FORVM, WWW-Ausgabe
Mai
2020
Unvereinbar konvergent

Anders und Adorno

Über die Esoterik der philosophischen Sprache et alia

Wie die ambivalente Beziehung der beiden Philosophen wechselseitig begründete Wertschätzung mit ebensolcher Feindseligkeit, wenn nicht Verachtung mischt, sollen diese Beiträge nachzeichnen. Am Anfang steht der peinlichste Auftritt, den ein philosophisches Seminar je erlebt haben dürfte.
 

Der Block ist zuerst erschienen in: „sans phrase“, Zeitschrift für Ideologiekritik (ça ira-Verlag, Freiburg, Redaktion in Wien), Heft 10, Frühjahr 2017, S. 97–139.


 

Günther Anders: Über die Esoterik der philosophischen Sprache

Höchst umständliche und ideenlose Gastvorlesung des alten Professor T., angeblich über „Moral als Kulturwert“, was immer das sein mag. Der harmlose Unsinn war kaum vorüber, als sich zu meinem Schrecken Dr. A., das enfant terrible der philosophischen Vereinigung, zu Worte meldete. Mir schwante Schlimmes, denn trotz äußerlich glatter Umgangsformen – er sieht aus, als gehöre er eher an den Bridgetisch, als in die Universität – ist Dr. A. der rücksichtsloseste Diskussionsredner, der mir je begegnet ist. – Zwar behauptete er, sich auf eine kurze Bemerkung zu beschränken, aber große Attacken kündigt er immer so an. So widerwärtig er mir ist – keine Geste, die nicht Falschheit ausstrahlte, keine Liebenswürdigkeit, die nicht dem Hohn entspränge, keine Bescheidenheit, die nicht von Hochmut diktiert wäre –, von seinem Wahrheitsfanatismus bin ich trotzdem überzeugt; und ebenso davon, dass sein Hohn etwas Enthusiastisches hat und ihn schon oft zu wirklichen Einsichten inspiriert hat. Leicht ist es zwar nicht, zu begreifen, dass sich die Philosophie gerade dieses Gefäß der Falschheit ausgesucht hat. Aber wenn sich, wie es heute millionenfach geschieht, die verlogensten Doktrinen in den Seelen wahrhaftiger Menschen eingenistet haben, dann ist es der Wahrheit nicht zu verargen, wenn sie sich einmal in einer Schlangengrube häuslich einrichtet.

Was Dr. A. selbst anbetrifft, so scheint er sich mit seinem glatten Konfektionsaussehen nicht nur abgefunden zu haben, sondern äußerst zufrieden zu sein. Er benutzt es um zu bluffen, also genauso wie seine Paradoxe. Und offensichtlich macht es ihm Vergnügen, die allgemein angenommene Gleichung von Philosoph und Charakterkopf jeden Augenblick und immer wieder neu widerlegen zu können. Tatsächlich gelingt es ihm auch jedesmal, wenn er mit liebenswürdigem Lächeln eine seiner niederträchtigen Wahrheiten ausspricht, ungeheures Erstaunen hervorzurufen. Und wenn ich ihn auch niemals dabei habe ertappen können, von diesem Erstaunen Notiz zu nehmen, so vermute ich doch, dass er diese Wirkung bis ins Letzte auskostet.

Hier die Mitschrift seiner „Diskussionsbemerkung“: „Wogegen ich in aller Kürze Bedenken äußern möchte, ist das esoterische Vokabular, dessen sich Kollege T. in seinen sonst so luziden Ausführungen bedient hat. Mir scheint: Wenn Bäcker nur für Bäcker büken, Schneider nur Schneider einkleideten, Dentisten nur Dentistenzähne plombierten, handelten sie kaum esoterischer, als Universitätsphilosophen heute handeln. Die Eigentümlichkeit und – bitte verstehen Sie mich nicht schief: ich meine den Ausdruck rein philosophisch, und mich selbst bezichtige ich nicht weniger als jeden anderen – die Komik der gesellschaftlichen Rolle unserer Universitätsphilosophie besteht darin, dass wir, ihre Produzenten, auch ihre ausschließlichen Konsumenten sind; und dass wir unsere Aussagen, die angeblich den ,Menschen überhaupt‘ angehen und für alle verbindlich sein sollen, in einem Idiom vortragen, das nur Wenige trifft, und das den Allgemeinheitsanspruch schon im Augenblick der Äußerung Lügen straft.“

Damit setzte er sich, blickte auf die Uhr, gab sich noch ein paar Minuten und blieb, wohl wissend, dass die Herausforderung genügt hätte, um ihn zum Redner des Abends zu machen.

Professor T., der nicht ahnte, an wen er da geraten war, tat ihm den Gefallen natürlich sofort. „Bedaure, mein Lieber“, sagte er, freundlich den Kopf schüttelnd. „Aber dass kein ,Königsweg‘ zur Wahrheit führt, das gilt heute so gut wie zur Zeit der Antike. Auch in unserem Zeitalter der Demokratie. Leichtmachen gibt es nicht in der Philosophie.“

„Genau, was ich meine“, erwiderte Dr. A. scheinheilig. „Was ich vermisse, ist ja das Schwierigere: Denn was wäre schwieriger, als philosophische Einsichten nicht-esoterisch auszudrücken? Keinen Augenblick will ich diese Schwierigkeit beschönigen. Schließlich sind wir Philosophen Oppositionelle. Und da wir philosophierend versuchen, uns von den in der Alltags- und Bildungssprache investierten oder von ihr als selbstverständlich und gültig vorausgesetzten Vorurteilen loszueisen, ist es – das gebe ich zu – ein beinahe widernatürliches Unternehmen, diesen Kampf gegen die Vorurteile mit Hilfe der Vorurteile selbst auszutragen.“

„Na also“, sagte Professor T. „Sogar schroffer, als ich es meinte.“

„Denn so wenig“, fuhr Dr. A. fort, „die glatte und abgegriffene Oberfläche der Alltagsworte deren Ursprung auch verraten mag, die Worte sind nun einmal festgewordene Aussagen über die Welt, also Vorurteile. Sie kennen vermutlich aus Tausendundeiner Nacht die Erzählung von dem schlauen Derwisch, der seinen Aufruf gegen den Aberglauben aus zahllosen Amuletten zusammensetzte und jedes Stück einzeln festnagelte. Der Mann hat mich stets mit Neid erfüllt. Wie schön es wäre, diesen Klassiker der Ironie einfach nachahmen zu können. Aber die Hindernisse sind leider zu groß.“

Von dem Derwisch hatte der verblüffte Prof. T. nie etwas gehört. Wer weiß, ob Dr. A. ihn nicht ad hoc erfunden hatte.

„Und zwar“, fuhr dieser Schwindler der Wahrheit fort, „sind die Hindernisse nicht nur deshalb so groß, weil sich die Alltagssprache als ein ungeeignetes Material für das Philosophieren entpuppt, sondern auch, weil uns Philosophierenden die künstliche Sprache zur zweiten Natur geworden ist. Unsere Gewohnheit, in ihrem esoterischen Medium zu denken, ist so stark, dass den meisten von uns nur dann etwas einfällt, wenn wir im Assoziationen-Netz dieser Spezialsprache hängen. Im Freien, auf dem Lande zum Beispiel, sind wir durchschnittlichen Philosophen keine Philosophen – womit ich nicht sagen will, dass wir dort nicht weiter fachsimpelten, das tun wir ja leider reichlich, und schweigend verhöhnen Bäume und Felsen unsere ontologischen Vokabeln –, sondern dass die Muse uns dahin nicht nachreist oder uns dort nicht erkennt; und dass sie uns nur dann ,küsst‘, wenn wir uns ihr zu Ehren die klirrende Montur des Spezialvokabulars umschnallen und am Schreibtisch sitzen – worin wir, eigentlich aufs Beschämendste, jenen schlechten Komponisten ähneln, die nur am offenen Klavier komponieren können, und denen nicht mehr einfällt, als was die Tasten ihnen vorflüstern.“

Professor T.’s Augen wurden groß und größer. Er wusste nicht recht, ob Dr. A. für ihn sprach oder gegen ihn, und ob er begeistert sein sollte oder verletzt.

„Womit ich also andeuten wollte“, fuhr Dr. A. fort, „dass die direkte, die nicht-esoterische philosophische Aussage, wenn sie gelänge, alles andere wäre als eine einfache Leistung, für deren Durchführung wir uns gewissermaßen nur gehen zu lassen brauchten. Die Aufgabe wäre höchst vermittelt, von ,Königsweg‘ könnte überhaupt keine Rede sein, sie würde die Anstrengung der Entwöhnung erfordern, einen eigentümlichen Akt, durch den wir von den uns Fleisch und Blut gewordenen, abstrakten Ausdrücken zu abstrahieren hätten – eine künstliche Rückübersetzung des im esoterischen Idiom Erzeugten in ein nicht-esoterisches Idiom; kurz, in Luthers Worten: Wir hätten die Melodie der Nachtigall mit Kuckucksrufen nachzuahmen.“
„Aber Herr Doktor!“, rief da Professor T. aufgeregt, „sollten Sie denn wirklich nicht merken, dass Sie da für mich sprechen?“

„Vor dem Sturm muss man eben die möglichen Argumente des Gegners Revue passieren lassen.“ Und die weiteren Worte gewissermaßen von seiner Armbanduhr ablesend: „Deren gefährlichstes aber würde so lauten …“

„Wie?“, fragte der Professor stimmlos.

„Die Aufgabe – könnten Sie nämlich einwenden –, das Esoterische in die nicht-esoterische Sprache zurückzuübersetzen und es ,lebensnah‘ zu machen, sei nicht nur schwierig, sondern widerspruchsvoll. So widerspruchsvoll, wie wenn man von einem Luftschiffer verlangte, gut weiter zu üben, aber bei seiner Tätigkeit um Gottes Willen keinen Augenblick lang die Tuchfühlung mit dem Erdboden zu verlieren. ,Aber darin‘, würde der Luftschiffer erstaunt einwenden, ,darin besteht ja gerade meine Absicht und meine Leistung.‘ Vielleicht, Herr Professor, hätten Sie das Recht auf die gleiche Antwort.“

„Sehen Sie“, sagte Professor T. dankbar und verblüfft.

„Und: Lebensnah ist ja das Leben selbst, würden Sie sagen.“

„Habe ich auch wirklich oft gesagt.“

„Sie würden sagen: Dem Auge kann man nicht vorschreiben, dass sein Leistungsradius so kurz bleibe wie der Radius des Augapfels. Um mehr zu leisten, nämlich um Radius und Horizont zu erweitern, ist der Augapfel eben da.“

„Ausgezeichnet!“ Professor T. schüttelte seinen Kopf in ungläubiger Begeisterung.
„… um dann im Analogieschluss Ihre eigentliche These zu formulieren: Die eigentümliche Absicht der geistigen Tätigkeit – würden Sie behaupten – und die eigentliche Leistung des Lebens, sofern es philosophiert, besteht eben gerade darin, dass es sich von sich selbst ,entfernen‘ und ,abheben‘ kann.“

Professor T. schüttelte seinen Kopf mit unvermindertem Enthusiasmus weiter.

„Und Sie würden schließen, der Ausdruck ,Abstraktion‘, von ,abstrahere‘, weise in diese Richtung; und wer über etwas spreche, könne nicht mitmachen, sondern müsse über diesem Etwas schweben.“

„Also einfach großartig, Herr Doktor!“, rief Professor T., und er machte Gesten zu seinen in der ersten Reihe sitzenden Kollegen.

„Aber ich bitte Sie, Herr Professor“, wehrte Dr. A. ab. „Diese famosen Überlegungen sind ja gar nicht meine. Sondern Ihre!“

Der Alte war offensichtlich verwirrt.

„Die ich durchaus nicht unterschreibe.“

„Sondern?“

„Aber dass ich es mir leicht mache, Herr Professor, das werden Sie mir nicht noch einmal nachsagen.“

Professor T. schüttelte perplex den Kopf.

„Ich zweifle nämlich, dass selbst mein schlimmster Feind mir schlimmere Hindernisse in den Weg werfen würde. In meinen ,Königsweg‘. Oder doch?“
 

Nach dieser provozierenden Frage griff Dr. A. hastig nach Hut und Mantel, und rasch sich entschuldigend, erklärte er, er habe leider seine Bahn zu erreichen.

„Das ist aber wirklich recht bedauerlich!“, rief Professor T., der die Komödie nicht durchschaute.

„Um ein Uhr geht noch eine!“, kam es aus dem Hintergrund. Es wirkte wie Regie.
„Um ein Uhr allerdings“, gab Dr. A. bedauernd zu. Er schloss seine Büchermappe.
Professor T. wagte nicht zu bitten. Ein paar Sekunden stand Dr. A. zögernd. Als er dann aber das Opfer brachte, den Mantel über die Bank zurückwarf und sich wieder hinsetzte, gab es Beifall, an dem auch Professor T. sich beteiligte. Seine Arglosigkeit überstieg jedes erlaubte Maß. Nicht nur, dass er nicht begriff, dass er seiner Waffen schon beraubt und bereits schlachtreif war – denn Dr. A. hatte ja alle starken Gegenargumente vorweggenommen: Er musste dem Gegner für sein Bleiben auch noch danken und sich in sein Unglück hineinapplaudieren.

„Also was Sie da vorgebracht haben“, rief er, und klatschte noch ein letztes Mal, „das war einfach ausgezeichnet. Wirklich ungewöhnlich! Und wenn ich vielleicht auch hie und da eine Spur anders formuliert hätte … jetzt haben wir ja Zeit … verzeihen Sie schon, Herr Doktor: weniger literarisch, weniger metaphorisch …“

„… esoterischer.“

„Schön, auch esoterischer“ und plötzlich seine Arme in die Luft werfend, denn die Sprache ließ ihn einen Augenblick lang im Stich, „also nun erklären Sie mir bitte nur das Eine, Herr Doktor: Nachdem Sie die Schwierigkeiten nicht‑esoterischen Philosophierens so brillant präsentiert haben, wirklich, Sie sollten das für unser Journal aufschreiben, als ,notula‘, ,Über Esoterik‘ oder dergleichen –, also warum um Gottes Willen bestehen Sie trotzdem darauf, der esoterischen Sprache so auf den Leib zu rücken? Also mir ist das unerfindlich!“ und mit einladender Geste: „Bitte.“

Dr. A. reagierte nicht sofort. Und als er antwortete: „Ich fürchte, Herr Professor, wenn ich auf diese Frage wirklich eingehen wollte, müsste ich sehr weit ausholen“, klang seine Stimme ominös bescheiden.

