FŒHN, Heft 17
 
1992

Die Stützen des Systems

Daß du keine Wohnung hast, das müssen Medien aufrechterhalten (damit du nicht den Magistrat besetzt, nicht den Bürgermeister würgst). Daß der Schwerverkehr ununterbrochen mitten durch unser Land ’ruacht’, müssen die Medien möglich machen. Daß eine Aktiengesellschaft uns unsere Bäche aus den Tälern herausreißt, müssen Medien vorbereiten und durchführbar machen. Daß wir in die EG hineingeritten werden (sollen), das muß von den Medien bewerkstelligt werden. Ohne Geleitschutz durch die Medien würden diese und andere Verbrechen nicht geh’n! Die herrschende Ordnung muß mit allen zu Gebote stehenden Mitteln — das heißt Medien — geschützt werden. Man stelle sich vor, es gäbe eine Woche keine Zeitungen! Alles bräche zusammen. Kein Mensch glaubte mehr, daß alles so sein muß, wie es ist. Daß es leere und daneben überbelegte Wohnungen, da Löcher und dort Luxus geben muß. Deshalb ist es so wichtig, daß das Radio alle Stunden Nachrichten bringt. ’Nachrichten’, das Wort ist ja erfreulich deutlich: es wird nach-gerichtet. Wir werden nachjustiert alle 55 Minuten.
Wie ein kaputter Mensch jede Stunde seine Tablette braucht, um nicht zusammenzubrechen, so muß auch diesem ungesunden System, unter dem wir unser Leben zubringen, ununterbrochen geholfen werden. Die Medien stützen die herrschende Ordnung. Nicht nebenbei oder gar versehentlich, sondern hauptgeschäftlich. Weil sie als Steuerungsinstrumente so ungeheuer wichtig sind, ist Radiohören und Fernsehen kostenlos (außer für diejenigen, die von sich aus Gebühren entrichten). Weil die Bevölkerung keinen Tag aus dem Auge gelassen werden darf, werden in vielen Ländern sonntags Zeitungen zur freien Entnahme ausgehängt. (Und wir, die wir beim Lesen der Blätter betrogen werden, meinen noch, wir seien die Betrüger, wenn wir sie uns holen!) Weil Medien die Oberen vor den Unteren schützen, werden sie mit Unsummen aus unseren Steuergeldern (Presseförderung) gesponsert. (Mehr darüber weiter unten) Dafür, warum die einen roboten müssen für einen Lohn, der zum Leben nicht reicht, während andere nicht wissen, wie sie es schaffen, das Geld, das ständig hereinkommt, auszugeben, muß ein ganzer Wust von Erklärungen her. Warum die Welt, die allen gehört, nur wenigen gehören soll, dafür müssen stets neue Ausreden geboten werden. Frißt du die eine nicht, gibts hundert andere. Schmeckt dir die vom Standard nicht, probier jene, die die Kronenzeitung verbreitet. Um die herrschenden Unrechtszustände aufrecht zu erhalten, muß ohne Unterlaß an einem gewaltigen Konstrukt aus Rechtfertigungen, Versprechungen, Entschuldigungen gebaut werden: für jede eingeknickte Erklärung müssen zwei neue Erklärungen her, das heißt dann vier für jene zwei, acht schon als nächstes usw. So ungefähr muß Babylon gebaut worden sein. Ständig sind unhaltbar gewordene Darstellungen nachzubessern, ist Durchhängendes zu stützen, Eingebrochenes zu erneuern.
Das ist ein Bau, der nur durch immer noch größeren Einsatz an Kapital und Arbeitern, Medienkapital und Medienarbeitern, auf immer ausgedehnterem Areal nicht in sich zusammenstürzt. Nur ein immer dichteres Gewebe aus Verdrehungen und Lügen vermag diese auf den Kopf gestellte Ordnung auf den Kopf gestellt zu halten. Die Medien haben die Aufgabe, bei uns Vertrauen in die Verhältnisse zu produzieren, unser Vertrauen in den Gang der Dinge zu erhalten und, wenn nötig, es wiederherzustellen. Sie haben die Billigung des schreienden Unrechts durch uns zu sichern.
Solange wir Zeitungen wie den Kurier oder die Kleine Zeitung als Informationsmedium betrachten, haben wir keine Chance. Wo Deutlichkeit ist, etwa im schroffen Gegensatz von Knechten und Herren, haben sie Undeutlichkeit zu produzieren. Die Medien — das ist die Verteidigungslinie, die die wirklich Mächtigen (nicht ihre Angestellten in der Regierung) vor sich aufgebaut haben. (Das Profil reißt sich in jeder Nummer beide Haxen aus, um Funktionäre in Grund und Boden zu kritisieren, hat aber an der Aufteilung von Arbeit und Geld, von Besitz und Rechten in Österreich nicht das geringste auszusetzen.)
Die Medien sind der Sperrkordon, der uns abhalten soll, uns von den Mächtigen die Macht zu holen. Sie schicken uns wählen. Sie locken uns hin und sie knüppeln uns hin. (Ausführlicher in Heft 15). Die Medien sind dazu da, abzuwehren, daß wir unsere Sache selber in die Hand zu nehmen. Sie haben uns andere anzubiedern. Ohne sie würde nicht der größte Teil der Österreicherinnen und Österreicher diesen gestopften Nadelstreif wählen.
Sie haben entsetzlich viel zu tun, um das, was ist, vor einer Demokratie zu schützen.

