Heft 4-5/2004
Juni
2004

Die drei Musketiere in der toten Klasse

Gombrowicz, Schulz, Witkacy, Kantor

In der Traumaforschung gibt es den Begriff Men-made-desaster, er bezeichnet eine durch Menschenhand, bzw. durch vieler Menschen Hand produzierte Katastrophe unter der wiederum (meist andere) Menschen zu leiden, zu sterben haben. Wenn mensch die Shoah als ein durch Menschen verursachtes Desaster bezeichnet, trifft das zwar in einem gewissen analytischen und wissenschaftlichen Kontext zu, doch hört sich das irgendwie verharmlosend, die Dimension des Unfassbaren nicht greifend an. Für Adorno hat Beckett das Unbegreifliche in jene Worte gefasst, die auf Papier und auf der Bühne jene Angst, jene Beklemmung, jenen Todesgeschmack, jenes Unverständnis zu all dem hinterlassen, was das Desaster des Ichs darstellt. Kühle Apokalypse. Ganz unausgeschmücktes Desaster der Seele nach der Erkenntnis, dass sie alleine, hilflos sich an Illusionen festhaltend, all dem Untergang und all der Schuld ausgeliefert ist.

Am 19. November 1942, am „Blutigen Donnerstag von Drohobytsch“, im Ghetto einer ehemals polnischen Stadt, an dem die Nazis wahllos Menschen ermordeten, wurde Bruno Schulz, der polnische Intellektuelle, Avantgardist, auf Druckplatten und mit Worten all das zeichnend, was zu erträumen war im XX. Jahrhundert vor 1942, beim Brot holen vom SS-Mann Karl Günther aus nächster Nähe und auf offener Straße erschossen. Wie es heißt, fiel Bruno Schulz einer Querelle zwischen Günther und dem Gestapomann Landau zum Opfer. Wie es heißt, hatte Landau Günthers „Protege“ den Zahnarzt Dr. Löwe erschossen. Die gezielte Ermordung von Bruno Schulz war Günthers Rache an Landau, der wiederum Schulz protegiert hatte, weil dieser ihm seine Villa mit deutschen Märchen ausmalte. Günther soll nach dem Mord triumphierend zu Landau gesagt haben: „Du hast meinen Juden getötet – und ich deinen!“ Men-made-desaster? Wie soll das beschrieben werden, wenn zwei reife Menschen, wie diese Grimm-Märchen liebenden, Zahnarzt benötigenden Deutsche oder Österreicher, in einem als absurd zu bezeichnenden Zusammenhang, wahrscheinlich auch noch für sich erklären könnend warum, in Drohobytsch und sonst wo im „Generalgouvernement“ Menschen ermordeten, täglich unzählige Menschen ermordeten. Welcher Realität gehört dieses Massaker an?

Bruno Schulz, Witold Gombrowicz und Stanislaw Ignacy Witkiewicz, die drei Musketiere der polnischen Avantgarde haben, wie es für Avantgarde üblich war, in der Zeit zwischen dem ersten großen Massaker und dem zweiten großen Massaker versucht die Realität neu zu bestimmen, zu beleben. Sie haben nicht wie die SurrealistInnen begrifflich etwas über die Realität gestellt, sondern das über der Realität stehende, die Utopie, als die Realität des Menschen bezeichnet, die durch die Konstruktionen der Menschen zerstört, unterdrückt, schlussendlich ermordet wird. Das Abenteuer der Musketiere war nicht wie bei Dumas den König zu retten, sondern die sprachlose Menschenwürde durch die Sprache der Phantasie, der Träume, der Ironie, der Buffonerie, der Abbildung. Die Realität des Menschen ist heimatlos, denn die Heimat beschreibt nur eine öffentliche Seite, des sich als reif bezeichnenden und somit all den Illusionen und Projektionen, all den Chimären und all dem Streben der Zwischenmenschlichkeit hingebenden Menschen. Realität ist nicht das, was die Anderen wollen, auch wenn oft, gerade wenn die geistige Vergewaltigung schon vollzogen wurde, sie als solche betrachtet wird. Die Realität des Menschen ist all das, was eben nicht dem tradierten Willen der Anderen und ihren Konstruktionen ausgesetzt war und ist. Die Aufgabe der eigenen Realität bedeutet MittäterInnenschaft, MittäterInnenschaft an reiflich überlegtem Handeln. Und es ist eben die Realität des Menschen, die unausweichlich unter der offiziellen Seite, der bestimmten Bahnen folgenden Interaktion, der Reife und ihrem Handeln zu leiden hat, von ihr abgestumpft, konsequenterweise hingemordet wird. Schulz, der Darsteller, Nachsteller der Realität des Menschen stellte, als die Form des Desasters sich abzuzeichnen begann, den einzigen, scheinbaren Zufluchtsort vor, den es für das Individuum und seine Realität gibt: die Unreife. Sie zu beschreiben, ihren und den Leidensweg des durch sie geprägten Menschen, musste Bruno Schulz nicht alleine in Angriff nehmen, da 1937 sein Freund Witold Gombrowicz, der polnische Intellektuelle, gräfliche Avantgardist und Vorverfechter von Antiromanen und absurdem Theater den Roman „Ferdydurke“ verfasst hatte, der in einer unzusammenhängenden Kontinuierlichkeit der Beschreibung, den Werdegang der Herrschaft der offiziellen Seite über den Menschen nachvollzieht. Mit „Ferdydurke“ handelte sich Gombrowicz Bruno Schulz Auszeichnung als „Manager“ der Unreife ein.