„Nein, nein!“ widersprach Professor T. lebhaft. „Jetzt sind sie dageblieben. Keine Ausflüchte!“

„Gut“, sagte Dr. A., während er sich schlaksig wieder erhob und mit einer Geste die Verantwortung für das Kommende auf den Alten schob. „Was ist also Ihre Hauptschwierigkeit?“

„Na also“, machte Professor T. ehrlich erfreut. „Meine erste Frage würde also lauten: Sind wir Philosophen denn die Einzigen, die sich einer esoterischen Sprache bedienen? Was ist mit den Chemikern? Und was mit den Ingenieuren? Ist deren Sprache vielleicht weniger esoterisch? Sind deren Methoden und Vokabulare außerhalb ihres Kreises verständlich? Schreiben die vielleicht für Krethi und Plethi?“

Da begann Dr. A. seine Attacke. „Auch nicht“, sagte er.

„Also.“

„Deren Esoterik ist anderer Art.“

„Inwiefern, Herr Doktor?“

„Weil sie nicht auf esoterischen Konsum abzielen.“

„Das verstehe ich nicht ganz.“

Der Diskussionston hatte sich in diesen kurzen Augenblicken merkwürdig verändert. Das Publikum wurde stutzig.

„Die Arbeit“, anwortete Dr. A., „die der Chemiker leistet oder der Ingenieur, ist zwar ebenfalls spezialistisch. Auch die Formel des Chemikers ist monopolisiertes Wissen … oft sogar ein wirkliches ,arcanum‘ … ich meine im modernen Sinne: nämlich patentiertes Eigentum der, hinter der Wissenschaft stehenden, Industrie.“

„Aber?“

„Aber für esoterischen Konsum ist deren Produkt eben nicht bestimmt. Wäre eine, auf einer schwierigen Formel beruhende, Pille so hergestellt, dass nur Fachkollegen sie schlucken könnten, ihre Produktion würde sofort abgeblasen werden.“

„Und?“

„Und dieser Pille entsprechen nun bedauerlicherweise unsere philosophischen Produkte.“

Professor T. glaubte nicht recht gehört zu haben.

„Ich sagte: Dieser imaginären Pille entsprechen bedauerlicherweise unsere philosophischen Produkte.“

Nach einer Pause: „Inwiefern?“

„Darf ich noch einmal weit ausholen?“

Das „Bitte!“ klang bereits eine Spur weniger enthusiastisch.

„Danke. – Also Ihr anthropologischer Kollege wird Ihnen bestätigen, dass Medizinmänner in Ozeanien ihren Patienten das aufgezeichnete Zauberwort als Medizin eingeben.“

„Ist das nicht wirklich ein wenig weit hergeholt?“

„Eben leider nicht. Denn was wir Philosophen zu tun haben, ist nicht so verschieden davon. Wir befinden uns nämlich in der recht eigentümlichen und gewiss nicht beneidenswerten Lage, eine Praxis auszuüben, in der es die Zweiheit von Rezept und Mittel noch nicht gibt. Wir drehen Pillen aus Worten.“

„Bitte?“

„Ich sagte: Wir drehen Pillen aus Worten.“

Harmlos war die Situation von vornherein nicht gewesen. Und seit Professor T. mit diesem Tennisspiel von Frage und Antwort begonnen hatte, war sie von Sekunde zu Sekunde heikler geworden. Aber persönlich beleidigt war Professor T. noch nicht gewesen. Dazu war er noch viel zu sehr angetan von Dr. A.’s ersten Formulierungen und von dem Opfer, das dieser soeben der Philosophie gebracht hatte. Aber nun schien plötzlich etwas passiert zu sein. Es war wirklich Professor T.’s besonderes Pech, gerade bei einem Worte, das nicht aggressiv gemeint war, zusammenzuzucken. Offenbar schien ihm der Ausdruck „Pillendrehen“, gleich was er hier bedeutete, in sich bereits anstößig und respektlos. Nachdem er sich vergeblich im Saale umgeblickt hatte, legte er den Kopf schräg, wie um auf dem qui vive zu sein, und versuchte sich in einem befremdeten Tone, der völlig ungeübt und unglaubhaft klang. „Wie meinen Sie das?“

„Ich sagte nur“, wiederholte Dr. A. ausdruckslos, „wir drehen Pillen aus Worten.“
„Sehr sonderbar. Ich wüsste nicht, dass ich das täte.“

Die Hörer wurden ängstlich. Sie begriffen nicht das Geringste, alles war viel zu rasch gekommen.

„Dann wären Sie eine bemerkenswerte Ausnahme“, meinte Dr. A. unerregt. „Und woran Sie Anstoß nehmen, ist mir nicht ganz begreiflich. Für Philosophen in genere gilt die Behauptung jedenfalls. Ob wir zum Beispiel in Kants ,Kritik der praktischen Vernunft‘ ein Rezept sehen sollen oder die Pille selbst, könnte keiner beantworten. Oder können Sie es?“

Professor T. war unfähig zu antworten. Er fühlte sich auf ungreifbare Weise blamiert. Er kämpfte um seine Fassung.

„Hat man sich das aber einmal klargemacht“, fuhr Dr. A. fort, „dann bedeutet das, dass wir unseren Rezepten bereits die Qualität von Pillen mitzugeben haben … vorausgesetzt nämlich, dass es uns ernst damit ist, das Daseinsrecht unserer fragwürdigen Tätigkeit ,Philosophieren‘ wirklich zu rechtfertigen.“

„So rasch“, sprach Professor T. langsam, „kann ich dieses Rezept noch nicht schlucken.“ In einem älteren Herren in der ersten Reihe gewann er sich einen einsamen Lacher.

„Aber Herr Professor, so groß ist ja die Pille gar nicht. Der Unterschied, der hier zur Debatte steht, ist doch deutlich genug. Während z. B. für den pharmazeutischen Chemiker die sprachliche Fassung nur eine Anweisung darstellt für die Herstellung seines Produkts, ein Mittel zur Fabrikation seines ,Mittels‘, muss in unserer Arbeit der Text, den wir verfassen, selbst bereits das Mittel sein. In anderen Worten: Unsere Wahrheit haben wir schon in die Art unseres Sprechens zu verlegen, ins Pädagogische; und von vornherein, nicht erst nachträglich, dafür zu sorgen, dass nicht nur der Inhalt, den wir vermitteln, wahr sei, sondern schon das Übermitteln selbst … was ich eben in Ihrem Vortrag nicht recht habe finden können.“

Professor T. schluckte. „Und wie sollte das vor sich gehen?“

„Durch eine Art von ,adaequatio‘.“

„,Adaequatio‘ ist keine Neuigkeit.“

„Gewiss nicht. Mein Vorschlag ist sogar älter, als Sie vermuten. Denn was ich meine, ist nicht einfach die adaequatio von ,res‘ und ,intellectus‘.“

„Sondern?“

„Von Situation und Diktion.“

„Mir zu hoch.“

„Nicht hoch genug. Denn worum ich Sie bitte, ist ja, herabzusteigen. Jawohl, herab, Herr Professor. Herab bis aufs Straßenniveau unseres Alltagslebens. Dorthin, wo wir uns nicht darauf beschränken, über etwas zu reden, sondern wo wir auch zu jemandem reden.“

„Und was hat das mit Wahrheit zu tun?“

„Alles. Es wäre nämlich nicht nur sinnlos, sondern auch unwahr, zu jemandem – nennen wir ihn Mr. A. – über etwas – Tatsache A – zu reden, ohne dabei anzunehmen, dass es zu diesem Gegenstande A (oder dem über ihn ausgesagten Sachverhalt) gehöre, von Mr. A erkannt oder eingesehen zu werden; oder mindestens ohne anzunehmen, dass es zu Mr. A.’s Situation oder zu meinem Verhältnis zu Mr. A. gehöre, dass er über A Bescheid wisse. Im Alltagsleben gilt das als selbstverständliches Erfordernis. Wenn jemand redet, ohne dieses Erfordernis zu erfüllen, heißt er ein Schwätzer. Kurz, nur wo die drei Faktoren: das Geben, die Gabe und der nehmende – sagen wir: wahr-nehmende – Empfänger eine motivierte Einheit bilden, gibt es Wahrheit.“

„Für das alltägliche Reden ließe ich das vielleicht gelten“, meinte Professor T. „Aber für die Philosophie dürfte das doch einen etwas merkwürdigen Wahrheitsbegriff abgeben.“ Dabei blickte er sich von neuem im Hörsaal um, angestrengt lächelnd und um Lächeln bittend.

„Gewiss merkwürdig“, gab A. zu, ohne mit der Wimper zu zucken. „Eben merkwürdig und merkenswert wie alles Klassische. Sie werden ja nicht leugnen, dass die europäische Philosophie mit diesem Wahrheitsbegriff angehoben und in der Figur des Sokrates Fleisch und Blut angenommen hat. Und dass bei ihm das Geben, die Gabe und der Empfänger eine Einheit bildeten: die ,wahre Situation‘, in der selbst die Irrtümer der Lernenden noch Beiträge lieferten.“

„Schön. Und?“

„Und wenn eben diese drei Faktoren auseinanderfallen, dann verschwindet, scheint mir, die Wahrheitschance.“

„Das gilt natürlich mir“, erläuterte Professor T., der nicht gelernt hatte, sich besser zu verteidigen.

„Dass sich meine Worte auf Ihre beziehen, das liegt wohl auf der Hand. Die Tatsache, dass auch Sie das merken, entkräftet den Vorwurf nicht.“

Darauf wusste Professor T. nichts zu antworten.

„Denn wenn wir zum Beispiel eine moralphilosophische Einsicht, die ihrem Anspruch nach für alle verbindlich ist, in einer Diktion und in einer Situation formulieren, die die Entgegennahme durch den angeblichen Adressaten unmöglich macht, dann ,geben‘ wir falsch. Das Gesprochene widerspricht dem eigenen Anspruch: Und darin besteht eben die Unwahrheit der Situation. Und wenn wir uns immer wieder und grundsätzlich mit einer solchen Situation bescheiden oder uns sogar etwas darauf zugute tun, immer wieder und grundsätzlich solche Situationen herzustellen, dann beweisen auch wir Unwahrhaftigkeit, jedenfalls einen höchst eigentümlichen Unernst – auf welch respektables Alter der Brauch auch zurückblicken mag, und wie akademisch ernst wir uns dabei auch gerieren mögen. Vielleicht ist dieser Unernst wirklich ein Monopol der Universitätsphilosophie. Jedenfalls bleibt die moralische und gesellschaftliche Rolle des Philosophen, wenn er auf solch falscher Gebe-Situation beharrt, reine Einbildung und bloßer Schein … für einen solchen halte ich jedenfalls unsere heutige öffentliche Funktion. Vieles, was wir und unsere Kollegen zu sagen haben, mag zwar irgendwie ,gültig‘ sein. Aber dass unser Wort etwas ,gelte‘, können wir ja nicht behaupten. Wirklich zu ,sagen‘ haben wir ja auch nichts. Und letztlich sind wir, wenn wir unsere Postulate formulieren, um nichts weniger phantomhaft als Dramenkönige auf der Bühne, die höchst erstaunt, ja bestürzt wären, wenn jemand aus dem Publikum ihre Aufrufe beim Wort nähme. Nur dass die Schauspieler ehrlich den Schein ihrer Appelle zugestehen und sich den Schein bezahlen lassen, während wir beteuern, unsere Postulate, die wir durch die Esoterik unserer Sprache entkräften, wirklich zu meinen.“

Nun hielt es Professor T. nicht mehr aus. „Aber ich bitte Sie!“ rief er. „Wo wollen Sie da hinaus? Von dem respektablen Alter der Esoterik der Philosophie will auch ich nicht reden. Aber soll sich Philosophie vielleicht damit bescheiden, Popularphilosophie zu sein?“

„Nein.“

„Dann geb ich auf.“

„Gerade das nicht!“ rief Dr. A.

„Sieh mal einer an“, meinte nun Professor T. selbstgerecht. „Da scheinen Sie mir ja erheblich hochmütiger zu sein als ich. So mir nichts, dir nichts würde ich Popularphilosophie nämlich nicht verwerfen.“

„Das glaube ich Ihnen gerne.“

„Wie bitte?“

„Solange Sie sicher sind, Herr Professor, dass die Resteverwertung nicht in der eigenen Küche stattfindet, haben Sie wenig gegen sie einzuwenden.“

„Was meinen Sie mit dem Bilde?“

„Was es sagt. Dass die Popularphilosophie aus den Abfällen der Universitätsphilosophie besteht. Oder, wenn Ihnen das besser klingt: aus deren Resultaten, abgerahmt für die Ernährung jener, die an die reguläre Mahlzeit nicht herankommen. Der Begriff der Popularphilosophie setzt den Begriff und die Existenz der Universitätsphilosophie (und zwar als ,eigentliche Philosophie‘) voraus. Ja, mehr als das: Durch ihre Esoterik ist die Universitätsphilosophie an dem Aufkommen und der Qualität der Popularphilosophie schuld; indirekt, aber doch schuld. Den Begriff des ,Laien‘ gibt es schließlich nur dort, wo es den Begriff des Klerus oder des ,internen Kreises‘ gibt; und nur wo es eine esoterische Philosophie wie die unsere gibt, stellt sich auch Popularphilosophie ein.“

Professor T. zuckte mit den Schultern und murmelte „Tautologie“.