Lügen wie gedruckt

’Politik’, sagen uns die Medien ununterbrochen, das sei Busek gegen Vranitzky. Die konsequente unausgesetzte Personalisierung ist ihr wirksamstes Mittel, von den Zuständen abzulenken. Staberl ist österreichischer Meister in dieser Disziplin, Profil Mannschaftssieger. Ha! Als wären unsere Probleme (die Knechtarbeit, die Bankenherrschaft, das Abmurksen der Natur z.B.) solche des Regierungspersonals und nicht solche des Geld-ist-alles-Systems!
Zurückschauend sieht man, daß die Auseinandersetzung um Funktionäre (Steger, Blecha, Gratz, ...) nie wichtig war, oder ’nur’, um die Zustände dahinter aufrecht zu erhalten.
Wenn die Zeitungen soviel Kraft aufwenden würden, Gründe aufzudecken, wie sie aufwenden, um sie zuzudecken, könnten heute alle Menschen ohne Angst und ohne Not leben.
Warum regen sich mehr Leute und mehr Leute heftiger über das unmögliche Wetter auf als über die unmögliche Staatsordnung? Dafür ist viel Arbeit nötig. Die ’Nachrichten’, die gebracht werden, werden anstelle von Nachrichten gebracht. Jede ist wichtig, weil sie eine wirklich wichtige Nachricht verdeckt. Die Nachricht über den 462. ’Koalitionsstreit’ ist z.B. dazu da, die Nachricht darüber zu verdrängen, daß jemand, der Geld genug hat, uns unseren Boden unter unseren Füßen wegkaufen kann.
Es wird uns vorgegaukelt, Politik sei das Händeschütteln bei Staatsbesuchen, das Aufreißen von Mercedes-Türen, das Römerquelletrinken bei Pressekonferenzen. Aber Politik ist die Transit-Besetzung Tirols, das Versteigern von Miet-Wohnraum an den Meistbietenden! Die Medien haben die dringende Aufgabe, uns auf das Tuscheln in Parteizentralen hin, uns auf das Rascheln in Ministerbüros hin zu orientieren. Sie haben uns am Parlamentarismus aufzugeilen. Eine Zeit-im-Bild 2 läuft ab wie eine Seitenblicke-Sendung: Ein leibhaftiger Minister im Studio, ein paar schnelle Fragen. Dann noch ein paar Filmchen über ein paar Politpromis: Gorbi da zu Besuch, Wojtyla dort, Kohl speist in Paris, ein erhaschter Satz von Butros Ghali, und ein Kameralächeln von George Bush samt Gemahlin. (Wenn ich sage, das ist verbrecherisch, wird man sagen, ich übertreibe. Wenn ich es nicht sage, lüge ich.) Die Medien legen unseren Blicken Fesseln an. Und das ist es, was sie zu tun haben. Rudolf Sallinger, viele Jahre Präsident der Bundeswirtschaftskammer, bestätigt, daß die Zeitungen nur zu unserer Blendung gemacht werden: ’Im Kurier und in der Krone hab ich ehrlich gesagt immer nur die Überschriften gelesen. Die Presse (die Zeitung war bis vor kurzem im Besitz der Bundeswirtschaftskammer) hab’ ich überhaupt nie gelesen. Ned amal die Überschriften.’ (Kurier, 8.12.90) Es ist eine Aufgabe der Medien, Nichtigkeiten zu Wichtigkeiten aufzublasen. Die zwei Hauptbeiträge eines Tirol heute, der Regional-Fernseh-Sendung eines Landes, das die letzten Landwirtschaften an das Unternehmen Massentourismus verliert, sind: ’Badehosenzwang für Kleinkinder im Innsbrucker Freischwimmbad — ja oder nein?’ und ’Schreibmaschinenschnellschreiber aus Rum bei Innsbruck als Gast im Studio’. Das ist kriminell angesichts dessen, was zur gleichen Zeit in Tirol wirklich passiert. Statt eines Berichtes darüber, wie zehntausende ausländische Rackerer wie der letzte Putzhuder behandelt werden, bringt Tirol heute einen Filmbericht über den ’Rehbock Hansi’, der sich in eine Gärtnerei verirrt hat. Statt eines Berichtes über die vielen tausend in Beton gegossenen Familien in den Stadtrandbauten wird in Tirol heute groß von einer ’Catcher-Veranstaltung’ berichtet. Der ’Blumenbinderwettbewerb’-Film steht am Sendeplatz des Berichtes über die Transitprofiteure in Tirol und anstelle der Geschichte über Finanzierung der Politiker durch die Industrie steht der Beitrag über ein ’Country-Sänger-Treffen’. (Alles wahre Beispiele aus einer Woche Tirol heute.)