Es ist nicht verwunderlich, dass im Polen der 30er Jahre, zwischen der negativen Utopie einer Staatsgründung samt herrschendem Obristenkorps und der Vorahnung, dass eine Existenz zwischen Hitler und Stalin zwangsweise dem „cordon sanitaire“ Staat die Karriere eines Schlachtfeldes bescheren wird, einige die Köpfe sich zerbrachen, in der Vorstellung all dessen was kommen wird können. Und dabei lag die Vorstellung dessen, was wirklich kommen würde nur ansatzweise in den Ängsten der Denkenden. Etwas Schreckliches war zu erwarten, To be or not to be… Dieser Zustand war auch der ideale Dünger dafür, dass zur Unreife das generalisierte Zweifeln kam, sowie der alle Vereinnahmungen trotzende Ich-Bezug. Neben Schulz, Gombrowicz gab es da auch noch das dritte Musketier: Witkiewicz, den polnischen Intellektuellen, Avantgardisten, Dramatiker des todernst Clownesken, des gewollt geschmacklosen, der Opera Buffa des XX. Jahrhunderts, den Kunst- und Theatertheoretiker, den viele nicht verkannt haben und der als Nebenhaupterwerb Glasfenster und Porträts malte, der abschreckende und düstere Sucher der reinen Form, dessen Gemälde keine Titel trugen, sondern mit der chemischen Formel der eingenommenen Rauschgifte versehen waren. Sein Ich-Bezug setzte er konsequenterweise am 18. September 1939 als Offizier der polnischen Armee mit Hilfe von Schlafmitteln und einem Messer für die Pulsadern ein Ende, als nach und mit den Nazis, die Sowjets in Polen einmarschierten. Wie geahnt, half keine Utopie, half keine Realität des Ichs in der Einklemmung, der Aufreibung zwischen zwei Konstruktionen, die dem Kollektiv neuer Menschen verpflichtet waren. „’Nehmt euch eine nützliche Arbeit vor’, wie Atanazys (Schluss jetzt mit diesem Namen) alte Tante immer sagte. Und so taten denn auch die von dem alten Abschaum, die alles überstanden hatten – nur waren es nicht eben viele. Langsam entstanden neue, andere Menschen… Aber was für welche, das vermag sich niemand auch nur halbwegs auszumalen.“ Wie im Roman „Abschied vom Herbst“ beschrieben, war für Witkiewicz die Verwirklichung der kollektiven Utopie ein Alptraum, die Weiterführung der Form und der Konstruktion – deshalb zog er die Rettung der eigenen Realität vor, wenn zur Abgrenzung nötig, auch dank Rausch, auch dank Tod.