„Vielleicht. Aber entscheidend ist, auf Grund wovon diese zwei Gruppen existieren. Über die Undeutlichkeit der Figur des Laien will ich mich hier gar nicht auslassen. Obwohl dunkel bleibt, welchen Teil des populus wir als Konsumenten überhaupt meinen, wenn wir von Popularphilosophie sprechen.“

„Dass das eine soziologische Untersuchung erfordern würde, will ich nicht bestreiten.“

„Danke. Aber was hier zur Debatte steht, ist ja nicht der Laie, sondern allein der Klerus … also wir, die Esoteriker der akademischen Philosophie. Und unsere Esoterik scheint mir eben unecht. Und zwar deshalb, weil als ,echt‘ nur diejenige Esoterik glaubhaft ist, die Funktion einer gesellschaftlichen Sonderstellung ist; die als arcanum, als monopolisierter Wissenszugang oder geheimes Wissenseigentum andere, reellere Vorrechte widerspiegelt. Tatsächlich war ja Esoterik auch immer Sache von geschlossenen ,Kreisen‘. Verglichen mit dieser Normalform scheint mir die Esoterik der heutigen Philosophie etwas ganz Widersinniges. Denn sie ist Esoterik ohne Privileg, ohne Geheimnis, ja, ohne wirklichen Zusammenschluss der Teilnehmer. Unsere Interessenvereine, die sich soziologisch in nichts von denen der Gymnastiklehrer oder der Zierfischzüchter unterscheiden, die sich einmal jährlich auf Kongressen treffen, kann man ja schließlich nicht als echte Gemeinschaft anerkennen. Wir bilden nicht nur keine soziale Elite, sondern noch nicht einmal eine kohärente Gruppe. Wir schreiben zwar esoterisch, aber im vollsten Lichte der Öffentlichkeit.“

„Wieder einmal reichlich übertrieben“, rief Professor T. Dass er sich etwas Bestimmtes bei seinem Zwischenruf vorstellte, glaube ich kaum. Vermutlich wollte er nur ganz im Allgemeinen bremsen. Was er sich da wieder einbrockte, ahnte er so wenig wie in früheren Fällen.

Denn Dr. A. stimmte ihm enthusiastisch zu. „Vollkommen richtig!“ rief er. „Und damit berühren Sie wirklich einen neuen Punkt! Auf dankenswerteste Weise, Herr Professor! Einen außerordentlich wichtigen sogar!“

Professor T. erschrak.

„Denn dass wir im vollsten Lichte der Öffentlichkeit esoterisch sind, kommt ja tatsächlich nur durch Zufall, nur in den seltensten Fällen vor. Gewöhnlich nimmt ja die Öffentlichkeit kein so großes Interesse daran, uns mit ihrem Lichtkegel anzublenden … womit ich sagen will, dass wir nur deshalb im Dunkel unserer Esoterik zu sitzen pflegen, weil der Lichtkegel der Öffentlichkeit uns auslässt. Aber dieses Ausgelassensein bedeutet natürlich nicht echte Esoterik. Noch lange nicht. Echte Esoterik entsteht nicht durch Ignoriertwerden, sondern durch ein positives Verhalten des esoterischen Kreises selbst. Dadurch, dass die Esoteriker sich und ihr ,Eigentum‘ als ,Geheimnis‘ gegen die Außenwelt abblenden, die Macht dazu haben und das anerkannte Recht darauf ausüben. Wie gesagt: Diesen Bedingungen entspricht unser Fall nicht. Wenn wir Esoteriker sind, so einzig von Gnaden – richtiger von Ungnaden – der Interesselosigkeit, die man uns entgegenbringt.“

„Und aus dieser Not“, widersprach Professor T. feierlich, „eine Tugend zu machen …“

„Gewiss“, unterbrach Dr. A. „Derartiges hat es gegeben. Aber ob die Beispiele Ihnen recht sein würden?“

„Welche Beispiele?“

„Also wirklich die Not zur Tugend gemacht haben zum Beispiel die Bohemiens.“

Professor T. glaubte nicht recht gehört zu haben.

„Die Bohemiens des vorigen Jahrhunderts. Die machten ja wirklich etwas aus der negativen Esoterik. Einen Lebens-, ja einen Kunststil. Die Not ihrer sozialen Unverwendbarkeit verwandelten sie in die Tugend der Apartheit. Und manche von ihnen, wie Baudelaire, wurden ja wirklich die Großsiegelbewahrer der Abseitigkeit, in die sie gedrängt waren.“

„Ach so“, meinte Professor T., eine Spur erleichtert, denn Baudelaires Name galt auch ihm bereits als universitätsfähig.

„Aber ein solches ,apartes Leben‘, ein solches Leben à part, führen wir ja gar nicht. Und, stolz auf unsere Weltoffenheit, wollen wir ja ein solches Leben gar nicht führen. Wir füllen ja bestimmte öffentliche Ämter aus: als Teil der Bevölkerung, nicht neben der Bevölkerung. Also coram publico.“

„Gottseidank“, sagte Professor T.

„Wie man’s nimmt“, meinte Dr. A. „Denn damit nehmen wir das onus auf uns, als Teil des Publikums, coram publico, Esoterik zu treiben. Und das, Herr Professor, ist eben widersinnig. Und das, Herr Professor, ist es eben, worauf ich abzielte, als ich zu sprechen begann.“ Er machte eine Pause, wartend blickte er auf sein Opfer.

Die Situation war außerordentlich peinlich. Denn Professor T. saß nun wirklich hilflos da. Und aus seinen halben Gesten, die aussahen, als wollte er sagen: dazu ließe sich manches bemerken, entwickelte sich nicht ein einziger Satz. Dr. A. ließ die Blamage nicht zu lange dauern. Und als er, übrigens höflich, das Wort von neuem ergriff, musste man ihm dafür noch dankbar sein.

„Ich will gar nicht behaupten“, sprach er, „dass ich Recht haben muss. Vielleicht sind Sie in der Lage, mir wirkliche Privilegien zu nennen … Privilegien, in denen Sie Ihre Esoterik fundieren können. Dann liegt die Sache natürlich ganz anders.“

Die Provokation war unangenehm genug. Aber noch unangenehmer war es, von neuem mitanzusehen, mit welcher naiven Promptheit Professor T. wieder auf den Köder anbiss. Vermutlich war er wirklich überzeugt davon, den Eindruck seiner Hilflosigkeit sofort wieder auslöschen zu können. Plötzlich stemmte er sich gegen die Pultplatte, warf seinen Kopf nach hinten, und man sah, dass er im Begriff war, eine programmatische Erklärung abzugeben. Die Erregung, die nun im Publikum entstand, wäre einer besseren Sache würdig gewesen. „Privilegien“, fragte Professor T. in feierlicher Strenge zurück, „Privilegien?“ Er schüttelte den Kopf. „Nein, Herr Doktor, damit kann ich nicht dienen. Gottseidank nicht. Und wenn ich mich dabei ertappen würde, heimlich welche zu beanspruchen, ich würde mich ihrer schämen und sie sofort ausrotten. Mit Stumpf und Stiel. Denn wir sind Menschen wie andere. Und mächtig stolz sind wir darauf, nichts zu sein als das. Ich hoffe bei Gott, Sie nehmen sich davon nicht aus!“

Drei Hörer klatschten. Einer von ihnen war Dr. A. „Im Gegenteil“, antwortete er dann. „Mir hinterrücks Vorrechte anzueignen, um unsere Esoterik ehrlich zu machen, liegt mir ja ganz fern. Darum spreche ich ja. Worauf ich hinsteuere, ist ja gerade das Gegenteil: die Abschaffung unserer Esoterik, weil sie mir ohne Privilegien eben basislos erscheint. Unsere Stellung ist ja wirklich nichts Besonderes. Was sind wir denn schon? Lehrer unter Lehrern! Und obwohl wir, unserer Thematik nach, eigentlich über alles etwas zu sagen hätten … und zwar angeblich das Höchste, Tiefste oder Grundsätzlichste, haben wir ja gar nichts ,zu sagen‘.“

„Genauso viel“, skandierte Professor T., mit seinem Bleistift auf das Pult klopfend, „und genauso wenig wie jeder andere.“

„Richtig. Und das bedeutet: Wenn wir berechtigt sind, dies und jenes oder sogar vieles zu sagen, so nicht, weil wir Philosophen wären, sondern weil wir eben auch Mitbürger sind. Auch.“

„Sehr richtig. Auch. Nur deshalb.“

„Das heißt also: Unsere Wahrheiten haben nur das Recht von Meinungen.“

„Jede Meinung, Herr Doktor, hält sich für Wahrheit.“

„Richtig. Das ist die Wahrheit über die Meinung.“

„Also.“

„Was Sie vertreten, ist aber die Umkehrung dieser Feststellung.“

Professor T. zog die Brauen zusammen.

„Wenn Sie für Wahrheiten nur die Rechte der Meinungen in Anspruch nehmen, dann bedeutet das, dass Sie Wahrheiten nur so viel Recht geben wie diesen, also dass Sie Wahrheiten nur noch für Meinungen halten. Das ist der Selbstmord aller philosophischen Bemühung. Auf jeden Fall ist es aber der programmatische Verzicht darauf, noch irgendetwas zu sagen zu haben.“

„Zu sagen, zu sagen!“, ereiferte sich Professor T. nun von neuem, „was Sie nur mit diesem ,zu sagen‘ wollen! Wünschen Sie denn wirklich, etwas zu sagen zu haben? Im unphilosophischen Alltagssinne, meine ich?“

„Sehr dankenswert, Herr Professor, dass Sie das selbst aufs Tapet bringen. Der Ausdruck ,unphilosophisch‘ kommt mir freilich ein bisschen überraschend. Plato zum Beispiel hätte gern etwas zu sagen gehabt, im ,unphilosophischen Alltagssinne‘, wie Sie es nennen; für sein Leben gern sogar. Zu dem Zweck ging er nach Sizilien. Oder meinen Sie, er habe den ,Staat‘ von vornherein im Konjunktivus irrealis gemeint? Und die Gesetze, die er in Betracht zog, als reine ,Betrachtungen‘?“

„Ausnahmefall.“

„Ausnahmefall vielleicht. Aber trotzdem der Grundfall. Auch wenn Neunundneunzig im Konjunktiv schreiben, und Einer im Indikativ, bleibt der der Grundfall. Ist der Minnesänger, der Liebesgedichte nur deshalb singt und singen darf, weil er weiß, dass der Gegenstand seiner Anhimmelung für seine Nächte nicht in Frage kommt … ist der vielleicht der Normalfall? Ebenso ist der Moralphilosoph, der seine Postulate formuliert, ohne ernsthaft auf deren höchst exoterische Verwirklichung abzuzielen, bereits der Verkümmerungsfall. Jawohl, auch dann, wenn es der allgemein verbreitete Fall ist.“

„Der Gedanke“, erwiderte Professor T., und er blickte nicht ohne Würde im Kreise herum, „der Gedanke, dass das Allgemeinverbreitete den Verkümmerungsfall darstellen soll, macht mich grundsätzlich misstrauisch.“

„Was Sie da sagen, das klingt zwar sowohl nach Demokratie wie nach methodischer Vorsicht, ist aber das Argument, das die Doxa, der Aberglaube, der common sense, die öffentliche Meinung gegen die Philosophie bereitzuhalten pflegen. Dass das Argument stets auf eine captatio benevolentiae, und zwar auf das Wohlwollen der Ignoranten, abgezielt hat, und dass es stets ein Versuch des Geistes gewesen ist, sich beim Nichtgeist einzuschmeicheln, das werden Sie ja nicht bestreiten wollen. Durchsichtig ist es mir nicht gerade, wie man dieses Argument mit der Verteidigung der Esoterik verbinden kann. Mich persönlich würde dieser Widerspruch stören. Aber vielleicht ist es eben eine Tröstung für Sie, dass auch diese Verbindung sehr allgemein verbreitet ist.“

„Tröstung?“, wiederholte Professor T., der nicht begriff, welche ihm unbekannte Qual Dr. A. ihm da unterstellte.

„Schon gut“, meinte Dr. A. „Wichtig ist mir allein der Gedanke, dass unsere Esoterik zuweilen nichts anderes ist als der Ausdruck dafür, dass wir nichts zu sagen haben wollen. Also nichts anderes als das Eingeständnis unseres Verzichtes auf Wirksamkeit. Einem solchen Verzicht haben Sie ja nun wirklich einige Male Ausdruck gegeben. In diesem Fall ist Esoterik also, im Unterschiede zum Normalfall der Esoterik, nicht Zeichen der Macht, nicht Zeugnis einer privilegierten Gruppe, sondern umgekehrt Beteuerung der eigenen Harmlosigkeit. ,Seht, wie schön unverständlich wir schreiben‘, scheinen wir zu beteuern. Oder: ,Wer wird auf unsere Rede schon hören?‘ Kurz: Wir berufen uns auf Narrenrechte.“

Professor T. machte eine empörte Geste.

„Meinen Sie die, wenn Sie für die Esoterik unserer philosophischen Sprache plädieren? Die schlechteste Rechtfertigung wäre das nämlich nicht. Dass derartiges oft nötig, und die Undurchsichtigkeit der Tarnungsmittel oft geboten war; und dass im Laufe der Jahrhunderte vieles Wichtige nur verbrämt mitgeteilt werden konnte, weil es, nackt ausgesagt, samt Sprecher sofort verbrannt worden wäre, das haben wir ja erlebt. Vielleicht ist es sogar erlaubt, darin die wirkliche Rechtfertigung der Esoterik der philosophischen Sprache zu sehen. Ich hoffe, Sie verstehen, Herr Kollege: Es ist wirklich ein neuer Punkt, den Sie da aufs Tapet gebracht haben. Esoterisch ist ja nicht nur die Sprache der privilegierten Gruppen, sondern auch die der gefährdeten oder der konspirativen.“

Professor T.’s Gesicht wurde immer abweisender. „Ich wüsste nicht, dass ich einen solchen Punkt aufs Tapet gebracht hätte.“

„Dass wir grundsätzlich konspirativ wären“, gab Dr. A. scheinbar beruhigend zu, „zu dieser Behauptung wollen wir uns ja gar nicht versteigen. Obwohl etwas Ähnliches natürlich kaum bestritten werden kann. Nämlich dass Philosophie grundsätzlich Opposition ist, Abweichung von der Doxa, Suspendierung der herrschenden Meinung, damit also, seit Sokrates, der dafür hat büßen müssen, Kritik der hinter dieser stehenden Herrschaft; und dass deshalb die Schwierigkeit des philosophischen Idioms als prophylaktisches Mittel und als Alibi berechtigt ist. Jawohl, wirklich berechtigt. Vermutlich hatten Sie das gemeint, Herr Kollege, als Sie die Esoterik verteidigten?“

Professor T.’s Gesicht wurde noch abweisender.