Die Medien haben Wichtigkeiten weitab der wirklichen Wichtigkeiten zu machen. Wenn du woanders hin schauen willst, haben sie dauernd zu rufen: Schau da her! Sie melden dir dann Meldungen und berichten dir Berichte. Ist die Pressekonferenz irgendeines Ministers und die Presseaussendung irgendeines Parteihansls wichtig oder das tägliche Zuscheißen der Hintertäler durch 10.000 Touristen in Sölden und 10.000 Touristen in Ischgl? Aber die Zustände laden zu keinen Pressekonferenzen und die Müllberge machen keine Presseaussendungen. Die Zustände haben kein Fax und keine Du-Freunde in den Redaktionen.
Diese Medien sind Mittäter. Helfershelfer. Diese Medien sind furchtbar nötig. Wenn die Menschen in Österreich alles wissen, dann hält kein Vranitzky mehr. Wir wollen, daß die Menschen alles wissen. Die Sandmännchen in den Medienburgen wollen um alles in der Welt, daß sie nichts wissen. In FÖHN 15 hieß es zur massiven Finanzierung der Tiroler ÖVP durch Hypobank, Tiland, Brenner Autobahn AG und TIWAG: ’Keine Tiroler Tageszeitung und kein Tirol-Kurier und kein Radio Tirol finden dazu ein Wort, weil Hypo, TIWAG usw. auch deren Bilanzen auffetten.’ (S. weiter unten)
Dazu schrieb uns ein Redakteur von Radio Tirol: ’die umfassende Darstellung von Parteienfinanzierung ist in 3 Sendeminuten (i.e. 45 Maschinzeilen) unmöglich und scheidet genau deshalb für Redakteure des Aktuellen Dienstes als Thema aus.’ (Brief von G. Laich, 3.4.91)
In Schübeln laufen die Redakteure zu Swarovski-Buffets, die Glasstaublungen der Arbeiterinnen und Arbeiter haben sie dabei noch nie gesehen.
Zehntausende Presseaussendungen der Industriellenvereinigung (VÖI) wurden 1:1 nachgedruckt, tausende Male wurde untertänigst von ihren Pressekonferenzen berichterstattet und ebensooft wurde nach einem Telefonanruf eines Industrie-Funktionärs gehorsamst ein Artikel geschrieben, aber noch kein einziger Satz über die Machenschaften der VÖI hat in eine dieser Zeitungen hineingefunden.
Der Kurier, z.B., wenn man ihn aufschlägt, hat 61 x 45 cm, aber ein zehn Zentimeter langer Satz über die mehrere hunderttausend Schilling hohe ÖVP-Wahlkampfmitfinanzierung durch die TIWAG geht trotzdem nicht hinein.
Über das ’Haas-Haus’, Ausdruck extremsten Bankenkapitalismus (Bodenspekulation, Grundrente, Wucher), wurde in den letzten Jahren in Österreich ausführlicher (aber eben nicht über diesen Ausbund an Asozialem!) berichtet als über die Wohnungsmisere, unter der Hunderttausende täglich leiden.
So wie es eingerichtet (worden) ist, kann es nur eingerichtet bleiben, wenn die Vielen, die es zu erdulden haben, im unklaren gehalten werden. Das gibt zu tun!