Es sind eindeutig die Tanten, welche bei Witkiewicz und später bei Gombrowicz als Wegbereiterinnen der Geistesvergewaltigung herhalten müssen. „Wenn du nicht Arzt werden willst, sei wenigstens ein Weiberhengst oder ein Pferdejockel, aber daß man’s wenigstens weiß... daß man’s nur weiß...“ (Ferdydurke). Sie wollen nur das Beste. Ahnend oder wissend, das der Unterdrückung nicht zu entkommen ist, wollen sie, dass sich die lieben Nichten und Neffen der Last so aussetzen, dass niemand darunter mehr zu leiden hat, als notwendig, im Schutz einer Schublade. Nach dem guten Zugerede der Tanten folgt die tatsächliche Gewalt der Gesellschaft: die Schule, die Erziehung zur Unmündigkeit, das ins „Ohr gefickt werden“. Józio, der Hauptdarsteller in „Ferdydurke“ ist ein dreißigjähriger Mann, der eben keine Stellung in der menschlichen Konstruktion innehat, und somit seine Tanten bitter enttäuscht. Er träumt jedoch immer davon den reinen Roman zu schreiben. Ein dreißigjähriger unreifer Mensch, der sich bewusst ist, dass wenn sie, die Anderen „bei jemand Unreife wittern, wenn sie den Buben und Rotzbengel riechen, dann stürzen sie sich auf ihn, zerhacken ihn wie Schwäne eine Ente – mit Ironie, Spott picken sie ihn zu Tode und lassen nicht zu, dass ihr Nest ihnen von einem Findelkind der Welt beschmutzt wird, das sie schon längst verleugnet hatten.“ Eines Morgens tauchen bei ihm auch Gestalten, ähnlich wie in Kafkas Prozess (übrigens erstmals 1935 von Jozefina Szelinska und ihrem Verlobten Bruno Schulz ins Polnische übertragen) auf und nehmen ihn mit. Doch sind die Verhafter keine Polizisten, sondern Professoren. „’Ein Geist!’ rief ich. „Ich! Ein Geist! Nicht ein Autorchen! Ein Geist! Ein selbst lebender! Ich!’“ und der Professor gibt zur Antwort auf diese Ungeheuerlichkeit „’Was denn für ein Geist?’ Ich schrie:“Meiner!’ Da fragte er „Ein heimischer? Ein vaterländischer?’“Kein heimischer, sondern meiner!’ „Deiner?’ fragte er leutselig.“Sprechen wir vom eigenen Geist? Und ist uns wenigstens der Geist König Ladislaus bekannt?’ Und er saß da. „Was für ein König Ladislaus?’ Ich war wie ein Eisenbahnzug, der überraschend auf das Nebengleis des Königs Ladislaus hinübergewechselt wurde. Ich bremste und machte den Mund auf, indem mir bewusst wurde, dass ich den Geist König Ladislaus nicht kannte.“Und den Geist der Geschichte kennen wir? Und den Geist der hellenischen Zivilisation? Und den Geist der gallischen, den Geist der Mäßigkeit und des guten Geschmacks? Und den niemandem außer mir bekannten Geist des Idyllendichters aus dem 16. Jahrhundert, der als erster den Ausdruck ’Nabel’ gebrauchte? Und den Geist der Sprache? Wie ist der Infinitiv des Verbums, dessen Partizipium Perfekti ’verschollen’ heißt?’“

Józio findet sich im Gefängnis eines Internats mit 15jährigen wieder. Dort soll ihm die Uniform der Reife verpasst werden: die Maske, treffender: die Fresse. Diese Fresse soll über die Realität des Menschen gestülpt hinwegtäuschen, dass diese „ewig unfertig, verpfuscht, geflickt und lückenhaft ist.“ (Schulz, S. 282). Die Form als Unterdrückung. Gombrowicz wusste ab 1953 ein literarisches Denkmal der „Ausflucht vor der wirklichen Gestaltung“ (Hans Mayer) zu setzen: das Tagebuch, ewig unfertig, widersprüchlich, zerrissen, verpfuscht. Witold Gombrowicz war nicht 1939 durch seine Anwesenheit in Polen zum Tode verurteilt worden, wie seine beiden Freunde, er war ein Monat vor dem Krieg samt einer Kulturdelegation nach Buenos Aires unterwegs gewesen und schließlich 24 Jahre in Argentinien geblieben. Er hatte zumindest seine Haut vor dem großen unfassbaren Verbrechen, welches er mit der Unfassbarkeit des Himalayagebirges verglich, retten können. So wie viele EmigrantInnen wäre er fast verhungert, denn die internationale Anerkennung kam erst spät, dank der literaturgeilen FranzosInnen, allen voran François Bondy, der nach der Lektüre von Ferdydurke erklärte, einen „lyrischen Clown“ entdeckt zu haben, „der in seinem eigenen Zirkus herumstolpert.“