„Denn natürlich würde auch ich, wenn man mich vor die Wahl stellen würde, Wahrheiten, die mir am Herzen liegen, entweder ein für alle Mal unter den Tisch fallen zu lassen oder sie, mindestens vorübergehend, in einer Geheimsprache auszudrücken, für das Letztere plädieren. Jawohl, ich auch.“

Dr. A. hatte sein Spiel schon längst zu weit getrieben. Die unehrliche Solidarisierung des „ich auch“ war wirklich glatte Unterstellung. Professor T. hatte nichts von „konspirativer Esoterik“ gesagt. Kein Wunder, dass er nun wirklich feindselig wurde, und dass er seine Worte ausschließlich an die Hörer richtete.

„Noch einmal möchte ich betonen“, sprach er bebend vor Gekränktheit, „dass ich nicht sehen kann, inwiefern Dr. A.’s Ausführungen den entferntesten Bezug auf meine Person oder auf meine, heute Abend hier gemachten, Ausführungen haben sollten.“ Das war sein letzter Beitrag zur Diskussion. Die zitternde Bewegung, mit der er sein Manuskript zufaltete, um es in seine Tasche zu schieben, war von ostentativer Endgültigkeit.

Wie gesagt, auch Dr. A. hätte nun wirklich Schluss machen sollen. Vermutlich war er der einzige, der nicht spürte, wie rapide sich die Stimmung, die im Anfang amüsiert und noch lange ohne Animosität gewesen war, gegen ihn zusammenzog. Rücksicht darauf nahm er jedenfalls nicht. Zwar spielte er noch einmal den höflich Verblüfften, denn er machte eine scheinheilig um Entschuldigung bittende Geste und meinte dann: „Herr Professor, ich fürchte tatsächlich, dass Sie da Recht haben. Auf dieses Esoterikmotiv kann sich ja das durchschnittliche akademische Philosophieren, so wie es zum Beispiel heute Abend hier getrieben wurde, wirklich kaum berufen.“ Nach diesen Worten wandte aber auch er sich nun endgültig den Zuhörern zu. Und wenn er Professor T.’s Gegenwart noch anerkannte, so höchstens als Illustration. Der Krieg war nun offen. „Meine Herrschaften“, sprach er also, „es ist klar, dass die letzte Feststellung unser Problem vollends rätselhaft gemacht hat. Denn sie bedeutet, dass unsere Universitätsphilosophen die harmlosesten Probleme … Probleme, die den öffentlichen Streitpunkten viel zu ferne liegen, als dass sie mit diesen zusammenstoßen könnten … und solche, die herrschenden Ansichten nicht zuwiderlaufen, so verkünstelt formulieren, als wären sie oppositionelle. Wie sollen wir uns das erklären?“ Und mit einer winzigen Geste, der man ansah, dass sie direkt auf Professor T. gewiesen hätte, wenn sie nicht im letzten Augenblick zurückgefallen wäre: „Meinen Sie, dass wir Universitätsphilosophen versuchen, uns durch das Vokabelgestrüpp, das wir vielleicht aufrichten, vielleicht doch ein Minimum und einen letzten Schein von konspirativer Ehre zu verschaffen? Meinen Sie das?“

Die Augen der Anwesenden wanderten erschreckt vom einen zum anderen. Auch Professor T. reagierte nicht mehr in Worten. Die Brille, die in seiner Linken lag, klapperte gegen die Pultplatte. Und obwohl seine Versuche, mit der gleichfalls zitternden Rechten seine Linke stillzulegen, die Sache nur noch schlimmer machten, gab er sein Bemühen nicht auf.

„Oder meinen Sie vielleicht“, fuhr Dr. A. in unbekümmerter Rohheit fort – und wieder machte er jene Bewegung, die er im letzten Momente zurücknahm. „Meinen Sie, wir verwenden vielleicht unser esoterisches Idiom, um vor den ,Laien‘ zu verbergen, bis zu welchem Grad, bis zu welchem beschämenden Grade, unsere Philosopheme sich mit den herrschenden Meinungen decken? Mehr mögliche Motive für Esoterik kann ich mir beim besten Willen nicht ausdenken. Ist es das vielleicht?“

Nach dieser Unverschämtheit gab Professor T. endlich seine äußere Ruhe auf. Er überließ seine Hände ihrem Schicksal. Und als er endlich aufblickte, war er weiß im Gesicht.

„Ich brauche wohl nicht hinzuzufügen“, schloss Dr. A., „dass es sich auch in diesem Falle um ein Alibi handeln würde. Wenn natürlich auch um ein Alibi anderer Art. Was wir in diesem Falle zu beweisen versuchten, wäre das Mindestmaß von Anderssein und Dunkelheit, das unsere Konsumenten, wenn sie sich schon Philosophen halten, von uns erwarten, um unserer Kompetenz Respekt schenken zu können, und um durch Nichtverstehen auf ihre Kosten zu kommen. Ist es das vielleicht?“
__asterisk.png__ 

Damit hatte Dr. A. erst einmal seine Arbeit abgeschlossen. Der Berg der Beleidigungen lag mannshoch angehäuft. Ihn freilich schien die Arbeit keinen Schweißtropfen gekostet zu haben. Er stand unangestrengt da und mit arglos-interessiertem Ausdruck, ganz so, als hätte er ein paar nette Auskünfte erbeten und erwarte nun gefällige Antworten. Dass die für Professor T. nicht mehr in Betracht kommen konnten, wusste er natürlich besser als jeder andere. Was freilich stattdessen geschehen würde, ahnte auch er nicht. Aber was konnte ihm schon passieren? Da geschah es.

Umständlich erhob sich Professor T., machte zwei, drei unsichere Schritte, und jeder war überzeugt, er würde den Raum nun verlassen. Stattdessen blieb er stehen und vollführte eine tiefe Verbeugung, die er mit einer Einladungsgeste von geradezu chinesischer Höflichkeit begleitete. „Herr Doktor“, fragte er dann mit etwas krächzender Stimme, „wollen Sie nicht vielleicht Ihr peinliches Verhör lieber von hier aus fortsetzen?“

Aller Usus akademischen Lebens war über den Haufen geworfen. Die Spannung war ungeheuer. Aber leider war Professor T. seiner phantastischen Handlung nicht gewachsen.

Eine Sekunde lang war auch Dr. A. zusammengezuckt. Aber nur in einem Teil seines Gesichts, das im Ganzen liebenswürdig blieb. Mir schien sogar, dass dieses Wetterleuchten nicht eigentlich ein Reflex war, sondern eine willentliche Maßnahme, die er traf, um sich in einen anderen Gang einzuschalten, um eine andere Attitüde und einen anderen Tonfall einzustellen. Und das glückte ihm vollständig. Der Ton, in dem er nun sprach, war ein ganz neuer, er klang begütigend und eigentlich so, als gälte er einem Kranken. „Aber Herr Professor“, sagte er ungläubig, „ich bitte Sie. Sie beschämen mich ja. Für eine Diskussionsbemerkung, die ich zur Diskussion stelle!“ Und nun beinahe vertraulich: „Den Platz wechseln? Dass ich dadurch meiner Frage Autorität verschaffen soll oder meinen Meinungen Wahrheitsanspruch, das können Sie doch nicht im Ernst meinen. Wenn die hier unten falsch sind, sind sie das dort oben dann nicht gleichfalls?“

Mehr als seine chinesische Verbeugung und die erste sensationelle Einladungsformel hatte Professor T. offenbar nicht vorbereitet. Dass er sich ein bestimmtes Bild von der Peripetie gemacht hätte, ist mir ganz unwahrscheinlich. Aber wenn er sich eine vorgestellt hatte, schon jetzt war er um sie betrogen. Eine Antwort wusste er nun nicht mehr. Der Ballon platzte nicht, er schrumpfte lautlos zusammen. Statt zu entgegnen: „O nein, Herr Doktor, Sie irren aber gewaltig! Hier oben würde das Licht Ihrer Unwahrheiten noch unvergleichlich heller strahlen“, und dann ostentativ durch die nahe Dozententür den Saal zu verlassen – stattdessen ließ er stumm die Arme sinken. Und nachdem er einen Augenblick lang herzzerreißend ratlos dagestanden hatte, machte er das Maß seiner Fehler voll und kehrte, zum ungeheuren Erstaunen aller, zu seinem Pult zurück.

Dass Dr. A. „na also“ sagte, und zwar, da sein Triumph vollkommen war, ganz leise und bescheiden, das war so folgerichtig, dass er damit nicht einmal mehr Anstoß erregte.

Professor T. aber saß nun wie am Pranger, ins Gesicht sehen konnte er niemandem, sein Blick ruhte zwar auf seinen Händen, aber dass er diese wahrnahm, glaube ich nicht. Wie ein Greis, für den mitzureden ohnehin schon nicht mehr in Frage kam, ließ er seine Unterlippe hängen. Am auffälligsten aber war, dass selbst sein Beben nun nachließ und bald ganz aufhörte. Selbst diese letzte verzweifelte Lebendigkeit schien also, nachdem sein Abenteuer zusammengebrochen war, seinen Körper verlassen zu haben.

Dass Dr. A. nach diesem Siege so tun konnte, als ob nichts geschehen wäre, bewies wohl weniger Kraft als rohe Nonchalance … wie denn seine Wahrheitsliebe überhaupt nichts anderes zu sein scheint als eine Variante von Rohheit. Ganz beiläufig hob er, der noch immer stand, den Fuß auf seinen Sitzplatz, wohl nur um es sich bequemer zu machen oder zu beweisen, wie wenig ihn das alles tangierte. Aber für einen Augenblick konnte ich mich der Illusion nicht erwehren, er setze ihn seinem Opfer auf den Nacken. Und als er in seine Hand hüstelte, um die Fortsetzung seiner „Diskussionsbemerkung“ zu annoncieren, hingen die Studenten sofort an seinen Lippen. Den Professor, der auf erhöhtem Sitz jämmerlich vor ihm thronte, erkannten sie ebenso wenig mehr an wie dessen Vortrag. Und dass das endgültige Thema des Abends nun „Esoterik der philosophischen Sprache“ und nicht „Moral als Kulturwert“ hieß, fiel niemanden mehr auf.

„Ich hatte einen Argwohn ausgesprochen“, nahm also Dr. A. seine Rede wieder auf. „Den Argwohn, dass die Esoterik unserer Sprache vielleicht nicht dadurch entstehe, dass wir selbst uns einzäunen, sondern dadurch – ich weiß, das klingt widerspruchsvoll –, dass wir den Bitten der Nichtphilosophen entgegenkommen. Was meine ich mit dieser befremdlichen Hypothese?

Dass die Welt der Nichtphilosophen etwas von uns erwartet, ein ,tiefes‘ oder ,hohes‘ oder ,gehaltvolles Kulturgebiet‘ … eben das Kulturgebiet ,Philosophie‘, auf das sie stolz sein möchte, so stolz wie auf andere Kulturgebiete; und dass wir diesem Wunsch entgegenkommen. Und zwar tun wir das dadurch, dass wir, wie gesagt den Nichtphilosophen zuliebe, unser Gebiet mit Palisaden umgeben und entsetzlich schwer zugänglich machen. Denen zuliebe errichten wir vor unseren Revieren, auch wenn diese nichts sind als platteste Gegend, Warnungstafeln mit Aufschriften ,Vorsicht!‘, ,Antinomische Abgründe!‘, ,Zutritt zur Transzendenz nur unter Lebensgefahr!‘, ,Nur für Verwegene und Berufssteiger!‘ und dergleichen … Schilder, vor denen sie dann stehen bleiben, voll Ehrfurcht und Angst, aber doch auch voll Selbstbewusstsein: Denn dass ihre eigene Heimat mit derart verbotenen alpinen Partien aufwarten kann, das schmeichelt ihrem Lokalstolz.

Natürlich will ich damit nicht sagen, dass wir diesen Betrug bewusst begehen, dass wir die anderen oder uns selbst willentlich irreführen.“ Und mit jener kleinen Bewegung, die beinahe auf Professor T. gezeigt hätte: „Individuellen Philosophen werfe ich also nichts vor. Wenn sich jemand persönlich gekränkt fühlen sollte, so ist das zwar bedauerlich, aber glücklicherweise nur die Folge eines aufklärbaren, hiermit aufgeklärten, Missverständnisses. Denn mein Argwohn ist grundsätzlich. Nicht einzelne bezichtige ich, sondern die Universitätsphilosophie als ganze. Also mich selbst genauso gut wie jeden anderen ihrer Vertreter. Da es aber widersinnig wäre, in der Universitätsphilosophie eine moralische ,Person‘ zu sehen, die man wegen Fälschung zur Rechenschaft ziehen könnte, kann – ich betone diesen Punkt noch einmal – von Vorwürfen eigentlich keine Rede sein … womit wohl der letzte Rest von Verstimmung, die der heutige Abend hervorgebracht haben mag, aus der Welt geschafft wäre.“ Er machte eine Pause und schien darauf zu warten, dass seine Entschuldigung akzeptiert werde.

Die Blicke des Publikums wanderten fragend zum Pulte.

Aber der dort saß, der war kein Philosoph mehr, der zu dieser „Entschuldigung“ hätte Stellung nehmen können. Auch kein Professor. Sondern einfach ein armer Mann, der die langsam verrinnenden Sekunden seiner Schande absaß.
 

Nachdem er so dem Publikum Zeit gegeben hatte, die völlige Reaktionslosigkeit Professor T.’s in sich aufzunehmen, blickte Dr. A. auf seine Armbanduhr, entschuldigte sich, während er sich den Mantel über den Arm warf, eilen zu müssen, der Zug ginge in fünfzehn Minuten, und verließ, den ganzen Saal nach hinten durcheilend, die Versammlung, ohne dieser Zeit zu lassen, zu applaudieren oder anderswie ihrer Stimmung Ausdruck zu geben. Für einige Sekunden war das Publikum durch den raschen Exit im rechten Augenblick zwar verdutzt. Aber vermutlich hatte Dr. A. sehr genau gewusst, dass gerade sein plötzliches Fehlen seine Macht umso deutlicher fühlbar machen würde. Wirklich setzte nach der ersten Verblüffungssekunde ein in diesem Kreis ganz ungewöhnlich erregtes Gemurmel ein. „Was für ein Kerl!“ stöhnte meine Nachbarin zur Linken, und es dauerte eine Weile, ehe man sich entschließen konnte, aufzubrechen. Mit dem Professor gingen nur ein paar Professoren. Die Jüngeren – und ihnen schloss ich mich aus Neugierde an – verbrachten noch zwei, mit verworrenem Diskussionsgeschrei erfüllte Stunden in einem benachbarten Lokal.
 