Die Menschen, die sich interessieren für das, was vorgeht, müssen für andere Dinge interessiert werden. Das ist nicht immer leicht, aber es geht — im Zusammenspiel mit den politischen Schauspielern: Vorgestern hat Haider die SPÖ ’Wühlmäuse’ genannt, gestern hat Cap mit ’FPÖ-Führerstaat’ gekontert, heute hat Haider vom ’östlichen Bazillus’ in der SPÖ gesprochen, morgen wird Vranitzky ... usw. usw. Und von den 13 Tageszeitungen bringen 13 Tageszeitungen die ’Wühlmäuse’ und den ’Führerstaat’ und den ’östlichen Bazillus’ usw. ’Schön ist so ein Ringelspü’, Ringelspü’, Ringelspü’ (...) und’s kost’ net vü’’. Werden wir informiert oder gepflanzt? Die ständige ’Skandal’-Berichterstattung ist geradezu die Wunderwaffe bei der Ablenkung von den wirklichen kapitalistischen Skandalen, z.B., daß Frauen nur zu 66 Prozent Menschen sind. Profil in Österreich und der Spiegel in Deutschland haben diese Erfindung bis zur Patentreife vorangetrieben. Die Skandalisierung ist immer an Personen orientiert, denn mit Personen kann man — ohne den Zuständen selbst im mindesten zu schaden — abfahren. Da dieses System aber solche Personen hervorbringt wie ein Apfelbaum Äpfel (Birnen kann er nicht), spielen sie ein endloses Spiel. Aufgedeckt wird immer grad soviel, als anderswo Material zum Zudecken gebraucht wird. Etwa für das, wie der Billa-Litega-Libro-Bipa-Konzern auf Kosten von Tausenden Taglöhnerinnen täglich reicher wird, oder für das, wie die Firmen ihre hier herausgeschundenen Gewinne ins sichere Ausland schaffen. Gegen diese planmäßigen, ganz legalen Verbrechen im großen Stil, ist alles das, was Profil Ausgabe für Ausgabe auf den Titel setzt, ein Klaks. Die sogenannte politische Korruption (Bestechung von Staatsanwälten, Richtern usw. meinetwegen alles inklusive) bewegt sich — verglichen mit dem Betrug des Kapitals an der Mehrheit der Bevölkerung — im Dezimalbereich. Wenn wir uns — mit Recht — entrüsten über den Minister, der in die Gewerkschaftskasse greift, sind wir schon irregeführt! Die Medien, die aufdecken, sollen uns vorgaukeln: Wenn einer eine Schweinerei begeht (Niederl, Sinowatz, ..) kommt es ans Licht. Aber die Helligkeit, die sie punktuell erzeugen, ist nur ein Abfallprodukt der Dunkelheit, die sie großflächig zu produzieren haben. Mit den Geschichten, die Alfred Worm weiß, aber nicht schreibt, ließe sich die viel sensationellere Zeitschrift machen als das Profil.
Wenn für die morgige Zeitung jeder Journalist in Österreich seinen heutigen Artikel über das Wichtigste schreiben würde, von dem er Kenntnis hat, würde mitten unterm Frühstück diese Republik zerbröseln. Aber das wollen sie gerade nicht. Wer hat denn das große Wort in den Zeitungen? Die vierzig-, fünfzig-, sechzigtausend Schilling-Bezieher Rauscher, Kindermann, Lingens. Wer verkauft uns denn ununterbrochen aus dem Fernseher heraus, daß es anderswo und anderswie schlechter wäre? Solche, für die es anderswie nur schlechter sein könnte: die Monat für Monat mit zehn Monatslöhnen einer Küchenhilfe belohnten Moderatoren. Kann es Herrn Bronner (Standard), Herrn Kunz (ORF), Herrn Wolf (Kurier) irgendwie noch besser gehen, oder ist deren Schmattigkeit nicht ohnedies auf allerdünnsten Säulchen gebaut, sodaß jede Veränderung sich nur als Verschlechterung zeigen könnte?

