FŒHN, Heft 23+24
 
1997

Der lange Arm der Industrie

Der Arm der Industriellenvereinigung, in den sie Regierung, Gewerkschaft, Parteien, Kirche usw. und auf den sie die Arbeiterschaft genommen hat, hat aber noch viel weiter ausgeholt. Weil die Geldsäcke vom Ruf der besonderen Vertrauenswürdigkeit nicht gerade überholt zu werden drohen, war es notwendig, sich für weitere Manöver entsprechend zu kostümieren. Zu diesem Zwecke wurde von der VÖI an einer wenig verdächtigen Außenadresse eine Stabsstelle mit dem Schmeichelnamen „Initiativen für Europa“ eingerichtet mit dem Auftrag, „ein österreichweites Netzwerk von Initiativen“ aufzubauen - „für einen Beitritt Österreichs zur EU“. Die bestimmende Figur im Hintergrund war dabei der langjährige Generaldirektor von Siemens Österreich, Walter Wolfsberger, zu dieser Zeit auch Präsident der Wiener Industriellenvereinigung. Der? Ja, genau der! Während die Regierenden kommen und gehen, scheinen die sie Dirigierenden sich immer gleich zu bleiben. Wolfsberger war der, der mit Krejci und Kienzl 1978 über ihr „Österreichisches Komitee für Zwentendorf“ mit aller Gewalt des großen Geldes das Siemens-AKW im Tullnerfeld in Betrieb setzen wollte. Wolfsberger war der, in dessen Zeit als Generaldirektor (und Vizepräsident der VÖI) 1980 Siemens in den AKH-Skandal (Schmiergeldzahlungen, Verdacht von Parteispenden) verwickelt war, wovon er aber „nichts gewußt“ hatte (Kurier, 2.9.80). Während seit damals z.B. die Vizekanzler Androsch, Sinowatz, Steger, Mock, Riegler und Busek die Donau hinuntergeschwommen sind, stand Wolfsberger - wieder mit Krejci und Kienzl - auch 1994 noch auf der Kommandobrücke.

Im „Initiativen-Handbuch“, das die Wolfsberger-Initiative als „Leitfaden und Ideenlieferant“ für „Europaaktivisten“ herausgebracht hat, wurde ausdrücklich auf die Volksabstimmung über Zwentendorf Bezug genommen. Aber mit welcher Verstellung!

Der Wolfsberger im Schafspelz (VÖI-Handbuch)

Das genannte „Initiativen-Handbuch“, das trotz stattlichen Umfangs ganz ohne Hinweis auf die Industriellenvereinigung und seinen Herrn Wolfsberger auskommt, liefert „Vorschläge, Tips und konkrete Anleitungen“, „wie Sie sich für einen Beitritt Österreichs zur Europäischen Union (EU) einsetzen können“. „Gründen Sie eine Initiative“ ist ein Vorschlag, das „Schreiben von Leserbriefen, Anrufe bei ORF-Kundentelefon und Publikumssendungen“ ein anderer. Schüler sollen einen „Europatag“ organisieren mit einer „Europa-Party“, und Lehrer sollen diese als Multiplikatoren sehen, denn „Sie wirken über die Schüler auch auf die Eltern“. „Tragen Sie Anstecker, die signalisieren, daß Sie für einen EU-Beitritt sind“ oder „laden Sie Ihre Freunde und Bekannten zu einem EU-Diskussionsabend ein“ (mit EU-Video und EU-Cocktail). Wer Unternehmer ist, möge „Informationsmaterial am Geschäftspult auflegen“ und für eine entsprechende „Auslagengestaltung, z.B. ein TV-Monitor mit EU-Video, kleine Europa-Flaggen etc.“ sorgen. Als „geeignete Aktivitäten für die Hausfrau“ bieten sich „Telefonketten“ nach dem Schneeballprinzip an: „Rufen Sie fünf Bekannte an und widmen Sie das Telefongespräch dem EU-Thema. Laden Sie Ihre Freunde dazu ein, ebenfalls je fünf Anrufe durchzuführen.“ Und wer noch weitere gute Ideen hat, soll sie umgehend dem Büro mitteilen: „Die originellste Europa-Initiative wird mit einer Wochenendflugreise für zwei Personen in eine europäische Hauptstadt ausgezeichnet.“

