung der Kreditstruktur (oder alle drei). Aber in Ermangelung einer mächtigen Weitregierung mit entwickelten Finanzinstituten ist der Spielraum für die zweite und dritte Alternative beschränkt. Der Bedarf an Geld muß gestillt werden oder man läuft Gefahr Handel und Produktion in Krisen zu versetzen. Wenn die Preise rapide ansteigen, weil die ganze kapitalistische Welt eine inflationäre Politik verfolgt, wird das Verlangen nach vergrößertem Geldvolumen überwältigend. Wir haben aber schon weiter oben bemerkt, daß die Geldreserve der kapitalistischen Welt aus Gold bestehen muß. Warum ist es dann den „Währungsspezialisten“ nicht gelungen die internationale Goldproduktion zu steigern?

IV. Die „Lösung“ der Krise

Gold ist — gemessen an Papiergeld — eindeutig unterbewertet. Die Weltproduktion in Gold (außerhalb der Sowijetunion) ist gegenwärtig auf Industrie und private Schatzanhäufung ausgerichtet. Die Sowjetunion ist schon seit längerer Zeit nicht mehr auf dem Goldmarkt vertreten. Trotz massiver US-Propaganda (Notwendigkeit der Demonetisierung) und der Einführung des „Papiergoldes“ des IWF, eine drohende Gefahr für Spekulanten und Sammler, steht der Goldpreis am freien Markt zwanzig Prozent über den 35 $ pro Unze. Zentralbanken und Privatleute hüten ihre Vorräte, obwohl sie sieben bis acht Prozent Gewinn pro Jahr hätten, würden sie ihr Gold gegen Papiergeld einlösen und den Ertrag in Wertpapieren anlegen. Gerade die amerikanische Regierung ist aber bemüht, den offiziellen Preis von 35 $ zu halten und Verschiebungen nach oben auf dem freien Markt zu verhindern (gegenwärtig liegt der Preis bei 42 $ pro Unze). Obwohl die USA das Gold zu einer „gewöhnlichen“ Ware degradiert haben, dürfen amerikanische Bürger diese „gewöhnliche“ Ware nur in beschränktem Maß erwerben oder besitzen. Andernfalls würde der Preis am freien Markt rasch steigen und das Ausmaß der Entwertung des Dollars in dramatischer Weise bloßlegen. Ein wagemutiger Unternehmer würde zu diesem Zeitpunkt vielleicht eine billige Ausgabe von Ricardos erster Arbeit herausbringen: „The High Prince of Bullion, A Proof of the Depreciation of Bank Notes“ (London, 1811). Das Buch könnte sicher ein politischer Bestseller werden.

Die Regierung der Vereinigten Staaten hat noch immer die Illusion, der Herr der Welt zu sein, sie meint, mit Papiergeld oder mit SZ die Welt für sich arbeiten lassen zu können. Dies ist sowohl die Arroganz des Imperialismus als auch die Unfähigkeit, der Währungspolitik eine andere Wendung zu geben.

Die USA erklären die Frage des Goldpreises für ein unbedeutendes Problem. Diese Ansicht wird verstärkt durch die alte Konfusion über die eigentliche Bedeutung des Geldes, die das Bewußtsein der Theoretiker nicht weniger als das der Geschäftsleute und Beamten verdunkellt.

Solange man den Dollar für Gold hielt, waren die USA imstande, Kapitalexport und Militärausgaben zu finanzieren, die um einiges größer (in Dollar) waren als der amerikanische Exportüberschuß und die Gewinne im Ausland. Notwendig war nur die Herstellung von Papiergeld und Bankdepots. Aber der Exportüberschuß verwandelte sich bald in ein Defizit. Die Profite amerikanischer Unternehmen im Ausland steigen zwar noch immer, doch werden sie von verschiedenen Seiten gefährdet. Die kapitalistische Welt wird heute von kurzfristigen IOU (Wechsel) der US-Regierung überschwemmt, die besonders vom Risiko der Entwertung betroffen sind.