Die Satten kommentieren die herrschende Ordnung. Demokratie und Geld, das ist so eine Paarung wie Liebe und Geld. Entweder oder.

Sagen, die Zeitungen lügen, und dann Beispiele aus der Politik bringen, ist zu einfach. Reden wir von etwas weiter weg Liegendem, von den Unfallberichten: Ist es das Glatteis, das das Auto schleudern gemacht hat, oder die Hetze in dieser Zeit-ist-Geld-Ordnung? Ist die vielbemühte ’unbekannte Ursache’, die zur Kollision geführt hat nicht vielleicht das geistige und seelische Verhungern im Kapitalismus? Das Nichtmelden der Blutopfer, die dieses Hü-hott-System täglich, stündlich fordert, ginge nicht. Das Richtigmelden geht schon erst nicht. Noch im meldenden Satz muß die Ursache umgelogen werden — so gefährlich ist die Wahrheit. In Wahrheit ist es nicht der Discobesuch, der den 18jährigen auf den nächsten Baum donnern läßt, sondern die wohlbegründete Angst, das Leben im Leben zu versäumen, so wie es nicht der Alkohol ist, der den Skitoten fabriziert, sondern sein Fluchtzwang aus dem ihm feindlichen Alltag. Noch die Todesanzeigen sind großteils gelogen: Nicht der Herr hat die 46jährige ’zu sich’ genommen, sie ist auch nicht am Krebs krepiert, sondern an den unerträglichen Zuständen.
Es ist so, als ob man sagen würde, Martin Luther King ist an Bleiklümpchen verschieden. Da die Leute immer nur an Reifenplatzern und inneren Gewächsen sterben, so der Effekt dieser Meldungen, kannst du mit deiner Unzufriedenheit nicht recht haben. Der Sandler in Innsbruck, der zuletzt verreckt ist, ’dürfte’ -laut ORF — ’den tiefen Temperaturen zum Opfer gefallen sein’. Ich sage, das ist gelogen — und ist nicht nur an der Wahrheit, daß er der Innsbrucker Sozialpolitik zum Opfer gefallen ist, vorbeigeredet.
Stimmt wenigstens das Fernsehprogramm in der Zeitung? Stimmen die Sportresultate? Nein. Beides wird uns so hingestellt, als ob es wichtig wäre für unser Leben.
Daß sie im Großen lügen müssen, indem sie z.B. das, was ist, ununterbrochen Demokratie heißen und das, wo man auf vorgedruckten Zetteln in vorgegebenen Spalten in dafür vorgesehenen Kreislein ein Kreuzchen kratzen darf, großkotzig wählen, versteht man. Aber es ist auch notwendig bis in die klitzekleinste Lokalmeldung hinein: Die Zeitung berichtet vom Unfall des jungen Familienvaters auf der Fahrt in die Arbeit, aber sie darf kein Wort darüber verlieren, welcher Wahnsinn es ist, in andrer Leute Arbeit zu fahren und fahren zu müssen. Das Lokalblatt meldet die Ehrung des Jagdpächters, aber nicht, welcher himmelschreiende Wahnsinn es ist, daß ein Geldsack das Wild, das wie die Luft und das Wasser und die Sonne allen Menschen gehört, sich zum Töten aus unseren Wäldern herauspachten kann. Objektiv, sagen sie, seien sie, und neutral, der Ausgewogenheit verpflichtet. Kann man objektiv über den Hunger in Afrika berichten? Mit einerseits und andrerseits? Nein, entweder steht man auf der Seite der Verhungernden oder auf der der Hungermacher, das heißt auch der Hungermacher aus Österreich. Die Arbeitslosigkeit in der Obersteiermark ist ja gerade nicht objektiv! Oder ist es etwa so, daß beide ein bißchen recht haben, Täter und Opfer, Rausschmeißer und Rausgeschmissene, und beide ein bißchen unrecht? Neutrale Berichterstattung kann hier ja nur heißen, daß gegen das Unrecht nicht Partei ergriffen wird. Auf die Spitze hat es der ORF mit seiner lt. Rundfunkgesetz ’Verpflichtung zur Ausgewogenheit’ getrieben. Ja, was heißt denn das anderes, als daß zur Wahrheit, etwa der, daß unsere Bergbauern in der EG ratziputz aufgemarendet werden, die ministerliche Lüge kommen muß, daß es ihnen in der EG endlich viel besser gehen wird? Welches Wort paßt darauf genauer als das Wort Zensur? Diese Ausgewogenheit ist Eintreten für die herrschende Ungerechtigkeit.
Wer verändern will, ist nicht ’ausgewogen’.