Günther Anders: His-Dur

Die Irritiertheit zwischen Adorno und mir begann an dem Abend im Jahr 30, an dem ich ihn, gerade in Frankfurt zu einem Vortrag angekommen, auf einem Kostümball der Philosophischen Fakultät kennenlernte. Und zwar dadurch, dass ich ihm „kostümiert“ vorwarf, dass alles, was ich von ihm kenne, in His Dur notiert gewesen sei. Er verstand das blitzartig. Als der unmusikalische Tillich fragte: „in was?“ und ich die Erklärung verweigerte, weil deren Verständnis große technische Kenntnis voraussetzte, entstand eine sekundenlange Komplizität zwischen Adorno und mir. Länger als ein paar Sekunden währte seine Dankbarkeit freilich nicht.
Diese Ambivalenz der Beziehung hat bis zum Ende angehalten.
 

Günther Anders: Nach dem Vortrag

Fortsetzung des Dialogs über Esoterik

Zusammen mit etwa 30 Hörern, fast durchweg Studenten. Zweistündige Diskussion, wenn man das Geschrei so nennen darf. Denn sie waren aufgeregt, wenn nicht sogar fasziniert. Aber wohl mehr durch A.’s anmaßendes Auftreten als durch seine Argumente. Paradox: Während sie ihren täglichen (in ihrem esoterischen Schulidiom gehaltenen) Vorlesungen ohne Umstände folgen, hat ihnen A.’s vor-fachliche Sprache die größten Schwierigkeiten bereitet. Die meisten sprechen quer, gegen Thesen, die A. gar nicht vertreten hatte. Auffällig war es auch, wie oft sie für ihn zu sprechen meinten, wenn sie ihn in Wirklichkeit gegen ihn wandten; und gegen ihn zu reden meinten, wenn sie ihn wiederholten.

__asterisk.png__ 

„Kulturzertrümmerung!“ regte einer sich auf. („Ein Gymnasiallehrer“, kommentierte flüsternd mein Nachbar.) „Jawohl, Kulturzertrümmerung! Darauf läuft diese Attacke heraus!“

Da stand mein Nachbar auf. „Kulturzertrümmerung“, wiederholte er. „Aber vielleicht gibt es Kulturerscheinungen, die wie Perlen sind: weil sie wesentlich nur aus Wunden entstehen. Wenn das wahr wäre, entstünde die Frage: ,Was ist vorzuziehen: Wundenlosigkeit ohne Perlen oder Wunden mit Perlen?‘“

„Mir zu hoch!“ brummte der Oberlehrer.

„Denken Sie doch nur an die Idee Marxens, dass Philosophie (die er freilich mit Hegel bzw. dem Übersinnlichen gleichsetzte) nur solange einen Daseinsgrund habe, als eine herrschende Klasse daran interessiert sei, sich auf übersinnliche Autorität zu berufen; und dass sie in demjenigen Moment zu versiegen beginne, in dem es keine, sich auf Übersinnliches berufende herrschende Klasse mehr gebe; also auch kein Klassengefälle. Dass er in der Zweiheit der Klassen die Barbarei sah, da sie die Mehrzahl der Menschen der ,Menschheit‘ (im kantischen Sinne) beraubte, das ist Ihnen ja bekannt. Also konnte ihm die Aufhebung (oder wie Sie sagen: ,Zertrümmerung‘) der Philosophie als notwendige Konsequenz der Kultur erscheinen.“

„Und dieser These stimmen Sie zu?“

„Sie scheint mir sowohl zu weit als auch zu eng.“

„Das nenne ich vielseitig“, meinte der Professor.

„Zu weit: Weil in ihr – was zu Marxens Zeit schließlich begreiflich war – Hegel und Philosophie überhaupt identifiziert sind. Und ganz im Sinne des neunzehnten Jahrhunderts außerhalb der Alternative von Metaphysik und Naturwissenschaften keine Möglichkeit von Philosophie gesehen wird. Der Typus einer auf Übersinnliches verzichtenden Philosophie, wie sie seit 75 Jahren (oder wenn man sogar Marx dazurechnet, seit hundert Jahren besteht) ist nicht einkalkuliert.“

„Die beruht also nicht auf der Spannung?“

„Nein. – Sartres Philosophie z. B. nicht mehr. Denn obwohl diese zugestandenermaßen noch zur bürgerlichen Tradition gehört, ist sie bereits aus dem Gefühl heraus entstanden, Philosophie einer nicht herrschenden, der ausgespannten Klasse zu sein. Wenige Probleme stehen für ihn so im Vordergrund wie das, wie er als nichtbürgerlicher Autor zu Nichtbürgerlichen reden könnte. Und siehe da: Da die Spannung zwischen herrschender Klasse und beherrschter in seiner Philosophie nicht mehr lebendig ist, ist das Übersinnliche (in Marxens These das Merkmal der Philosophie) bei ihm tatsächlich ebenfalls verschwunden.“

„Und inwiefern ist die Theorie zu eng?“

„Weil das Verkümmerungsproblem wohl ein Kulturproblem, nicht ein Philosophieproblem ist. Mir scheint jedenfalls, dass das meiste, was wir im vorigen Jahrhundert und im ersten Viertel dieses Jahrhunderts ,Kultur‘ genannt haben, sein Bestehen vor allem der ,Differenz‘, dem ,Gefälle‘ zwischen Gruppe und Gruppe verdankt. Glauben Sie, dass zum Beispiel das Mitleidspathos Wagners ohne das Aufkommen des industrialisierten Elends geschichtlich möglich und so eindrucksvoll gewesen wäre? Gilt nicht das Gleiche von Nietzsches Rechtfertigung des Herren-Ideals? Zufällig herausgegriffene Beispiele. Stimmt aber die These im Prinzip, dann ist es äußerst fraglich, ob man die aus der Situation der Spannung oder des ,Gefälles‘ entstandenen Produkte von dieser ihrer Ursprungssituation einfach abschneiden kann und dem Massenkonsum übergeben darf. Dass man das ,kann‘, daran besteht kein Zweifel. Aber ob es sich dann noch um ,Kulturprodukte‘ handelt, das ist die Frage. Ich entsinne mich, einmal ein ursprünglich für Einzelstimme gesetztes Lied ,Lob der Einsamkeit‘ für gemischten Chor gesetzt gehört zu haben. Die Besitzergreifung dieses Liedes zerstörte das Lied im Prinzip. Und so mag es oft geschehen, wenn Werke popularisiert werden.“

Der Professor grinste über sein ganzes Gesicht. „Aber ich bitte Sie“, meinte er, „da sprechen Sie ja gegen die Popularisierung!“

„Ich spreche gegen die naive Annahme, dass ein dem Massenkonsum übergebenes ,Kulturgut‘ durch diesen seinen Massenkonsum nicht modifiziert werde. Aber glauben Sie nur nicht, dass ich damit automatisch die ausschließlich esoterische Beschäftigung mit diesem Gute verträte. Die modifiziert ihren Gegenstand nämlich ebenfalls. Wenn eine ,Wahrheit‘ oder ein Kunstwerk, das zur Zeit seiner Entstehung einen bestimmten sozialen Spannungskoeffizienten enthalten hatte, ja diesem seine Entstehung verdankt hatte, nun, aller dieser Spannung beraubt, in der Einsamkeit studiert und angeeignet (,konsumiert‘) wird, wird es gleichfalls zu etwas ganz ,Anderem‘.“

„Verstehe ich nicht.“

„Eine Analogie: Nehmen Sie an, Sie beschäftigten sich als Kunsthistoriker mit den Würdekostümen einer Epoche. Dass die Pracht der Repräsentationskleidung nur aus der Spannung zwischen den ,in Ansehen‘ stehenden Trägern und den unansehnlichen Zuschauern begreiflich ist, geben Sie zu.“

Das gab er zu.

„Dass es, wo es keine offizielle Hierarchie von Rängen gibt, diese Pracht auch nicht gibt, ist ja gleichfalls deutlich.“

Auch das gab er zu.

„Die Pracht der Kostüme ist also ein ,Spannungskoeffizient‘. Wenn Sie diese Pracht nun als rein ,ästhetisches Phänomen‘ studieren, dann entstellen Sie das Objekt also. – Oder es passiert Ihnen eine andere Art von Verfälschung.“

„Und zwar?“

„Sie stecken sich an. Das heißt: die in dem Objekt noch nicht ganz erloschene Sozialspannung beeindruckt Sie derart, dass Ihre eigene soziale Attitüde dadurch modifiziert wird. Solche Dinge habe ich erlebt.“

„Ich verstehe kein Wort“, behauptete der Oberlehrer.

„Ich habe zum Beispiel Folgendes erlebt: Ich kannte Musiker, die sich Jahre hindurch mit früher niederländischer Chormusik beschäftigt hatten. Dass im Chorsatz, im Verhältnis von Stimmen zueinander, eine bestimmte Gesellschaftlichkeit investiert ist, werden Sie ja zugeben.“

„Und?“

„Diese Gesellschaftlichkeit (sehr lebendig gemacht durch regelmäßiges Zusammensingen) wurde ihnen so natürlich, dass sie ihnen ihre effektive Gesellschaftssituation (im zerfallenden Deutschland der Zwanziger Jahre) völlig verdunkelte. Das ,Objekt‘ war vielleicht ,echt rezipiert‘. Aber sie selbst waren nun mit-modifiziert. – Eine schöne Alternative zwischen Objektmodifizierung und Subjektmodifizierung!“

„Und was hat das mit Philosophie zu tun?“

„Wir sind weit vom Thema abgekommen.“
 

„Ist ja alles Humbug!“ stöhnte einer mir gegenüber und zauste sich in seinem Schopfe, als sei der sein Widersacher. („Er nennt sich ,Marxist‘“, flüsterte mein Nachbar mir zu, „aber kein Marxist nennt ihn so.“) „Auf diesen Blender fallt Ihr also rein?“

„Das sagst du?“

„Ein schöner Marxist bist du mir!“

„Seit wann gehst du denn unter die Esoteriker?“

„Ach was!“ antwortete er, „exoterisch hin, esoterisch her! Lasst Euch doch nichts weismachen. Da findet Ihr, der Dr. A. sei ganz etwas Aufregendes. Wo er gerade nur dazu ausreicht, um einem alten Professor Schrecken einzujagen. Wem ist denn geholfen damit? Wem nützt er denn? Was will der Mann denn positiv? Könnt Ihr mir das vielleicht sagen?“

Stille.

„Esoterisch, exoterisch! Nur die Fronten hat er verwischt. Als wenn es darum ginge, ob die Philosophie exoterisch sei oder esoterisch!“

„Sondern?“

„Wenn Ihr es wirklich wissen wollt, und wenn Ihr was Richtiges tun wollt, müsst Ihr die Philosophie und die Frage, was mit ihr geschehen soll, erst mal schön hinter der Tür stehen lassen. Denn was zur Debatte steht, oder stehen sollte, hoffentlich auch in der Philosophie, das ist, was aus den Menschen werden soll. Ist diese Frage beantwortet, dann wird sich die andere: wer an der Philosophie teilnehmen könne oder solle, oder welche Rolle sie für den Menschen zu spielen haben werde, schon ganz von selber ergeben. Aber an zweiter Stelle. Denn noch einmal: Um die Menschen geht es. Die in Unwahrheit leben. Und die belogen werden und betrogen. Und die nicht wissen, wer sie sind und worum es geht, und wofür sie eingesetzt werden, und die selbst dort, wo sie ihre Meinung äußern dürfen, sogar die politische, gar nicht ihre Meinung äußern, weil ihre angeblich ,eigene‘ ihnen bereits unvermerkt zugeeignet wurde.“

„Und welches ist ihre ,eigene‘?“

„Das ist es ja eben! Durch die heimliche Zueignung der angeblich ,eigenen‘ ist die Entstehung einer wirklich eigenen eben verhütet worden. Darum geht es also.“

„Worum?“

„Sie aus Irrtum und Betrug und Verwirrung und aus Slogans herauszustoßen! Damit sie wissen, woran sie sind, und damit sie die Zügel ihres Schicksals selbst in die Hand nehmen können, ehe sie in den Graben geworfen sind!“

„Verteil schon Deine Flugblätter!“ rief einer.

„Zur Sache!“ ein anderer.

„Was hat das mit Philosophie zu tun?“ ein Dritter.

„Mit Wahrheit. – Ob Ihr dieses Richtigstellen und -stoßen und diese Beförderung der Wahrheit ,Philosophie‘ nennt oder sonstwie, das ist mir Jacke wie Hose. Aber um die geht es!“

„Wer will denn nicht richtigstellen?“

„Richtigstellen. Ein schönes Wort. Kommt nur darauf an, was man richtigstellen will. Nur Sätze? Nur Irrtümer? Was steht denn falsch? Sind es nicht die Menschen, die falsch stehen? Ist es nicht die Welt selbst, die falsch steht? Die muss eben richtig gestellt werden. Und das bisschen Theorie – gleich ob exoterisch oder esoterisch – verglichen damit, ist die doch nur die Rosine im Kuchen.“

„Hoch die Rosinen!“ rief einer.

„Richtig. Wenn der Teig einmal da ist. Ja, wenn der Blender noch gefragt hätte, welche Rolle Theorie später einmal spielen solle … Aber nennt es ruhig ,Philosophie‘, wenn einmal …“

„Was?“

„Schön. Später. In der klassenlosen Gesellschaft.“

„In der klassenlosen Gesellschaft!“ rief einer höhnisch. Er sah aus wie ein Playboy. „Lächerlich! Da soll sie doch gerade verkümmern!“ – Alle hatten das gut gelernt.

„Meinst du das?“

„Was?“

„Mit dem ,Verkümmern‘. Seit wann bist du denn Marxist?“

„Ich – Marxist? Bewahre!“

Allgemeines Gelächter.