Ähnlich gelagert ist der Eurodollar-Markt, der von keiner Regierung kontrolliett wird. Niemand besitzt eine genaue Vorstellung von seiner Größe, Experten schätzen den Anteil der Banken daran auf 60 Milliarden $. Dieser Markt ist unter zwei Gesichtspunkten zu betrachten: der Anteil der Banken besteht aus gewinnbringenden Forderungen und Einlagen auf Zeit in europäischen und anderen ausländischen Banken. Die Zinsen liegen etwa bei acht Prozent. Zugleich sind die Einlagen dieser Banken sich verzinsende IOU, zurückzahlbar in Dollar. Unbekannt sind die anderen Formen des Eurodollars: Aktiva und Passiva, Wertpapiere usw. Einige der Einlagen sind IOU (Banknoten und Wechsel) der amerikanischen Regierung und andere „wertbeständige*“ amerikanische Aktien. Ein großer Teil der Einlagen an Eurodollar besteht jedoch aus Einlagen „zweiter Generation“, das sind riskante Bankdarlehen, die sich verzinsen. Die multinationalen Konzerne der USA wieder sind gerade im Bereich der IOU engagiert. Die Gefahr liegt nun in der Zahlungsunterlassung einiger großer Kreditnehmer. Noch schlechter würde es aussehen, wenn eine Reihe von Eurodollarhinterlegern ihre Gelder plötzlich zurückziehen. Diese Möglichkeit erinnert an die Umstände um den Zusammenbruch der Creditanstalt in Wien 1931, Auslöser für die internationalen Finanzkrisen der dreißiger Jahre. (Vgl. K. Ausch, Als die Banken fielen, Wien 1968. — D. Übers.).

Ein Staat mit niedrigen Goldreserven wie Japan kann durch Käufe auf dem freien Markt (oder von der Sowjetunion) eine weltweite Spekulation nach Gold auslösen. Jene Spekulanten, welche am Eurodollarmarkt ihre Geschäfte machen, wären die ersten. Eine oder mehrere europäische Banken werden dann zusammenbrechen: einerseits müssen sie dem Bedarf nach Geldern stattgeben, andererseits hätten sie dann uneinlösbare IOU. Um eine internationale Finanzkrise zu entfachen, gibt es viele Möglichkeiten, die oben angeführte ist nur eine Variante.

Der Weltwährungskrise liegt ein Widerspruch zugrunde. Die USA können die Schwächung ihrer imperialistischen Führungsrolle nicht einsehen und die entsprechenden Konsequenzen ziehen. Die amerikanische Regierung hat die gleichen Illusionen über Geld- und Handelsprobleme, wie über ihre Niederlage in Vietnam. Unserer Ansicht nach ist die Währungskrise noch lange nicht auf ihrem Höhepunkt. Das Resultat dieser Krise ist letztlich die Neuverteilung der imperialistischen Macht. Nicht zuletzt wird auch das Verhältnis zwischen kapitalistischen und sozialistischen Staaten betroffen werden und selbst die Beziehungen der sozialistischen Länder untereinander.

Das Monetarsystem ist wesentlich katholisch, das Kreditsystem wesentlich protestantisch. ‚The Scotch hate gold‘. Als Papier hat das Gelddasein der Waren ein nur gesellschaftliches Dasein. Es ist der Glaube, der selig macht. Der Glaube in den Geldwert als immanenten Geist der Waren, der Glaube in die Produktionsweise und ihre prädestinierte Ordnung, der Glaube in die einzelnen Agenten der Produktion als bloße Personifikation des sich selbst verwertenden Kapitals. So wenig aber der Protestantismus von den Grundlagen des Katholizismus sich emanzipiert, so wenig das Kreditsystem von der Basis des Monetarsystems.

(K. Marx, Das Kapital, Dritter Band, Ullstein 1971, S. 560.)
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