MOZ, Nummer 57
November
1990
Die mit multikulturell Gemeinten wollten sich selbst vertreten:

Das Frauenprojekt Nozizwe in Berlin

Nozizwe ist ein Begriff aus der Zulu-Sprache und bedeutet soviel wie Heimat verschiedener Kulturen oder Nationen. Das Projekt entstand, als der Berliner Senat fünf finanzierte Stellen für Berufsbildung für Mädchen und junge Frauen zur Besetzung ausschrieb. Dem „Arbeitskreis Migrantinnen“, der die Interessen von Frauen aus ethnischen Minderheiten vertritt, gelang eine erfolgreiche Bewerbung.

„Nozizwes“ Anliegen sind, der weißen deutschen, nichtjüdischen Frauenbewegung Feministinnen aus Minderheitengruppen sichtbar zu machen, denn allzuoft werden sie auch unter Frauen allein als Opfer fremder patriarchaler Gesellschaften betrachtet. In diesem Sinn stehen die „Nozizwe“-Frauen auch dem Begriff ‚multikulturell‘ sehr kritisch gegenüber. Jessica Jacoby, eine der Mitarbeiterinnen, meint, daß hier unterschiedliche Buntheit kulinarisch aufbereitet wird, die Unterschiede als solche genügen, aber nicht hinterfragt werden. Auch verbindet sie damit eine Entpolitisierung, die die Machtfragen und Unterdrückungsverhältnisse sowie Rassismus und Ethnizismus verschleiert.

Alle Mitarbeiterinnen leben schon relativ lange in der Bundesrepublik: Peggi Nomfundo Luswazi kommt aus Südafrika und hat dem Projekt den Namen gegeben. Sie ist Entwicklungspsychologin und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Befreiungsbewegungen unter feministischen Gesichtspunkten.

Sanchita Basu aus Indien ist Pädagogin, veranstaltet Seminare zu Rassismus und Kolonialisierung und deren Auswirkungen auf Leben und Arbeit von Frauen.

Die Türkin Gülay Töksöz arbeitet zu Arbeitsbedingungen und Organisationsformen türkischer Frauen der ersten und zweiten Generation in Deutschland und ist gewerkschaftlich orientiert.

Lucia Muriel Zeller kommt ursprünglich aus Ecuador, ist Psychologin und beschäftigt sich mit dem durch Kolonisierung gebrochenen Selbstbewußtsein, von dem Frauen doppelt betroffen sind.

Jessica Jacoby schließlich ist Jüdin mit deutschem Paß, betrachtet sich aber als Staatenlose. Ihr Bereich ist Antisemitismusforschung, sie versucht den Ort der jüdischen Frau in Deutschland zu hinterfragen, falls es einen solchen überhaupt gibt. Dem legt sie ihre historische Forschungsarbeit zu Frauen im Nationalsozialismus und auch die kritische Hinterfragung, wie die deutsche Frauenbewegung mit diesem Thema umgeht, zugrunde.

Als primäre Aufgaben sehen sie alle gemeinsam die Hilfestellung für minderheitsangehörige Frauen, zu Stimme und Recht in Deutschland zu kommen, sie aus der Unsichtbarkeit herauszuholen. Ein weiteres Anliegen ist aufklärerische Tätigkeit über Frauen aus anderen Ländern, eine Sensibilisierung der deutschen Bevölkerung gegenüber Rassismus und Antisemitismus als Kulturbestandteil. Und sie möchten auch Hilfe zur Selbsthilfe für deutsche Frauen geben, ein positives Verhältnis zu sogenannten Ausländerinnen zu finden. Auch sind Verbindungen mit Bildungseinrichtungen wie Schulen und Gewerkschaften angestrebt.

Multikulturelles Frauenprojekt Nozizwe
Turmstraße 72/73
1000 Berlin 21

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