Wurzelwerk, Wurzelwerk Extra
September
1982

Aufgaben der Wirtschaft

Plan- und Marktsystem als vorherrschende Ordnungssysteme

Das Plansystem und das Marktsystem haben bereits eine Geschichte hinter sich. Beide Systeme hatten ihre historische Berechtigung und haben, wie wir meinen, ihre historische Mission erfüllt (manche sind gar der Meinung, daß ihre weitere Aufrechterhaltung zu einer Bedrohung für die Menschheit wird). Sie haben insofern zur Lösung der oben formulierten Aufgabe beigetragen, als sie mit der Entwicklung der industriellen Produktionsmethode die bisher effektivste Art der Erzeugung von Gütern hervorbrachten. Damit vermittelten sie der Menschheit eine Ahnung von den produktiven Potenzen, die in ihrem Schoß schlummern und auch eine Ahnung davon, welche Gefahren mit ihrer schrankenlosen Ausbeutung der Ressourcen verbunden sind.

Viele Bedürfnisse können heute in einem nie gekannten Umfang und auf einem nie gekannten Niveau befriedigt werden, bei gleichzeitiger Zerstörung der beiden Quellen des Reichtums: Mensch und Natur. Die verheerenden Zukunftsfolgen dieser widersprüchlichen Entwicklung werden uns heute (zu langsam?) bewußt.

Alternative Wirtschaftspolitik ― Wirtschaftsdemokratie

  • Ordnungskriterium sollte eine Kombination von gesamtwirtschaftlichen und einzelbetrieblichen Kennziffern sein, um eine Ausgewogenheit von einzelbetrieblichem und gesamtwirtschaftlichem Nutzen zu erreichen. Gewisse qualitative Dimensionen von Nutzen werden sich allerdings nicht in Kennziffern ausdrücken lassen (z.B. der Grad der Selbstverwirklichung). Notwendig ist weiters, daß die Menschen die Autonomie über ihre Bedürfnisse zurückgewinnen, sich untereinander über diese Bedürfnisse verständigen und sich darüber eihigen, in welchem Ausmaß welche Güter zur Befriedigung der Bedürfnisse notwendig sind. All das setzt entsprechende Institutionen, Organisationsformen und einen hohen Grad an Problembewußtsein voraus.
  • Um gesamtwirtschaftliche Erfordernisse zu gewährleisten (z.B. Verkehrssystem, Ausgleich zwischen natürlich bevorzugten und benachteiligten Regionen ...) sind Planungsmaßnahmen notwendig. Grundlage für solche Planungsmaßnahmen könnten Regionalbilanzen sein, die unter anderem die Bedürfnisse, den Bedarf und die Produktion einer Gemeinde oder Region einander gegenüberstellen. Hand in Hand muß mit einer solchen Stärkung der wirtschaftlichen Autonomie der Regionen eine Schwächung der bestehenden Zentralen gehen. Diese wirtschaftliche Autonomie hat auch die finanzielle Selbständigkeit zu umfassen. Die Träger dieser Koordinierungsarbeit müßten demokratisch gewählte und kontrollierte Wirtschaftskommissionen auf den verschiedenen Ebenen sein. Das heißt, daß es sich hier um eine demokratische Rahmenplanung von unten handelt. All das setzt wiederum den in wirtschaftlichen Angelegenheiten kompetenten und mündigen Staatsbürger voraus.
  • Die Konzentration von Produktivkräften an einem Ort bedeutet immer auch eine Konzentration von Destruktivkräften. Orte, in denen sich Wirtschaftseinheiten in unzumutbarem Ausmaß konzentrieren sind unsystematisch zu belasten (Steuern) und jetzt benachteiligte Gebiete zu unterstützen. Eine einigermaßen ausgewogene Verteilung der Betriebe im gesamten Wirtschaftsraum soll angestrebt werden. Darüber hinaus setzt die oben beschriebene Einmischung der Bevölkerung in die wirtschaftlichen Angelegenheiten auch überschaubare Wirtschaftsräume und Wirtschaftseinheiten voraus.
  • Ein Teil der produzierten Güter kann direkt ohne Dazwischentreten eines Marktes verteilt werden. Bei einem großen Teil wird man allerdings auf den Markt als Verteilungsinstrument (sowohl für Konsumgüter, wie für Produktionsmittel) nicht verzichten können. Allerdings wird man beachten müssen, daß auf einem modifizierten Markt einige Gesetzmäßigkeiten des gegenwärtigen Marktsystems ihre Wirkung verlieren werden.
  • In den einzelbetrieblichen Kalkulationen sind verstärkt gesellschaftliche Kostenkomponenten zu berücksichtigen. Damit soll vermieden werden, daß sich die Betriebe auf Kosten der Gesellschaft bereichern. Gleichzeitig ist eine genaue, übersichtliche und auch für einfache Menschen einsichtige Rechnungsführung zu entwickeln. Einzelbetriebliche Kennziffern dürfen nicht ignoriert, müssen jedoch relativiert werden.
  • Einmischung in wirtschaftliche Angelegenheiten bedeutet, auf der betrieblichen Ebene Selbstverwaltung bzw. extensive Mitbestimmung der Beschäftigten in betriebswirtschaftlichen Angelegenheiten. Dies erfordert einerseits Maßnahmen zur Neutralisierung des Kapitals und Beschränkung der Macht der Kapitaleigentümer. Andererseits macht dies auf der Seite der Beschäftigten eine Erhöhung der wirtschaftlichen Kompetenz erforderlich. Notwendig sind einerseits umfassende allgemeine wirtschaftliche Kenntnisse und andererseits umfassende betriebswirtschaftliche Kenntnisse über den betreffenden Betrieb. Ein neu konzipiertes innerbetriebliches Ausbildungs- und Weiterbildungswesen, das unter Kontrolle der Belegschaft steht, könnte dazu einen wesentlichen Beitrag leisten. (Eventuell als eine Form der Arbeitszeitverkürzung!?) Jedenfalls wird sich in Zukunft niemand von der Auseinandersetzung mit wirtschaftlichen Fragen absentieren können.

(gekürzt: die Red.)

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