FORVM, No. 366
Juni
1984

Arche Noah Hainburg

Unterhalb Wiens ist der natürliche Verlauf der Donau eine Arche Noah für die Fauna: Die Au ist Lebensraum für Tierarten, die nirgends sonst in Europa überleben können.

Österreich hat rund 9000 stehende Gewässer, wenn man jene berücksichtigt, die auf den Kartenblättern 1:50.000 zur Darstellung gebracht werden — wovon freilich besonders im Osten des Landes ein Gutteil künstlich entstanden ist (Donau-Oder-Kanal, Schotterteiche u.a.). Ein Schatz also, um den uns viele Staaten beneiden. Trotzdem hat es relativ lange gedauert, ehe man daran ging, gegen die drohende Nährstoffbelastung und das damit verbundene starke Algenwachstum in den Seen Maßnahmen zu ergreifen. Mit der Einrichtung von Sammelkanälen, Kläranlagen und anderen Technologien ist diese Gefahr zur Zeit für die meisten — noch lange nicht alle — Seen gebannt.

Bis 1995 werden dafür rund zwanzig Milliarden Schilling ausgegeben worden sein. Ein Betrag, der zunächst hoch erscheint, bei näherer Beträchtung jedoch durchaus berechtigt ist, denkt man an die hohen Einnahmen aus Tourismus und an den Erholungswert unserer Badeseen.

Nicht gelungen ist es freilich, die oft weitgehende Zerstörung der Seeufer nach dem Zweiten Weltkrieg zu verhindern, die durch Siedlung, Straßenbau und andere Aktivitäten bedingt sind. Natürliche Uferlandschaft ist an vielen Seen nur mehr in Resten vorhanden.

Schlimmer noch ist die Vernichtung unzähliger Kleingewässer und Feuchtgebiete. So wurden im Seewinkel allein während der letzten beiden Jahrzehnte über zwanzig der für das Gebiet so charakteristischen und für ihren Vogelreichtum bekannten Lacken sinnlos zerstört und weiterhin werden jährlich viele Feuchträume vernichtet — jüngst im Bereich der unteren Thaya.

Durch die Flußregulierungen sind in Österreich hunderte Kilometer an Fließwasserstrecke verloren gegangen und mit ihnen das natürliche Gerinne der meisten Flüsse, ja vielfach solcher kleiner Bäche, die dieser unnützen Korrektur gar nicht bedurften — die Liesing im Süden Wiens ist dafür eindrucksvolles Beispiel und erst kürzlich wurde der letzte natürliche Tieflandsfluß des gesamten Landes Wien mit Abfall (!) aufgefüllt und dann mit Erde abgedeckt: Begräbnis dritter Klasse eines Flußabschnittes.

Die Regulierungen haben aber auch zu Veränderungen, zum Teil sogar völliger Beseitigung des begleitenden Augeländes geführt. Hunderte von Altwässern sind auf diese Weise für immer verschwunden. Im Falle der Donau hinterließ die Regulierung im letzten Jahrhundert noch ansehnliche Aubestände mit ihren Altwässern, unter denen der unterhalb von Wien bis zur Staatsgrenze reichende der größte ist, zugleich auch der umfangsreichste Aubestand Europas.

Der Pflanzen- und Tierbestand ist besonders im Raum von Hainburg (Stopfenreuth) erstaunlich vielfältig; viele in Österreich bereits ausgestorbene und bisher in unserem Land unbekannte Arten wurden dort aufgefunden, dreißig Fischarten, die zum Teil der Augewässer als Laichplätze bedürfen, sind innerhalb weniger Monate festgestellt worden.

Die Aulandschaft ist in diesem Raum noch den vollen Überflutungen durch die Donau ausgesetzt und wird damit gedüngt. In den Augewässern entstehen nur geringe Sedimentablagerungen, weil sie durch diese gewaltigen Durchspülungen behindert werden. Im Gegensatz dazu erhält die Au oberhalb der Staustufe Altenwörth nurmehr bei einer Wasserführung der Donau von 5800m3/sek an — einem außerordentlich seltenen Ereignis — hauptsächlich vom Kamp her ihr Wasser. Sie wird aber nur mehr beflutet, nicht mehr überflutet. Die Folgen sind starke Sedimentablagerungen und Verlandung vieler Augewässer, Artenarmut in den Gewässern und eine durch die fast völlige Abriegelung der Donau von der Aulandschaft bedingte monotone Fischfauna. Lediglich im Bereich des ehemaligen Donaubettes, das aber zur Zeit der Untersuchung noch mit dem gesamten österreichischen Donauabschnitt unterhalb von Altwörth in freier Verbindung von Greifenstein bedroht wird.

Die Aulandschaft unterhalb von Wien ist nun die Arche Noah für die Lebenwesen der Donau-Altwässer: sie darf nicht untergehen.

Konferenz der Tiere in der Donau-Au:
Erstaunlich vielfältiger Tierbestand

Eigenverantwortung

Neben der angeführten Zerstörung vieler unserer Binnenwässer gibt es die Belastung vieler unserer Flüsse und Bäche mit Schmutz- und Schadstoffen, oft bis zur völligen Verödung — ein weiteres Problem, das unbedingt bewältigt werden muß. Die stillschweigende Duldung kloakenartiger Fließgewässer ist mit einem Kulturstaat nicht vereinbar und zudem wie die Belastung von Grundwasser gefährlich. Unser Wasser muß ebenso wie die Luft wieder sauber werden. Während aber die Reinhaltung der Luft der Zusammenarbeit aller Industriestaaten bedarf, liegt der Zustand von Österreichs Flüssen und Bächen zum größten Teil in der Eigenverantwortung unseres Staates. Die Erhaltung elitärer Landschaft und die saubere Umwelt gehen jeden Staatsbürger an: für sie sollten wir auch bereit sein, einen großen demokratischen Einsatz zu leisten.

Dr. Heinz Löffler ist Professor am Zoologischen Institut der Universität Wien.

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