Das war der Trick, mit dem sowohl unbescholtene Leute für die Sache geködert als auch bestehende Initiativen in Greifweite herangebracht werden sollten. Letzteres dürfte nicht selten gelungen sein, wie auch Beispiele in diesem Heft belegen. Auch wenn der Geschäftsführer dieser Tarnorganisation, Martin Weiss, sich als „Koordinator von Hunderten Initiativen für Europa“ preist (News, 2.6.94), war sie vor allem die Geldverteilungsmaschine der Beitritts-Industrie. Daß sich da schöne Möglichkeiten eröffnen, reichlich vorhandenes Schwarzgeld zum Einsatz zu bringen, hier nur nebenbei. Jedenfalls wurden die Industriellen von ihrem Präsidenten um eine „Sonderdotation“ gebeten, wobei die Finanzierung des ganzen auf VÖI-Zentrale und VÖI-Landesgruppen aufgeteilt wurde. Letztere sollten Bundesland für Bundesland neutral aufgemachte Plattformen mit prominenten Ja-Sagern einrichten. So entstanden u.a. in Niederösterreich das „Forum für Europa“, in Oberösterreich die „Private Initiative Oberösterreich Pro Europa“ und in Tirol die „Initiative Tirol für Europa“. Diese wollte bei ihrer Vorstellung zwar ausdrücklich nicht sagen, wie hoch ihr Budget sei, verriet aber allein durch die Ankündigung, „rund 100.000 Personen in Tirol direkt zu kontaktieren“ (TT, 8.4.94), daß es am Geld zuletzt scheitern würde, die Bevölkerung „von der Notwendigkeit eines EU-Beitrittes zu überzeugen“. Am teuersten dürften dann die (wie in Oberösterreich und anderswo) folgenden Inserate-Serien in den lokalen Tages- und Wochenzeitungen gewesen sein, in denen mehr oder weniger bekannte lokale Köpfe sich mehr oder weniger überzeugend zum gewünschten EU-Anschluß bekannten. Nach dem Schema, daß von den Medien hinaufgehobene Personen der Masse von dort herunter gute Ratschläge erteilen, funktionierte auch ein in ganz Österreich flächendeckend verbreitetes Flugblatt der „Initiativen für Europa“. Acht Prominente, die vor allem fürs Prominentsein prominent sind, von Toni Sailer über Karl Merkatz und Kardinal König bis zu Heide Schmidt, waren dann letztlich die „prestigeträchtigen und interessanten Persönlichkeiten“, wie sie der Generalsekretär der Industriellenvereinigung schon Monate zuvor angekündigt hatte (Wirtschaftswoche, 20.1.94).

Schlußendlich konnte nach vollbrachter Untat der Präsident der Industriellen diese Bilanz ziehen:

Im Mai 1987 hatte die Industriellenvereinigung das Thema ins Rollen gebracht. Intensive Öffentlichkeitsarbeit und massiver politischer Lobbyismus seitens der Industrie halfen mit, daß das Beitrittsansuchen in Brüssel deponiert werden konnte. Wir haben massive publizistische Unterstützung geleistet und auch wissenschaftliche Gutachten in Auftrag gegeben und haben uns immer die Themenführerschaft in Sachen Integrationspolitik bewahrt. Der so spektakuläre Erfolg wäre nicht möglich gewesen, hätte nicht in den vergangenen Monaten die österreichische Industrie sehr viel Zeit, aber auch Geld in eine Informationsoffensive investiert und Verbündete gefunden.

(Industrie, 16.6.94)

Mit vielen „Verbündeten“ feierten die Industriellen dann auch am Abstimmungsabend „im festlich geschmückten Haus der Industrie“ das „erfolgreiche Ende einer jahrelangen Arbeit“ (VÖI-Präsident Kessler). Der Landwirtschaftsminister stieß mit dem IBM-Chef an, und der Boß der Bank-Austria freute sich mit dem Finanzminister. (Es war zusammengekommen, was zusammengehört.) Der Wirtschaftsminister jubelte dem Siemens-Generaldirektor zu, und Heide Schmidt kam den anwesenden Landespräsidenten der Industriellen an diesem Abend nur deshalb nicht näher, weil näher als bisher schon nicht mehr ging. Die „mehr als 1000 Gäste“ waren wie eine einzige große Familie. Der EVN-General prostete da dem Wiener Bürgermeister zu, während dort der Wiener ÖVP-Obmann mit dem Shell-General anstieß. Am Büffet drängte sich zwischen den obersten Raiffeisen-Banker und den Ottakringer-Vorstand die Staatsekretärin aus dem Wirtschaftsministerium zu den dänischen Krabben, und bei den belgischen Trüffeln suchten Politiker von FPÖ und Grünen wie Fux und Hirnschall, sich gegenüber Krejci und Wolfsberger auch einmal etwas herauszunehmen.

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