„Also eingebläutes Zeug! Die verkümmerte Philosophie – das bis du! Und das seid – ihr! Schöner als heute kann sie ja gar nicht verkümmern! Auch dann nicht. Da habt Ihr schon gut vorgesorgt.“ Er machte eine fortschiebende Bewegung. „Ja, glaubt Ihr denn, dass das Fragen dann aufhören wird? Vielleicht wird es dann erst richtig anfangen. Wenn nämlich die falschen Antworten abgebaut sind. Findet Ihr denn, jetzt leben Philosophen unter uns?“ Und dann, mit einer Bewegung, als wenn er den ganzen Krempel hinschmisse: „Also wenn ich wüsste, dass die, für die ich … dies und das tu, ihr Glück dann so idiotisch macht, dass sie nicht mehr fragen können oder nicht mehr wollen – also dann kann man ja gleich einpacken!“ Und setzte sich.
 

Konrad Paul Liessmann: Hot potatoes

Zum Briefwechsel zwischen Günther Anders und Theodor W. Adorno

 

In der Geschichte der kritischen Theorie bildet das Verhältnis von Theodor W. Adorno und Günther Anders in jeder Hinsicht ein Desiderat. Obwohl in der zivilisations- und technikkritischen Stoßrichtung seiner Schriften oft affin zu den Intentionen der Frankfurter Schule, obwohl durch politische Positionierungen, persönliche Kontakte und das Schicksal des exilierten Juden den Frankfurtern seit den 1930er Jahren nahestehend, wird Günther Anders kaum in deren Kontext angesiedelt und diskutiert. Fast scheint es so, als habe sich das kühle Verhältnis, das trotz sachlicher Nähe die Beziehung zwischen Günther Anders und den Hauptvertretern der Frankfurter Schule dominierte, auf die Rezeptions- und Forschungslage übertragen. Dabei könnte es nicht nur aus der historisch-biographischen Perspektive sinnvoll und erkenntnisgewinnend sein, dieses problematische Verhältnis einer genaueren Betrachtung zu unterziehen.

Günther Anders war schon frühzeitig – damals noch unter dem Namen Günther Stern – mit Adorno in Kontakt gekommen. 1930 erschien einer der ersten Aufsätze von Günther Anders – „Spuk im Radio“ – in der von Adorno redigierten Zeitschrift „Anbruch“, um dieselbe Zeit wohl versuchte sich Anders in Frankfurt mit „Philosophischen Untersuchungen zu musikalischen Situationen“ zu habilitieren. Nicht zuletzt aufgrund des Widerstandes von Adorno, der sich an Anders’ vermeintlicher Nähe zu Heidegger stieß, konnte dieses Projekt nicht realisiert werden, was zu einer Verstimmung zwischen Anders und Adorno führte, die unterschwellig das Verhältnis der beiden über Jahrzehnte dominiert haben mag. Auch Anders’ damalige Frau, Hannah Arendt, dürfte dies Adorno nie verziehen haben. Im amerikanischen Exil hatte Anders wohl Kontakt zu Horkheimer und Adorno, eine Zeitlang wohnte er im Haus von Herbert Marcuse in Santa Monica, er schrieb auch einige wenige Artikel für die „Zeitschrift für Sozialforschung“, hauptsächlich Rezensionen. Er nimmt an Diskussionen des Instituts für Sozialforschung teil, trägt dort 1942 auch Thesen zu einer Theorie der Bedürfnisse vor, ohne allerdings zum engeren Kern der exilierten Sozialforscher zu zählen. Das Verhältnis zu Horkheimer und namentlich zu Adorno bleibt kühl. Der im Günther-Anders-Archiv in Wien aufbewahrte – allerdings nicht vollständige – Briefwechsel zwischen Anders und Adorno aus den Jahren 1951 bis 1968 erlaubt nicht nur die leidige Angelegenheit von Anders’ Habilitation einer vorläufigen Klärung zuzuführen, sondern gibt auch die Möglichkeit – abgesehen von historisch-biographischen Details – grundsätzliche Differenzen dieser eigenwilligen Charaktere, die auch Differenzen in der Sache waren, zu reflektieren.

Der Briefwechsel setzt an im Jahre 1951, als Günther Anders aus Amerika nach Europa zurückgekommen war und sich in Wien, der Heimatstadt seiner zweiten Frau, Elisabeth Freundlich, aufhielt. Aus den Briefen geht hervor, dass Anders noch mit einer Rückkehr in die USA gerechnet haben muss, aber offensichtlich bald den Entschluss gefasst hatte, in Wien zu bleiben. Die ersten Briefe sind ganz von einem vorsichtigen Ton gekennzeichnete Versuche, nach Zeiten langen Schweigens den Kontakt wieder aufzunehmen. Höflichkeiten werden ausgetauscht, und vor allem werden gegenseitig die jüngsten Publikationen annonciert und wechselseitig zugeschickt. So erbittet Adorno in einem mit 6. September 1962 datierten Brief von Anders dessen Aufsatz „On the Pseudo-Concreteness of Heidegger’s Philosophy“ aus dem Jahre 1948, um diesen auf seine Brauchbarkeit für den „Jargon der Eigentlichkeit“, an dem Adorno arbeitete, durchzusehen. Nach einigen Räsonnements über die Schwierigkeiten, in der englischen Sprache zu philosophieren, verschärft sich plötzlich der Ton der Korrespondenz. In einem Brief vom 18. Juni 1963 bedankt sich Anders für den ihm zugeschickten „Getreuen Korrepititor“ und dafür, dass Adorno darin auch Anders’ frühen Aufsatz „Spuk im Radio“ zitiert hatte, um dann fortzusetzen: „Ganz konnte ich freilich dieses Zitats nicht froh werden, da ich leider gestern abend erfuhr, dass Sie wiederholt über mich aufs verächtlichste gesprochen haben. Alltäglich ist diese Kombination von Zitieren und Verachten gewiss nicht, aber erfreulich auch nicht. Schade!“ Aus der Antwort Adornos vom 24. Juni 1963 geht hervor, dass dem Ganzen ein unerquicklicher Vorfall während einer vom Fernsehen aufgezeichneten Diskussion, die Anders vorzeitig und demonstrativ verlassen haben musste, zugrunde gelegen hatte. Entscheidender aber dürfte gewesen sein, dass bei einer Gesellschaft Anders in Anwesenheit Adornos Arnold Gehlen den Handschlag verweigert hatte, was Adorno auch als „Affront“ gegen sich empfunden hatte, da er „mit jemanden wie Gehlen, bei dem alles aus einer radikalen Verdüsterung entspringt, weit besser und ernster reden (könne) als mit zahllosen Menschen des mittleren Fortschritts“. Adorno nimmt diesen Vorfall zum Anlass, um seine prinzipiellen Differenzen zu Günther Anders zur Sprache zu bringen. Er konzediert Anders einen „gewissen Gestus von Aggressivität“, ja „etwas von ‚Angeberei‘“, um zu betonen, dass sein eigenes Naturell darin ganz verschieden sei: „Bestünde diese Differenz nicht, so könnten die wirklich sehr weitreichenden Übereinstimmungen viel fruchtbarer werden.“ Adorno benützt diese Gelegenheit, um noch einige weitere „Rechnungen aufzumachen“. So wirft er Anders vor, dass er einmal Walter Benjamin „als Kaffeehausliteraten“ bezeichnet habe, und das „zu einer Zeit, da Sie Herrn Heidegger für einen Philosophen hielten“.

Anders antwortete auf diese Angriffe zuerst nur kurz mit einem „schönen Dank“ dafür, dass endlich einmal die „hot potatoes“ ausgegraben wurden. Ausführlich geht er auf die von Adorno angesprochenen Fragen in einem Brief vom 27. August 1963 ein: „Meine Hemmungen Ihnen gegenüber hatten und haben mehrere Ursachen, von denen sich freilich die meisten auf einen generalen Nenner bringen lassen. Was mir die Beziehung zu Ihnen unmöglich machte, war Ihr Monokratismus.“ Als monokratisch beschreibt Anders schon Adornos „Attitüde“ gegenüber seinem Habilitationsprojekt; im persönlichen Umgang wirft Anders Adorno geradezu „Terrorismus“ vor, eine erniedrigende Behandlung anderer Gesprächspartner, und er beklagt sich darüber, in Amerika im „Institutskreis wie ein gerade noch Tolerierter“ behandelt worden zu sein. Besonders kränkend, so Anders, habe er es empfunden, als er nach der Remigration zum ersten Male wieder nach Frankfurt kam, dort Adorno, wie auch andere Remigranten, besuchen wollte und von dessen Sekretärin mit den Worten „abgefertigt“ worden sei, „Herr Professor habe wirklich keine Zeit“. Solches wäre nicht der Rede wert, benutzte Anders diese Kränkung nicht zu einer prinzipiellen Reflexion über die Unvereinbarkeit einer staatlichen Universitätsprofessur mit dem Anspruch kritischer Theorie und Praxis: „Es ist mir nämlich unbegreiflich, wie es möglich ist, auf der einen Seite als philosophischer Autor im prägnantesten Sinne ein Avantgardist zu sein; auf der anderen Seite aber eine offizielle Stellung zu bekleiden und sich von denjenigen, denen man durch das, was man schreibt, die Achtung versagt, ehren zu lassen. Mir scheint, man kann nicht als ein Professor Nietzsche leben oder als ein surrealistischer Geheimrat. Etwas von dieser Kreuzung haben Sie aber in meinen Augen an sich. Solche Doppelexistenz muss sich, glaube ich, rächen.“

Wie aus anderen Kontexten bekannt, wirft Anders auch in diesem Brief dessen mangelndes Engagement gegen die atomare Bedrohung und gegen die Notstandsgesetze vor und unterstellt Adorno, „sich als offiziell zugelassener Papst der Radikalität in der ominösen und jämmerlichen Deutschen Bundesrepublik doch irgendwie häuslich eingerichtet (zu) haben“. In diesem Zusammenhang kritisiert Anders den Stil von Adornos Texten als eine Form der „Vergewaltigung“ des Lesers, getragen vom Ton der „Rache“ und „Verachtung“: „Da Sie auf politische Aktion oder an Teilnahme an wirklicher politischer Opposition verzichten, versuchen Sie, mit sprachlichen Mitteln etwas Aktionsähnliches zu erzeugen, mindestens dem Leser etwas anzutun. – Der Zusammenhang mit dem ‚Terrorismus‘, von dem ich vorhin sprach, ist klar. Denn zugleich scheinen Sie Ihre Leser dafür strafen zu wollen, dass sie Ihnen stets unterlegen, also grundsätzlich die falschen Leser sind. Literarischer Sadismus.“

Nicht einverstanden zeigt sich Anders auch mit Adornos Position in Bezug auf Arnold Gehlen: „Gewiss, dass alles bei ihm der Verdüsterung entspringt, das gebe ich zu. Und dass er, was Denklust, Denkkraft und Geschmack betrifft, dem, wie Sie sagen ‚mittleren Fortschritts‘-Vieh, das ununterbrochen ‚fördert‘, und dessen blökend guter Wille mich genauso zur Raserei treibt wie Sie, turmhoch überlegen ist, darüber gibt es gar keinen Zweifel. Aber seit wann ist Verdüsterung ein Verdienst, seit wann bringt Denkkraft oder Geschmack Schuld zum Verschwinden? Nein, mein nun dreizehnjähriges Zurücksein kann mich nicht dazu verführen, die Intransigenz aufzugeben, und mich nicht dazu veranlassen, mit noch so philosophischen Männern zu sprechen, wenn sie, wie Gehlen, als Erwachsene den Nazismus lauthals mitgemacht haben. Mit Heidegger würden Sie sich ja auch nicht zusammensetzen.“ Anders versucht, diesen rigiden Standpunkt aus der grundsätzlichen Verpflichtung zu erklären, der sich die Überlebenden von Auschwitz gegenübersähen: „Da die Nachhitler-welt so tut, als wäre nichts gewesen, muss, so scheint mir, das ‚Es ist gewesen und ist deshalb auch heute noch‘ von uns ausdrücklich betont werden“.

Was die Causa Benjamin betrifft, streitet Anders es kategorisch ab, Benjamin je einen „Caféhausliteraten“ genannt zu haben. In einem versöhnlicheren Postskriptum zeigt Anders allerdings Verständnis für Adornos seinerzeitige Ablehnung seiner musikphilosophischen Schrift, da dieser deren Heideggerianismen nicht als bloße „Restfetzen“ erkannt haben konnte: „Was Musikphilosophie betrifft, so würde ich heute übrigens ihren Monopolanspruch als völlig rechtmäßig anerkennen (so wie meinen für Bildinterpretation). Ich gelte sogar, wie komisch das auch sub specie der zwischen uns bestehenden Spannung sein mag, bei Musikern, denen Sie unbequem sind, und Musikologen, die sich auf bloße Skelettzeichnungen beschränken, als unverbesserlicher Adornist. Was einem, was zweien, nicht alles passieren kann!“

Auf diesen Angriff antwortet Adorno ebenfalls in einem ausführlichen Brief, datiert mit 31. Oktober 1963. Den Vorwurf des Monokratismus weist er sofort als ungerechtfertigt zurück: „Ich war mein Leben lang viel zu sehr sachlich, in weiterem Sinn ästhetisch gerichtet, als dass ich nach Herrschaft über Menschen gestrebt hätte. Eher ist, trotz allem theoretischen Wissen von der Macht, mein realer Sinn für diese unterentwickelt. … Die Neigungen, die Sie mir unterschieben, waren viel eher die Brechts; es ist mir nicht bekannt, dass Sie je mit Rücksicht auf jenen darüber [sich] beklagt hätten.“ Desgleichen weist Adorno den Vorwurf, dass seine Ablehnung von Anders’ Habilitationsschrift etwas mit seinen eigenen Ambitionen zu tun gehabt hätte, striktest zurück: „Ich empfand die spezifisch musikalische Basis – will sagen, das technisch Innerkompositorische – als zu schmal.“ Schuld gesteht Adorno ein anlässlich von Anders’ Besuch in Frankfurt. Er verteidigt sich aber damit, dass er ein „eingespanntes Wesen“ sei, ein „armes Tier“, das „buchstäblich mit den Zähnen“ seine Arbeitszeit verteidigen müsse. Grundsätzlich allerdings wird Adorno angesichts der Tatsache, dass ihm Anders seine Professur vorgeworfen hatte: „Ich will Ihre Frage, more Hebraico, mit einer Frage beantworten. Würden Sie ein Ordinariat, mit der Möglichkeit, selbständig zu produzieren, die es freilässt, und vor allem mit dem weitgehenden Schutz vor irgendwelchen Kontrollinstanzen, abgewiesen haben, wenn es sich Ihnen geboten hätte? Verzeihen Sie mir, wenn ich daran zweifle. … Ob die Existenz eines freien Schriftstellers, auf dem der Druck des Marktes, und vielfach der Verleger, lastet, heute tatsächlich noch so viel freier ist, als die eines Professors, dessen Beruf ihn einstweilen noch vor manchen Formen der thought control behütet – das vertraue ich Ihrem Nachdenken an.“