Die Medien richten uns ab

Wenn wir am Morgen meinen, die Zeitung in der Hand zu halten, hält schon sie uns in der Hand. Unsere Gedanken, die sie lostritt, sind nicht die unseren. Bei ’Banküberfall’ denken wir (denken wir?) stracks an den vergleichsweise seltenen und vergleichsweise putzigen Beutezug eines Mannes mit Roger-Staub-Mütze, der fünfhunderttausend oder vielleicht nur fünfzigtausend Schilling einbringt, statt an den ununterbrochen stattfindenden der CA, der Bank Austria usw. auf Kunden und Nichtkunden. D a s ist Banküberfall. Aber wir sind programmiert. Die Medien haben die Aufgabe, uns dorthin zu bringen und dort zu halten, wo uns die Mächtigen haben wollen. Von demokratischen Medien reden, heißt, einen Blödsinn reden. Sie funktionieren alle nur in eine einzige Richtung. Von Kommunikationsmitteln keine Spur. Wie Befehle gehen sie auf uns los — und fertig! Sie sind klar undemokratisch gebaut. Sie üben uns ein ins Empfangen und Nichtgehörtwerden und Nichtszusagenhaben. Sie sind ein treffliches Sinnbild dieser Scheindemokratie. Noch eins: Fernsehsprecher plappern täglich andrer Leute Meinungen herunter, als wär es das Normalste auf der Welt. Sie machen uns damit das bedingungslose, selbstverleugnende Funktionieren für anderer Leute Interessen vor. Ein fatales Vorbild.
Wir werden nicht informiert, sondern formiert. Daß dir die Wirklichkeit, die wirkliche Wirklichkeit, muß man da schon sagen, wenn sie im FÖHN immer wieder ein Stücken ausgegraben wird, so unwirklich vorkommt, ist der Erfolg der Medien. Wenn die Welt lange genug auf den Kopf gestellt gezeigt wird, haben sich unsere Sinne daran gewöhnt. Wenn nun aber ein Teil, wie er ist, also auf den Füßen stehend, sichtbar (gemacht) wird, schreien unsre Augen sofort: ’Falsch! Umgekehrt!’ So war es den Medien möglich, Millionen Menschen — völlig losgelöst von ihren Lebenswünschen — in den ersten und Millionen Menschen in den zweiten Weltkrieg zu treiben. Sie in Leningrad und Kirkenes ihre Heimat Zillertal verteidigen zu lassen. Welche mediale Propagandaleistung war nötig (und vorhanden), um 500.000 US-Soldaten, zum Großteil schwarze, zum Großteil niedrigster gesellschaftlicher Klasse, zigtausend Kilometer weit weg zu schicken, um dort für ihre Ölbarone und deren Bankenharem ihr Leben zu riskieren!
Öffentlichkeit ist nicht etwas, was vorhanden ist und respektiert wird. Öffentlichkeit setzt sich nicht aus meiner und deiner, unserer, eurer und ihrer Anschauung zusammen. Öffentlichkeit wird gemacht. Keine einzige Steuererhöhung ginge, ohne monatelanges Breitschlagen der Masse durch das Gequatsche über das Budgetloch und darüber, welche Vorteile es uns allen bringt, wenn wir noch mehr Steuern zahlen müssen. Keine ihrer angesetzten Wahlen ginge, wenn sie uns nicht hinpatern würden. Die Öffentlichkeit wird ausgerichtet nach den Erfordernissen der Wirtschaft, statt — viel einfacher — umgekehrt. Eine schwere Aufgabe. Der Wahnsinn einer Swarovski-Glasschleifer-Plantage mitten in Tirol muß als das Normale hingestellt werden. (Eine sehr schwere Aufgabe, uns unser Ausgeplündertwerden noch als nützliche Tat empfinden machen.)
Die Zeitungen üben auch Kritik? Ja, an Störungen im System, um diese (nicht dieses) abzustellen, um es noch besser funktionieren zu machen (weniger Bürokratie, billigere Tarife, schnellere Verbindungen).

Ablenkung

Ist es auch nur einen Augenblick lang zu rechtfertigen, daß du dein Leben lang für das Wohnen auf dieser Erde blechen mußt? ........... ! (richtige Antwort hier eintragen.) Darum mußt du gehindert werden daran, das abzustellen. Die Medien haben die stete Aufgabe, uns in die Wüste zu schicken. Mit dem bißchen Kraft, das uns bleibt, jagen sie uns auf den Fußballplatz, damit wir es dort verpulvern. Wochenende für Wochenende fädeln sie uns an steilen Abfahrtspisten und Slalomhängen auf, damit wir uns statt gegen die Vergiftung mit Blei, Schwefel, Stickstoff, Cadmium usw. gegen einen um zwei Hunderstel zu schnellen schweizer Skirennfahrer die Seele aus dem Leib schreien. Die Tiroler Tageszeitung weiß, was sie tut, wenn sie den Montagsfrust im Land mit bis zu 12 (!) Seiten Wettsport-Berichten zudeckt. Alle Achtung, das ist ganze Arbeit. Wer glaubt, wir hätten das Recht, von den Medien darüber aufgeklärt zu werden, warum alles so ist, wie es ist, ist ihre sicherste Beute. Auch wenn dieses Recht vielleicht in einem Fachbuch eines Universitätsprofessors steht. Bei den Rechten ist es so, daß wir nur diejenigen haben, die wir selber wahrnehmen. Niemand anderer wird es je für uns tun (außer im Buch des Universitätsprofessors). Die Medien haben von denen her, denen sie gehören und von denen her, denen sie dienen, nicht die Aufgabe uns aufzuklären, sondern im Gegenteil. Die Wahrheit kommt ihnen höchstens einmal aus, wie einem manchmal ein Furz auskommt. Sie haben uns willig zu halten und auf Trab. Sie haben uns in der Früh aus den Federn zu reißen, damit wir ’unsrer’ Arbeit nachkommen, und sie müssen uns am Abend ins Bett bringen, damit wir am nächsten Tag wieder ... (siehe oben!) Der Landeshauptmann mit den Chefredakteuren, das ist der Landeshauptmann mit seinen Bodyguards.