Witkiewicz, der todernste Clown, Gombrowicz, der lyrische Clown, Schulz, mit seinem Ton „einer phantastischen Buffoneria“ – waren die drei Musketiere wirklich Hofnarren im Konstrukt der Menschheit, deren Abwehrhaltung und Ambivalenz dem herrschenden gegenüber ohne „größerem objektiven Erkenntniswert“ (Hans Mayer) und deshalb amüsant, sympathisch ridikül waren? Gegenseitig hatten sie sich eher als dämonologisch gesehen, nicht im Sinne „der Dämonologie (Hexen, Teufel und so weiter), sondern lediglich um das Böse, seinem Wesen nach eine Schicht der menschlichen Seele (Egoismus, der nur qualitativ eine Ausnahme bildet, Raublust, Besitzgier, sexuelles Verlangen, Sadismus, Grausamkeit, Herrschsucht, Unterjochung der Umwelt)“ (Witkiewicz über Schulz) zu beschreiben, ähnlich wie Goya. Denn was heißt schon Reife und Unreife, Erkenntnis und Individuum, Mensch. Was tun zwei Männer, einer groß, einer klein mit einem Kleiderschrank, wenn sie aus dem Meer kommen und unter die Menschen gehen, wie in Roman Polanskis Kurzfilm (1957), was geschieht mit ihnen und mit dem schönen großen Spiegel an ihrem Schrank? Was geschieht, wenn die Schläger kommen, das Men-made-desaster? Vielleicht hat aus diesem Gefühl des Unvermögens heraus Bruno Schulz am 20. März 1938 an seine erkrankte Freundin und Fördererin Romana von Kenig-Halpern, welche 1944 in Krakau von der Gestapo erschossen wurde, in einem Brief geschrieben: „Der Frühling ist so schön – man müßte leben und die Welt schlucken ... Werde rasch gesund und lebe, denn das ist das größte Unglück – das Leben nicht auszuleben.“