Zur Kritik seines mangelnden politischen Engagements schreibt Adorno, dass er kein „Verkehrspolizist“ sei, der „gleichzeitig an allen Ecken sein muss, wo Unfug verübt wird; wann ich zupacke, darüber muss ich schon mir selber die Entscheidung vorbehalten. … Über die Atombombe zu schreiben, habe ich aus einem nicht leicht zu fassenden Grund immer wieder vermieden, vielleicht wegen der Disproportion zwischen der geballten Faust eines Intellektuellen und jener Einrichtung; sicher nicht aus Feigheit.“ Zweifel, dass sie überhaupt ernst gemeint sein können, äußert Adorno gegenüber Anders’ scharfen Angriffen auf seine Sprache: „Ihre Argumentation zeugt von einer wahren Besessenheit mit dem Gedanken an den Leser. Bei meinem Zeug sind Sie offenbar nicht einmal auf die Idee gekommen, dass es mir nicht um diesen geht, weder darum, ihn zu fangen, noch ihn zu brüskieren, sondern einzig um die möglichst adäquate und strenge Darstellung der Sache. Das ist wohl das einzige, was man sprachlich im Ernst wider die Kulturindustrie vermag. … Möchten Sie, dass ich an sprachlicher Anstrengung, an Dichte des Gedankens, oder wie man das sonst nennen will, nachlasse? Fasziniert Sie Brechts Positivismus, der selbst ein Missverständnis war? Muss ich Sie daran erinnern, dass der Schriftsteller nur so weit dem allherrschenden Bann zu widerstehen vermag, wie sein Produkt selbst einen Bann erzeugt? Ich appelliere an den Dialektiker in Ihnen.“

In Sachen Gehlen zeigt sich Adorno nachdenklich, ohne von seiner Haltung abzurücken: „Als ich mich einmal entschloss, nach Deutschland zu gehen, war ich mir darüber klar, dass ich dann auch mit Nazis, ehemaligen oder hartgesottenen zu tun bekommen würde; in jedem Augenblick nochmals darauf zu reflektieren, schiene mir naiv. … Ich vermeide den Kontakt mit Menschen, die Gemeinheiten begangen haben; bei jemanden wie Gehlen, sicherlich einem der kompliziertesten Fälle, handelt es sich nicht darum sondern um eine Haltung, die mir gewiss so schroff entgegen gesetzt ist wie Ihnen, der gegenüber jedoch bloße Indignation nicht ausreicht. … Hinzufügen möchte ich, dass mir alles, was auch nur entfernt ans Patzige oder Krakeelhafte grenzt, grenzenlos fremd ist. Mannesstolz, der auf die eigene Intangibilität pocht, ist mir als ein Gestus der Selbstsetzung inkommensurabel, mag das immerhin ein Rudiment jener ,betont bürgerlichen‘ Haltung sein, die Sie meiner Jugend attestieren. Ziemlich gleichgültig ist mir, wem ich die Hand schüttle, wofern nichts von dieser auf dem Papier kleben bleibt, dass ich beschreibe.“

Hartnäckig bleibt Adorno in Sachen Benjamin. Er insistiert darauf, dass Anders ebenso wie seine damalige Frau Hannah Arendt Benjamin als Caféhausliteraten bezeichnet hätten, und er spricht die Vermutung aus, dass Anders in seiner Jugend „weit professoraler“ gewesen sei, als er es ihm nun im Alter vorwerfen könne. Der Brief schließt ebenfalls versöhnlich mit der Ankündigung, dass Anders in kürze Adornos neues Buch „Quasi una Fantasia“ zugeschickt bekommen werde.

Anders antwortet auf diesen Brief noch einmal ausführlich, allerdings erst am 6. Dezember 1963, um eine Reihe von „Missverständnissen“ aufzuklären. So betont er etwa, dass er nach der Veröffentlichung der „Antiquiertheit des Menschen“ sehr wohl von einer renommierten deutschen Universität ein Ordinariat angeboten bekommen hatte, dieses aber mit jenen Worten abgelehnt hätte, mit der Spinoza einen Ruf nach Heidelberg verweigert hatte. [1] Festhalten möchte Anders auch am sprachlichen Terrorismusvorwurf, er gesteht aber ein, dass dieser Vorwurf auch manchmal gegen ihn selbst erhoben werde und dass er geneigt sei, diesen dann im besten Fall als „Tugend“ zu interpretieren: „Und was ich mir einräume, muss ich Ihnen natürlich jedenfalls einräumen“. Für sich selbst begründet Anders sein nicht-akademisches Schreiben auch damit, dass seine Sprache im täglichen universitären Lehrbetrieb wohl an „Direktheit und Stärke“ verloren hätte, er gesteht auch zu, dass nichts „scheußlicher wäre, als im Massmedia-Stil gegen Massmedia-Stil zu schreiben“: „Da liegt die große Schwierigkeit auch für mich. Ob es mir oft gelingt, diejenige Sprache zu finden oder zu erfinden, die wirklich die Masse trifft, ohne im mindesten Massenstil zu sein, das weiß ich nicht. … Die Alternative zwischen diesem meinen Bemühen und Ihrem Bemühen um ‚Strenge‘ scheint mir keine echte Alternative zu sein. Schliesslich setzt ja jede Form von Strenge einen bestimmten Hörer voraus, eine freischwebende Strenge oder Genauigkeit – wem sage ich das? – gibt es ja nicht.“

Was den Fall Gehlen betrifft, konstatiert Anders, ohne neue Argumente zu bringen, eine tiefgreifende Differenz zwischen ihm und Adorno. Er selbst, so Anders, habe durchaus Möglichkeiten gefunden, im Nachkriegswien zu leben, ohne alten Nazis die Hände schütteln zu müssen: „Ein paar Männer sind hier, die absolut unantastbar geblieben sind, mit denen stehe ich freundschaftlich; ein paar Rückkehrer, die gleichfalls völlig in Ordnung sind; und viele Jugendliche, die keine Vergangenheit zu bewältigen haben, und die sehr erfreulich und durchaus erreichbar sind.“

Anders schließt diesen Brief mit der Hoffnung, dass durch die „Ausführlichkeit und Offenheit“ schon etwas erreicht sei. Adorno antwortet am 10. Dezember 1963, dass auch er „das Gefühl [habe], wir sind wirklich weiter gekommen“. Und er setzt hinzu, dass alles weitere der Entwicklung überlassen werden sollte, vor allem einem persönlichen Zusammensein. Zu diesem Treffen zwischen Anders und Adorno ist es im Jahre 1966 in Wien dann auch noch gekommen. Möglich, dass dabei Entscheidendes zur Sprache kam. Es hat sich allerdings auf die wenigen und sich auf das Notwendigste beschränkenden noch folgenden Briefe zwischen diesen Philosophen nicht niedergeschlagen.

Natürlich: der kritische Gewinn des Biographisch-Anekdotischen ist selten hoch, und es wäre billig, Differenzen zwischen den Ansprüchen einer Theorie und dem Leben ihrer Produzenten in welche Richtung auch immer auszuschlachten. Das Bemerkenswerte an diesen Briefen liegt dann auch nicht unbedingt darin, dass sie Rückschlüsse auf Lebenslagen, individuelle Züge und Idiosynkrasien erlauben; das Bemerkenswerte liegt darin, dass es dabei jenseits der Kontingenzen und Differenzen um wesentliche Fragen der Behauptung kritischen Bewusstseins im Nachkriegseuropa ging, letztlich um das Verhältnis des Intellektuellen zur Welt der Institutionen. Das Professorale an Adorno, das Anders störte, war auch Ausdruck eines dialektischen Gewissens, das es sich zutraute, die kritische Schärfe des Geistes gegen die Institutionen, in denen er sich eingenistet hatte, selbst zu richten. Anders hingegen misstraute dieser Dialektik. Institutionen, er ahnte es, korrumpieren immer und jeden, und so manches Ende eines „langen Marsches“ hat ihn bestätigt. Die Freiheit des Marktes jedoch, der Anders sich ohne Emphase anvertraute, hat Adorno recht gegeben. Denn der Markt hat Anders, dessen Konjunktur mit der des Kalten Krieges zusammenfiel, sehr schnell wieder ausgespien.

Ähnlich vertrackt war wohl die Sache mit der lebenden Vergangenheit. Auch hier ging es nicht nur um unterschiedliche psychische Dispositionen, sondern um eine Grundsatzfrage: Wie in Deutschland nach 1945 leben, wo es nicht nur von Mitläufern des Regimes, sondern auch von Funktionsträgern, die nach kurzen Unterbrechungen ihre Karrieren fortsetzten, wimmelte? Anders wollte auch hier unbeugsam sein. Keinen institutionellen Usancen ausgesetzt, konnte er jeden Handschlag, der ihm nicht passte, verweigern. Hinter Adornos scheinbar faulem Kompromiss aber stand wohl die Einsicht, dass die Bundesrepublik nur mit jenen errichtet werden konnte, die kompromittiert waren. Leben in solch einem Land musste mehr bedeuten, als jedem zweiten aus dem Wege zu gehen. Das hätte notwendigerweise zu einer Isolation geführt, die Anders sich gewählt hatte, und von der die Schärfe seiner Philosophie nicht trennbar ist. Dass Kritik nicht von Innen, nur von Außen kommen konnte, davon war Anders, letztlich doch ein Nicht-Dialektiker, überzeugt. Nur wer nicht mitmachte, nicht involviert war, keine Rücksichten nehmen musste, konnte jene Distanz wahren, die nicht nur gegenüber ehemaligen Nazis, sondern auch gegenüber der Politik und den Medien dem kritischen Anspruch genügen sollte. Anders wollte nicht mitspielen, nicht einmal zum Schein, und er glaubte, dass dies möglich sei. Paradox, aber es war Anders, der solcherart die Möglichkeit eines richtigen Lebens im Falschen intendierte und damit noch einmal dem alten Ideal des Philosophen folgte, dem seine Ungebundenheit und Bedürfnislosigkeit zur conditio sine qua non der Freiheit und Kraft seines Denkens wird. Adorno hingegen votierte für das falsche Leben im Falschen. Das allerdings war kein Kompromiss mit der Wirklichkeit, sondern nur deren Anerkennung. Die Erinnerung beider Haltungen aber könnte einer Zeit durchaus angeraten werden, die in der allgemeinen Euphorie über den neuen Fortschritt das Falsche für das richtige Leben zu halten pflegt.
 

Günther Anders: Adorno-Gespräch

Wien, Mitte Mai 1966

 

Freundschaftliches Treffen Adorno-Anders in Anwesenheit Charlottes im Hotel Rainer. Dabei wurden nach Höflichkeitsaustausch die im Briefwechsel behandelten Punkte mindestens gestreift. Die Unwahrhaftigkeit und Feigheit Adornos war umso bedauerlicher, als er tags zuvor einen Vortrag gehalten hatte, in dem Auschwitz-Partien von äußerster Radikalität und äußerstem Schmerze enthalten waren.

Von sich aus kam er auf das im Briefwechsel behandelte Problem, wie er Professur und seine nichtakademische Funktion kombinieren könne, zurück. Die Antwort, which he volunteered, war absolut verlogen: gerade um seine unbeschränkte Freiheit zu garantieren, nehme er die offizielle akademische Position ein – was eine direkte Umdrehung meiner Frage darstellte, da ich unterstellt hatte, dass man als Ordinarius und Institutsdirektor, der er ist, diejenigen Dinge, die heute gesagt werden müssen, nicht in voller Freiheit aussagen könne. Aber offenbar will er eben gar nicht Thesen zu vertreten die Freiheit haben, die nicht auch offiziell präsentiert werden könnten; bzw. es reicht ihm offenbar, das absolut dem System Widersprechende in einer so verklausulierten Sprache zu präsentieren, dass ihn eh niemand versteht.

Damit waren wir bei dem Hauptpunkt unserer Differenz: nämlich bei der philosophischen Sprache und bei der Frage, wie weit man das, was man zu sagen habe, für bestimmte Ohren zu präparieren habe. Hier verfing sich Adorno in einem höchst blamablen Widerspruch: der behauptet nämlich: man habe so zu formulieren, wie die Sache selbst es verlange, irgendwie würde es dann schon da sein oder ankommen. D. h.: plötzlich war er völlig unsoziologisch, er, der sein Lebtag die soziologischen Ingredienzien jeder Theorie, selbst jedes Kunstwerks, herausgekratzt hatte. Ich sagte ihm: Wenn das der Adorno hören würde, denn selbstverständlich gäbe es keine Sprache, die nur „der Sache“ entspreche, stets sei ein bestimmtes Quantum der Kenntnis oder Unkenntnis dessen, dem mitgeteilt werde, vorausgesetzt, und diesem unausgesprochenen Publikum käme er überhaupt nicht entgegen; er verstecke die wirklichen Radikalitäten seiner Theorien im Kleide einer nur esoterisch verständlichen Sprache.