Die, die unter den Verhältnissen drohen schlapp zu machen, müssen ständig soweit aufgepäppelt werden, das nicht zu tun, und die die drohen gegen die Verhältnisse vorzugehen, müssen dazu gebracht werden, jenes nicht zu tun. Die Medien, das ist der lange Arm, der bis ins Schlafzimmer hinein für Ruhe und Ordnung, soll heißen Unterordnung zu sorgen hat. Wer am Kabel hängt, braucht sich nicht zu wundern, wenn er gegängelt wird. Beispiel Radio: Das ist großteils Hirnkneterei, von 0 bis 24 Uhr, auf drei Kanälen. Ö3 ersäuft uns in Happysound, Ö1 verabreicht Bach, Mozart, Haydn in Waren-Häppchen, Ö2 macht Tschinderassabumm. Alles das ist (vielfach) Nebelmusik, die einhüllt und abhält. Das sind Narkotika. Dieses Überangebot an Heidschibummbeidschi-bumm-bumm verrät etwas von der großen Not, die herrscht, vom wirklichen Elend der bedrängten Kreatur. Der Moderator wünscht ’Viel Spaß mit der kommenden Platte’ als wäre hier, in dieser betrunkenmachenden Musik zu finden, was sonst nicht zu haben ist. Das Unterhaltungsprogramm ist ein Untenhaltungsprogramm. Man kennt das: Hühnerställe mit Musik, um die Eierproduktion anzuregen, Glashäuser mit Musik, um das Pflanzenwachstum zu beschleunigen, Fabriken und Büros mit Musik, um die Arbeitsleistung zu heben. Am Menschen erprobt, mittlerweile auch bei Kühen eingesetzt: beide geben mehr Milch. Millionen Österreicherinnen und Österreicher sind täglich dem Hopp-hopp-hopp von Ö3 ausgesetzt, am Arbeitsplatz, beim Einkaufen usw. und zuhause. Ö3 ist ganz gewiß wichtiger für die sogenannte öffentliche Sicherheit als die gesamte Polizei. In die ’Musik zum Träumen’ wird uns Schlafpulver gerührt, in den Ö3-Wecker Aufputschmittel. Sie haben Angst vor uns, mehr als berechtigte. Darum gehen sie jeden Tag mit Millionen Zeitungsexemplaren auf uns los, wovon die Hälfte wieder eingestampft wird, um morgen wieder gegen uns zum Einsatz zu kommen (von denen die Hälfte wieder ...). Allein das Radio beschallt uns (Ö1, Ö2, Ö3) 72 Stunden in den 24, die ein Tag hat.
Wenn wir hinhören möchten, wie’s unserem Nachbarn geht, fährt uns das Radio ins Ohr. Das ganze Arsenal aus papierenen und elektronischen Medien ist dazu da, uns pausenlos zu beschäftigen. Zu verhindern, daß aus unserem schlechten Gefühl an den Zuständen gute Gedanken dagegen werden können. Gerade die von den Medien erzeugte Undurchschaubarkeit der Verhältnisse ruft bei vielen Menschen erst recht das Bedürfnis nach Aufklärung hervor, treibt sie also erst recht wieder in die Fänge der Medien. Es ist beklemmend, anzusehen, wie diese Not Zigtausende Montag für Montag zu den Kiosks drängt, um dort Profil zu erstehen, das ihnen nicht einen Millimeter heraushilft. Im Gegenteil. Wenn wir nicht in einem fort von Zeitungen und Rundfunk bearbeitet würden, wüßten wir noch selbst was uns angeht: zum 87. Mal Gamsachurdia oder der Urlauberverkehr von Deutschland nach Italien über unser Land hinweg, eine Weltraumtorkelei oder wieso der in Tirol erzeugte Strom für uns in Tirol so teuer ist. Das mit tonnenweise Zeitungs-Quatsch Zugeschüttete würde nach oben kommen, und unsere Ansprüche an das Leben würden sich heraustrauen. Aber wem täglich die Tiroler Tageszeitung ins Haus flattert, der ist schon fast erledigt. Die Medien teilen nichts mit, was uns zum Handeln veranlassen könnte, nur solches, das uns desorientiert (die Parteileitungssitzung in Linz, die Flut in Bangladesch, die Grazer Messe, der Absturz bei Lockerbie, die Anklage eines Ministers, das Endspiel in Buenos Aires). Sie erzeugen Konfusion, und sie tun das, weil es ihre Aufgabe ist. Über die Meldung vom Massacker fährt die Meldung vom Wirbelsturm drüber, neben dem Artikel von der Betriebsstillegung steht der Bericht über die Wahl der Miß Austria. Jede Nachricht wird von der nachfolgenden ausgelöscht — es darf kein Platz bleiben zum Denken. Sie funken dazwischen, wenn aus unseren eigenen Erfahrungen Konsequenzen werden wollen. Sie haben uns narrisch zu machen, Kurier vom 1.2.92: ’Der beste Weg zu mehr Gehalt’ (Serie), ’Olympia-Wette / Gold für die Sieger — Gold für Sie!’, ’Das große Olympia-Gewinnspiel (Casinos Austria) — Gewinnen Sie täglich ein paar Kästle-Ski!’, ’Karriere-Tips’ (Serie), ’Die Glückskinder — Ihr Horoskop’. Das Hirn ist ein gefährlicher Teil des Menschen: es denkt. Sie haben vorzusorgen, daß wir nicht eins und eins zusammenzählen, unser Unbehagen nicht begreifen.
Sie schaffen nicht die psychische Not der Menschen unter der Fuchtel des Geldes ab, nur das Bewußtsein von dieser Not, vor allem das Bewußtsein von dieser Not als einer zwangsläufigen in dieser primitiven Gesellschaftsordnung. Sie haben das Anetwasanderes-Denken uns auszutreiben. Freiheit hieße, sich vorstellen zu können, wie es besser sein könnte und wie das gemacht werden könnte. Das Aufkommen dieser Vorstellung bekämpfen die Medien mit ganzem Einsatz. Sie haben uns unsere Perspektiven wegzunehmen. Was uns gelassen werden soll, sind, je nach Lebensalter, noch zwanzig Jahre so wie es ist oder noch fünfzig Jahre. Die Medien haben in diesem System die Aufgabe, uns zu verwirren und zu lähmen. Schau dir Österreich an: Sie machen ihre Sache ausgezeichnet. Das bißchen Empörung über die Zustände, das uns gestattet wird, haben wir jede/r für sich zu empfinden, du über deine Tageszeitung gebeugt, ich über meine. Unsere Empörungen finden nicht zusammen. Das ’Massenmedium’ Fernsehen bedeutet Aufsplitterung der Masse in ihre Millionen Teile. Jede Emotion ist allein. Es bestehen also im besten Falle Millionen vereinzelter Entrüstungen, die nicht zu einem Sturm zusammenwachsen. Die uralte Herrscherweisheit ’Teile und herrsche!’ hat ihre höchste Vollendung erfahren. Die Massenmedien vereinzeln uns, statt uns, wie es ihre technischen Möglichkeiten erlauben würden, zu vereinen. Das ist politisch ein entscheidender Schlag.