Das Ewig Unfertige, Bruno Schulz hatte ihm nicht Form, jedoch mit seinem Buch „Zimtläden“ Inhalt gegeben. 1934 geschrieben, wurde es bald bewundert und anerkannt. „Die ’Zimtläden’ geben ein bestimmtes Rezept für die Wirklichkeit, stellen eine besondere Art der Substanz fest. Die Substanz dieser Wirklichkeit befindet sich in einem Zustand permanenten Gärens und Keimens, verborgenen Lebens. Es gibt keine toten, festen, begrenzten Gegenstände. Alles dringt über seine Grenzen hinaus und währt nur einen Augenblick in bestimmter Form, um sie bei erster Gelegenheit aufzugeben.“ (Schulz an Witkiewicz). Stanislaw Ignacy Witkiewicz - Witkacy auch sich nennend - schließlich setzte der Formlosigkeit mit seinem eigenen Leben ein Denkmal, indem er jeden intellektuellen Triumph von sich schüttelte und nachdem er in allen existierenden künstlerischen Tätigkeiten Maßstäbe gesetzt hatte, Porträtauftragsmaler wurde. Seine Rebellion gegen die Form war die Abstrusität, mit der nur die wenigsten etwas anfangen können, ist sie doch eher abschreckend, als anziehend, wie Gombrowicz einmal bemerkt hat. Es ist der philosophische Standpunkt eines „metaphysischen Hungers“, wie Witkacy selbst es formuliert hat, ein antreibender Hunger ohne Ende und ohne Sättigung. Wie die von Witkacy eingeforderte Deformation im Theater zur reinen Form führt, die Deformation der Dramenpersonen, konnte nach der großen Zerstörung, da fast alle Erinnerung, fast jedes Zeugnis von vor 1939 der Vernichtungsmaschinerie der Nazis zu Opfer gefallen war (wie fast alle Manuskripte und Briefe und Litographien von Bruno Schulz), ein anderer polnischer Intellektueller, Avantgardist, der lautschreiende Theatermensch und in seinem Passport als Maler bezeichnete Tadeuz Kantor fort- und vorführen und das bis 1990. Als Leiter des 1942 gegründeten Untergrundtheaters cricot in Krakau, inszenierte Kantor 1944 das Stück „Die Rückkehr des Odysseus“ von Witkacy. In Folge setzte er als d’Artagnan, als viertes Musketier das Werk von Schulz und Witkacy, der von Kugeln und der Hoffnungslosigkeit ermordeten, fort. Genau wie seine Meister, setzte Kantor auf das Ich, darauf, dass der Künstler sich zu retten hat und nicht die Welt, denn das ist unmöglich. Mit seinem „eigenen Maul“ und sonst nichts schuf Tadeuz Kantor auf der Bühne Illusion, und Illusion bedeutete für ihn Wiederholung der Welt, des einzigen Besitzes, welchen der Mensch hat, die Vergangenheit. Die Dämonologie findet in den Todestänzen Kantors ihre Fortsetzung, zwischen den DarstellerInnen, die Kantor live auf der Bühne, als aktiver Zuschauer herumdirigiert, anbrüllt wenn nötig, und den Puppen, den von Bruno Schulz schon längst eingeführten Mannequins, die wieder auferstanden sind und die Menschheit in ihrer hoffnungslosen Erstarrung widerspiegeln. Denn „Mannequins, willenlose Kreaturen, sind sehr gute Ausdrucksmittel für die unerbittliche Macht des Schicksals, das Fatum, das menschliche Lebensgeschicke vorherbestimmt. [...] Lebende sind von Mannequins umgeben.“ (Kantor).

Als einzige Rettung sieht Tadeuz Kantor die Verpackung, die Mumifizierung, Ver- oder gar Einhüllung, das Emballement der eigenen Person, welches sie vor der Welt schützt und isoliert. Neben den verschieden Verpackungsformen, wie Briefkuverts und Kisten galt der Regenschirm als beliebtestes Symbol und Werkzeug Kantors in der Kunst. Dies zeigte er auch am 1. Mai 1970, als er mit einigen WeggenossInnen in der im Meer aus roten Fahnen bestehenden Parade vor dem Kulturpalast in Warschau mit deformierten Regenschirmen mit paradierte. Nicht umsonst galten nach 1945 von Anfang an im offiziellen Polen diese letzten Vertreter der Vorkriegsavantgarde „als entartete Formalisten, die durch ihre abstrakte, menschenfeindliche Kunst der antihumanistischen und kosmopolitischen Ideologie des Imperialismus huldigen" wie sich die Dichterin und Mitstreiterin Erna Rosenstein erinnert.

Im Stück „Die tote Klasse“ (1975) dreht Tadeuz Kantor den Spieß um, in einem Klassenzimmer in einem Keller lässt er an Greisen, die sich selbst als Kind, in Form von Puppen um den Hals geschnallt haben, seine Wut, seine unverhüllte, nicht emballierte Wut und Unabhängigkeit aus. Er ist rechtlos in dieser Schulklasse, auf der Bühne, vor der Theatergeschichte, welche noch nie diese Interaktion erlebt hat. Er ist rechtlos und in diesem so realen und geliebten Zustand lebt er die Realität des Menschen aus, wie er sie sieht, wie Gombrowicz, Schulz und Witkacy sie gesehen haben: „Das bin ich, nur ich!“

Literatur

  • Bruno Schulz: Die Wirklichkeit ist Schatten des Wortes. Aufsätze und Briefe. München 2000
  • Witold Gombrowicz: Ferdydurke. München 1983
  • Stanislaw Ignacy Witkiewicz: Abschied vom Herbst. Berlin 1991
  • Hans Mayer: Weltliteratur. Frankfurt am Main 1994
  • Erna Rosenstein: Meine Nacht wird hier sein und mein Tag. Blieskastel 1996
  • Tadeuz Kantor: Plus Loin, Rien! Paris 1989
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