FŒHN, Heft 21
 
1995

Der große Irreführer

Haiders Aufgabe ist es nicht, den Billa-Lagerstaplern zu helfen, sondern ihre wort- und bodenlose Wut von K. Wlaschek (Besitzer) und V. Schalle (Generaldirektor) abzuwehren. Um die Geldigen freizuspielen, muß er ihre Knechte auf die falsche Fährte bringen: Ausgebeutet werde der Arbeiter durch den Staat, durch die Funktionäre, durch die Politik. Dementsprechend ist es der Zweck seiner „totalen Kampfansage an die Großparteien, an die Kammern, an die Verbände und Institutionen“ (Wiener 4/89), abzulenken von der im wahrsten Sinne gesetzmäßigen Ausbeutung der Massen im Kapitalismus. Weil das keine leichte Sache ist, schreit er sich fast den Kehlkopf aus dem Hals: „Versager!“, „Blindgänger!“, „Gauner!“, „Bonzen!“ usw. Haider redet pausenlos über Gaunerei in der Verwaltung und deckt damit die millionenmal größere Gaunerei derer, die Kapital haben, an denen, die nur ihre Hände haben, zu. Das ist seine herausragende politische Leistung. Wenn Haider von Ausbeutung spricht (12.1.90), meint er die der Steuerzahler durch den Staat, wenn er von Korruption redet (10.1.88), meint er die der Großen Koalition, wenn er das Machtsystem attackiert (9.1.94), meint er nur das der SPÖ. Haider ist nicht der große irre Führer, zu dem ihn viele heruntermachen wollen, sondern der große Irreführer.

Fotos: Profil, News, TT, Kurier, Kronen-Zeitung

Mit welchem Sperrfeuer er am richtigen Ziel vorbeischießt! So daß inzwischen schon die meisten meinen, dort, wo er ständig hinballert, sei das richtige Ziel. Um die bestehenden Eigentumsverhältnisse in Österreich zu schützen, lenkt er die berechtigte millionenfache Empörung darüber ausgerechnet auf jene ab, die sie nach besten Kräften stützen. Hier sollen sich die unterdrückten Massen austoben, denn hier kann ihre Auflehnung nichts anrichten.

„Die Arbeiterführer von heute“, sagt Haider, „müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, die neuen Feudalfürsten zu sein.“ (30.4.90) Über einen Haider namens Heinzen schrieb schon vor 150 Jahren ein gescheiter Mann: „Er erklärt die Fürsten für die Haupturheber alles Elends und aller Not. Diese Behauptung ist nicht nur lächerlich, sondern im höchsten Grade schädlich. Herr Heinzen könnte den deutschen Fürsten, diesen impotenten und schwachsinnigen Drahtpuppen, gar nicht stärker schmeicheln, als indem er ihnen eine phantastische, überirdische, dämonische Allmacht zuschreibt. Behauptet Herr Heinzen, daß die Fürsten soviel Unheil anrichten können, so gesteht er ihnen damit auch die Macht zu, ebensoviel Wohltaten erweisen zu können. Der Schluß daraus ist nicht die Notwendigkeit einer Revolution, sondern der fromme Wunsch nach einem braven Fürsten, nach einem guten Kaiser Joseph. Übrigens weiß das Volk viel besser, wer es unterdrückt. Herr Heinzen wird nie den Haß auf die Fürsten herüberwälzen, den der Fronbauer gegen den Gutsherrn, der Arbeiter gegen seinen Arbeitgeber hegt. Herr Heinzen arbeitet im Interesse der Gutsherren und Kapitalisten, wenn er für die Ausbeutung des Volks durch diese beiden nicht ihnen, sondern den Fürsten die Schuld gibt.“ (Friedrich Engels, 1847)

Statt in Opposition zu den Zuständen in Österreich, steht Haider nur in Opposition zu den Konkurrenz-Parteien. Um vom Privileg des Großkapitals, jährlich mindestens 60 Milliarden Schilling Steuern zu hinterziehen, abzulenken, hat er ein Volksbegehren gegen Funktionärsprivilegien abgeführt. Die 28 Sozialversicherungsanstalten, die uns das Geld aus der Tasche zögen, greift er an, die 28 privaten Versicherungen, die uns das Geld aus der Tasche ziehen, nicht, und auch nicht die 28 Banken, die uns ausrauben. Haider kommt die Aufgabe zu, uns glauben zu machen, es wäre das schlimmste aller Übel, daß es hier irgendwo Kammern gibt und nicht, daß es überall hier kapitalistische Ausbeutung gibt. Die „Zwangskammern“ sollen uns stören und nicht unsere Zwangslohnarbeit, die „Zwangsmitgliedschaft“ und nicht unsere Zwangsmieten usw. Haider manipuliert ganz gezielt die vorhandene Auflehnung des Volkes, setzt an die Stelle des wirklichen Feindes einen anderen. Das Problem, sagt er, ist „dort, wo sich die ’alten Parteien’, die Funktionäre und die Parteibuchwirtschaft zuviel in unser persönliches Leben einmischt und glaubt, dort die Menschen in Abhängigkeit versetzen zu können.“ (Wahlrede in Greifenstein, 1. 10. 1990) Haider ist viel wert. Er wird von den Unternehmern nicht zu teuer bezahlt.