Das Volk über seine wahre Stärke täuschen

Die Herrschenden haben mit allen Mitteln, das heißt: mit allen Medien, unter uns das Gefühl der Ohnmacht zu verbreiten. Die Widersprüchlichkeit der Meldungen soll uns zermürben: ’Man weiß ja sowieso nicht, was wahr ist und was nicht!’ Die ’Skandalgeschichten’, die sie eine nach der anderen auspacken, sollen uns einbleuen, daß ’die da oben es sich richten’ und ’wir da unten sowieso nichts machen können’. Ohne die ständige Demoralisierung des Volkes wäre diese Ordnung, die zu Lasten der Mehrheit geht, nicht zu halten. Die Medien dürfen nur ja keine wirkliche Orientierungshilfe geben, nur ja keinen Ausweg angedeutet sein lassen, auf so schwachen Fundamenten steht diese Herrschaft. Sie haben bereits, bevor es uns einfällt, daß wir uns organisieren könnten, uns davon abzuhalten. Wir sollen unsere Möglichkeiten gar nicht erfahren. In den Informationen, die uns pausenlos aufgedrängt werden, sind sie nicht enthalten. Das Volk ist ein Tiger. Die Herrschenden setzen alles daran, daß das Volk sich dessen nie bewußt werden möge.

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