Freuen über Haiders massive Vertuschung der wirklichen Machtverhältnisse können sich aber auch jene beiden Parteien, denen momentan die Geschäftsführung dieses Staates obliegt, vorausgesetzt sie nehmen seine Angriffe nicht persönlich. Denn er hilft der SPÖ/ÖVP-Verwaltung dabei, den von ihr vertretenen Reichen die von ihnen ausgeplünderten Armen vom Leibe zu halten. (Das, was Haider an Vranitzky kritisiert, daß „er seine Hosen nicht mehr zukriegt“ (Basta 6/91), ist für sich genommen lächerlich. Angesichts dessen, was er an ihm alles nicht kritisiert, ist es höchst skandalös.) Wer wird da schon an die jährlichen 62 Milliarden Steuerschillinge direkte und indirekte Subventionen an die Industrie in Österreich denken (Presse, 6.8.92), die ihr diese SPÖ(ÖVP)-Regierung zusteckt, wenn der Irreführer poltert, daß „die Verteter dieser Regierung nur ihre Dienstwagen, luxuriösen Büros, Pfründe und Pöstchen im Sinne haben“ (17.10.87)? Gerade weil Haider an dieser Regierungs-Politik für die Gstopften selbst wenig auszusetzen hat, hat er große, grobe Worte nötig: „Klugscheißer!“, „Lügenpack!“, „Narrenschiff!“, „Blindgänger!“ usw. Diesem unausgesetzten Gepolter steht aber kein einziger Angriff gegen einen privaten Unternehmer gegenüber. Kein Wort z.B. zur 200-Millionen-Unterschlagung des Klaus Mair (Creditinstinstitut), keines z.B. zu den Assmann-Gaunereien, keines z.B. zum Feiersinger-Betrug und schon gar keines zur tagtäglichen gesetzmäßigen Unternehmerkriminalität, der Verschiebung von Gewinnen, der Fälschung der Bilanzen, der Lohnarbeit. Daß der Bankraub der ganz gewöhnliche Raub der Bank an den Sparern und nicht sonst irgendetwas und der Versicherungsbetrug nichts anderes als der selbstverständliche Betrug der Versicherung an den Kunden ist, das weiß er, sagt es aber nicht. Ihm geht es darum, hat er sich einmal verplappert, „daß man ein bißchen einen Blick hinter die Kulissen für die Bürger ermöglicht“ (Who is Who-Magazin, 5.11.88) Er will, sagt er, „den Leuten die Augen öffnen“ (Wahlrede in Wörgl, 27.2.89). Nichts weniger als das will er. Haiders Aufgabe ist nicht das Aufklären, sondern das Verdunkeln. Mit seinen in die Kamera gehaltenen Tafelen deckt er zu, nicht auf. Er hat sie für sein Geschäft bitter nötig. Immer grössere!

FÖHN-Dokument: Vereinigung Österreichischer Industrieller / Landesgruppe Tirol: Auszug aus einem internen Präsidiumsprotokoll

Wenn einer sagt „Wir leben in einem Klassenstaat.“, dann hat er recht. Wenn der große Irreführer sagt „Wir leben in einem Klassenstaat“, so hat er hundertprozentig recht. Wenn er aber gleich fortfährt mit: „wo wir auf der einen Seite mit einem Netzwerk von Nehmern, von Nieten und Geldvernichtern konfrontiert sind und auf der anderen Seite mit einer großen Zahl fleißiger, tüchtiger Arbeitnehmer und Gewerbetreibender, die die Systembereiche miterhalten müssen, ohne selbst je einen Vorteil zu haben“ (News, 1.9.94), dann hat er hundertprozentig unrecht. Haiders Attacken auf die Verwaltung sind ganz im Interesse der großen Unternehmen, die sich einen schlanken Staat wünschen, weil nur ein solcher sie möglichst ungeschmälert bedienen kann (Arbeitslosen-Finanzierung, Pensions-Sicherung, Investitionsförderung, Exporthaftung, Gratisschulen usw.). Jedesmal wenn er brüllt, brüllt er, weil er etwas überbrüllen muß, was sonst verstanden werden könnte. Wenn er brüllt, „der Sozialismus“ der SPÖ habe „erreicht, daß beide Elternteile gezwungen werden, berufstätig zu sein“ (Aula, 9/94) so will er damit über den Haufen schreien, daß es die Schandlöhne und die Wuchermieten unter dem Kapitalismus sind, die oft beide Elternteile zur Lohnarbeit zwingen. Das Raunen im Volk über diese unmenschlichen Zustände übertönt er damit, daß er den „zerrütteten Zustand vieler Familien“ und „die Flucht in den Drogenkonsum“ 25 Jahren SPÖ-Regierung zuschreibt (Österreich-Erklärung 1994).Über die schreienden Zustände in unserem Schulsystem, das die Kinder nach den Bedürfnissen der Wirtschaft abrichtet, schreit er drüber, daß „proporzgelenkte Schuldirektionen“ (Wirtschaftswoche, 11.3.92) das Problem wären. Gegen das System selbst hat Haider nichts. Er will es nur verbessern. Seine „Erneuerungsbewegung“ soll mit einer „Welle der Erneuerung“ eine „Erneuerungspolitik“ zum Zwecke einer „politischen Erneuerung“ des kapitalistischen Staates bringen.

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