Im Laufe des Gesprächs frage ich ihn, ob er u. U., wenn hier eine Matinee über Grass-Brecht arrangiert werden würde, mitauftreten würde, ob er Brecht gegen die blöde Attacke durch Grass in Schutz nehmen würde. Darauf antwortete er, er sei nicht wie Benjamin, Viertel oder ich der Faszination Brechts erlegen und er möchte nicht als Fahnenträger Brechts auftreten. Brecht sei Terrorist gewesen – er bezog sich da vor allem auf die frühen Stücke wie die „Maßnahme“, ich gab auch zu, behauptete sogar von mir aus, dass ein gewisser gemeinsamer Zug der Vorliebe für terroristische Situationen in den Zwanzigerjahren Nazi- und kommunistische Schriftsteller verbunden habe. Dass dieses Element aber bei Brecht überwunden worden sei, und die Figur des freundlichen Menschen Zentralfigur geworden sei – was Adorno zugab, aber gerade diese Figuren empfand er als unerträglich „schmarrenhaft sentimental“. – In anderen Worten: gegen die skandalöse Attacke von Grass persönlich aufzutreten, weigerte er sich. –

Als er zweimal das Wort „Terrorist“ zur Charakterisierung Brechts verwendet hatte, fragte ich ihn höflich und unzweideutig, ob es ihm denn nicht bewusst sei, dass auch er bei vielen, auch bei seinen Schülern, als terroristisch gelte, und es sei doch kein Zufall, dass auch ich in dem Briefwechsel seine Syntax und den Stil seiner Textanordnung als terroristisch bezeichnet hätte, als ein Gewebe, das dem Leser kein Luft- oder Schlupfloch lasse. Adorno schien faktisch aufs tiefste überrascht davon, dass er terroristisch sei oder als terroristisch gelten könne, wie weit das ehrlich und wie weit das gespielt war, ist schwer zu beurteilen.

Am überraschendsten war Adornos haarsträubende Bemerkung, es habe sich doch herausgestellt, dass Eatherly gar nicht, wie er immer behauptet habe, Hiroshima bebombt habe; was nun in der Tat bedeutet, dass er, Adorno, völlig auf das tiefste Niveau der Moralargumente der anderen hinuntersank, denn sein Argument zielte auf die Frage: wozu sollte Eatherly dann überhaupt bereut haben? –

Mit gespieltem Bedauern sagte ich ihm, es sei doch jammerschade, dass er, dessen Autorität doch so groß sei, an dem gerade in Frankfurt stattfindenden Vietnam-teach-in nicht teilnehme. Darauf antwortete er: „Es ist nicht mein Stil, hinter einer Fahne herzumarschieren. Und Leute auf die Straße zu schicken.“ Ich antwortete: es gebe manche Varianten, denn auch Marcuse oder ich marschierten nicht hinter Fahnen mit, man könnte auch vor Fahnen oder als Fahnen marschieren, und was er gegen die Straße habe.
 

Sein Mitmachen der Sprachregelung der Bundesrepublik: er fragte mich: Waren Sie jemals in einem Satellitenstaate?
 

Sein Benehmen: schwer erträgliche Kombination von äußerlicher Höflichkeit und absoluter unverschämter Verachtung des Gesprächspartners: denn wenn man zu ihm spricht, schaut er einen nicht nur nicht an, vielmehr wandert sein Kopf pausenlos von rechts nach links und von links nach rechts, in Angst und Gier, um zu sehen ob er gesehen werde und ob ein schönes Mädchen zu sehen sei. Die Eitelkeit glaubhaft, die Geilheit nicht. Dieses Gespräch war wohl das längste, das zwischen ihm und mir in 35 Jahren stattgefunden hat. Es schloss, von ihm aus wohl wegen Charlotte, die als Alban Berg-Spielerin für ihn wichtig ist, sehr harmonisch, man dürfe nie mehr außer Kontakt kommen und dgl.
 

Günther Anders: Die entscheidende Divergenz

1982

 

Gefragt, welches der entscheidende Unterschied zwischen Adorno und mir sei, antwortete ich, dass er, obwohl durch immensen Einfluss „praktisch tätig“, über die Unmöglichkeit von „Praxis“ (im Sinne von Revolution) nicht nur (wie er sein Leben lang vorgab) verzweifelt gewesen sei – letztlich war ja die Tatsache Sowjetrussland, also die „missglückte Revolution“, Anlass und Inhalt seines gesamten Werkes; sondern dass er das „Nicht-handeln Können“ als ein „Nicht zu handeln brauchen“ letztlich begrüßt habe, also aus Feigheit gerne verzweifelt; und so unehrlich gewesen sei, das Denken selbst zur „Praxis“ hochzustilisieren. Der verlogene Kernsatz findet sich in der „Negativen Dialektik“, S. 243:

„Das Verzweifelte, daß die Praxis, auf die es ankäme, verstellt ist, gewährt paradox die Atempause zum Denken, die nicht zu nutzen praktischer Frevel wäre.“ (Hoch die Atempause!) „Dem Denken kommt heute ironisch zugute, daß man seinen eigenen Begriff nicht verabsolutieren darf: es bleibt, als Verhalten, ein Stück Praxis, sei diese sich selbst noch so sehr verborgen.“

Wie gern ist er verzweifelt gewesen! Und wie verzweifelt wäre er gewesen, wenn Handeln möglich gewesen und von ihm verlangt worden wäre! Selbst das negative Handeln: das Protestieren, war ihm schon zu riskant:

Als ich ihn einmal telefonisch darum bat, mich bei einer Antiatomdemonstration zu ersetzen, antwortete er, es sei nicht seine Sache, hinter einer Fahne zu marschieren. Also sogar für eine causa mitaufzutreten, mit der nicht einverstanden zu sein, unmöglich war; an der teilzunehmen nicht nur praktikabel, sondern auch völlig ungefährlich war, selbst bei soetwas mitzumachen, weigerte er sich. Als ich ihm nach diesem Refus vorschlug, statt hinter der Fahne, vor dieser zu marschieren, hängte er, da er auch den leisesten Hohn nicht ertrug, den Hörer in die Gabel.
 

Günther Anders: Die entscheidende Konvergenz

1983

 

Während für ihn zwei Dinge im Vordergrund standen: erstens die Untersuchung des Ursprungs und der Herstellung der autoritären und der Verknechtung genießenden Persönlichkeit und die Analyse des Tauschcharakters, der in Waren zerfallenden Welt und Menschen, spielte für mich, der ich in der Emigration im Unterschied zu den anderen die Chance der Misere-Erfahrung gehabt hatte: nämlich sowohl der Erfahrung der Arbeitslosigkeit, wie die der heutigen maschinellen Arbeit, stand also für mich – und das hat die zwei Bände meiner Antiquiertheit des Menschen geprägt – die Tatsache im Vordergrunde, dass der heutige Arbeiter, vom Hilfsarbeiter bis hinauf zum genialsten Erfinder und bis zum komödienhaftesten Staatsmann, durch die Totalität der Arbeitsteilung – diese ist der Totalitarismus von heute – keine Ahnung von dem Produkt oder dem Effekt seines Tuns hat, und wäre dieser Effekt selbst die Auslöschung des Menschengeschlechtes. Adornos und meine Darstellung der Beschädigung, Dehumanisierung und möglichen Annullierung des Menschen könnten zusammen wohl so etwas wie eine Enzyklopädie der apokalyptischen Welt bilden. Ein trauriges Team stellen wir dar.
 

Gerhard Oberschlick: Editorische Bemerkungen

 

Als er den Dialog Über die Esoterik der philosophischen Sprache 1943 schrieb, lebte Günther Anders schon seit sieben Jahren als Flüchtling in den USA. 1950 nach Europa zurückgekehrt, ließ er ihn mehrmals erscheinen: 1952 [2], 1975 [3], 1981 [4], 1983 [5] und 1987. [6] Die Eigenheiten der fünf Drucke bei doch immer dem selben Text sind vielleicht interessanter als sonst:

Der Herausgeber des ersten Drucks [7] enthält sich als einziger jeglichen eigenen Senfs, er allein präsentiert den vollständigen Text, zumal druckfehlerlos. Von ihm erfahren wir nicht: wann der Dialog stattgefunden hatte, wer seine Protagonisten waren und wann der Beitrag entstanden ist – Auskünfte, die Elke Schubert 35 Jahre später in ihrem Sammelband ebenso vermissen lässt. [8]

Hans Paeschke, im „Merkur“, fügt dem Titel eine Fußnote [9] zu, deren Text den Dialog für veraltet erklärt, also die Ablehnung des Beitrags enthält, wenn manʼs genau nimmt. – Es nicht so genau nehmend, scheint Paeschke die Qualität des Textes mehr gespürt, als dessen Inhalt verstanden zu haben. Außerdem ist ihm entgangen, dass er den kurzen Einwurf des Dr. A.: „…esoterischer.“ sowie zwei Wörter der Antwort des Professors T. „Schön, auch esoterischer“ ausgelassen hat, was die Form der Wechselrede unlogisch durchbrach. Die drei übersprungenen Wörter – hier wie oben im Dialog am Schriftwechsel von der gewöhnlichen Antiqua zur Schreibmaschinschrift zu erkennen – fehlten auch in allen drei späteren Drucken, die also Deszendenten der Paeschke-Version waren.

Das „taz Magazin“ setzt unter Autorenzeile und Titel einen Vorspann, der zwei kurze Überlegungen wert sein mag. Die bemerkenswerte Passage lautet:

„Vor vierzig Jahren erfand Anders die folgende Szene, in der ein Problem abgehandelt wird, das sowohl Adorno wie ihn selbst stets auf das zentralste beschäftigt hat: die Frage, in welchem Sprachstil Philosophie den nicht-professionellen Mitmenschen nahegebracht werden kann.“ [10] – Dazu ist zweierlei zu bemerken:

1. „…erfand Anders“ ist irreführend, wenn auch nicht ganz falsch, denn unzweifelhaft hat er „die Szene“ von keinem Tonband bloß wörtlich abgeschrieben, sondern er hat den Inhalt und Verlauf des Dialogs aus der Erinnerung wiedergeben. Was bei solchem Vorgang herauskommt, ist nicht bloß dem stets lückenhaften Gedächtnis abgelauscht, sondern Werk der reproduktiven Einbildungskraft, vermöge deren wir die erinnerten Elemente in unseren eigenen Worten und Sprachbildern rekonstruktiv darstellen und zu der mitunter erst rückblickend möglichen Folgerichtigkeit nachträglich teleologisch zuspitzen oder, wie Anders es nannte: übertreiben. Damit erzeugen wir aus einem ehemals miterlebten Geschehen die pointierte Gestalt einer Episode oder Anekdote; oder jemand wie Anders verfasst mit feinem Sinn für den Eklat und vermöge seines eminenten Könnens einen dramatischen Dialog, der die aufeinanderprallenden Positionen zu schlanken Dissonanzen letzter Peinlichkeit verdichtet, naturgemäß in seinen Worten. Nur ein Beispiel: Das Bild von den Philosophen, die absurden Bäckern glichen, die nur für Bäcker büken – diese konkrete Metapher für handwerklich absurdes Verhalten dürfte kaum aus Adornos sprachlichem Fundus stammen, zumal wir ihre nahe Entsprechung in den besoffenen Weltbäckern finden, die es, einer von Andersʼ frühen molussischen Apokryphen zufolge, pflichtvergessen verabsäumt hatten, die frischgebackenen Menschen nun auch gebührlich mit den nötigen Instinkten auszustatten. [11] Der Herkunft aus Andersʼ eigenem Metaphern-Arsenal unbeschadet, dient dieses Bild dem Dr. A. einleuchtend zur Illustration des Widersinns der esoterischen Sprache des Professors T., nein: der ganzen akademisch-philosophischen Zunft, am Ende ihn selbst nicht ausgenommen. [12]

2. Dass diese Frage beide Philosophen „stets auf das zentralste beschäftigt“ hätte, dürfte auch bessere Kenner Adornos, als ich es bin, eher verblüffen. Auf Anders hingegen trifft die Behauptung zu, hat er doch dieses Thema nach dem peinlichen Auftritt von 1930 im Philosophischen Seminar der Universität Frankfurt durch mehr als ein halbes Jahrhundert unvermindert im Auge behalten. Noch 1989 formulierte er seinen moralischen Wahrheitsbegriff im folgenden, aus dem „Dialog“ in der Hauptsache nicht unbekannten, Lehrsatz:

Regel: Nur dann, wenn sich das ‚Über‘ und das ‚Zu‘, das sujet des Sprechens und das angesprochene Subjekt, ‚decken‘; nur dann, wenn wir auf diejenigen abzielen und diejenigen erreichen, die, weil es um deren Schicksal geht, von uns erreicht werden müssen und ein Recht darauf haben, von uns erreicht zu werden; nur dann haben unsere Aussagen ‚Sinn‘, nur dann werden sie auch wirklich wahr. Eine Wahrheit, die einem unbestimmten oder gar einem falschen Adressaten mitgeteilt wird, ist nicht eigentlich wahr.“ Etwas später, zusammenfassend: „Ob etwas wahr ist, das hängt mithin nicht nur vom Sprecher ab, und nicht nur von der ‚Deckung‘ der Aussage mit dem ausgesagten Tatbestand, also nicht nur von der klassischen adaequatio, sondern auch davon, ob der wirklich ‚Betroffene‘ getroffen wird; also von der Deckung des effektiven Empfängers mit dem als ‚Empfänger‘ intendierten Adressaten.“ [13]
 

Zu: His-Dur

Diesen Titel trägt auch eine kleine „Ketzerei“, die im folgenden Wortlaut zwar später erschienen ist, jedoch die ursprüngliche Version der Anekdote darstellt:

Abendgesellschaft nach Adorno-Vortrag

Als ich ihm sagte, viele seiner Seiten habe er in His-Dur geschrieben, war er – was ich erhofft hatte – der einzige, der das verstand. Und er dankte mir dafür, dass ich so diskret sei, meine Bemerkung in his-Moll zu machen. Die Umsitzenden blickten uns zwei, die wir nichts weniger als Spießgenossen sind, so an, als sprächen wir ein nur uns bekanntes Geheimidiom. Und wirklich brachte die Dummheit der anderen es mit sich, dass wir einen Augenblick lang Augurenblicke wechselten. [14]

Diese Anekdote hat Anders also für den „Esoterik“-Dialog als Coda adaptiert, indem er einen der „Umsitzenden“ als Tillich benannte, und damit die Identität auch des zweiten Protagonisten enthüllt – nachdem schon beide gestorben waren: Adorno [15] 1969, 1965 Tillich. [16] Deshalb verwirrt die Fußnote zur Überschrift des Dialogs im „Argument“:

Der in den 40er Jahren, noch vor der Rückkehr aus der Emigration, geschriebene Dialog erscheint hier zum zweiten Mal (zuerst in: „Merkur“, Heft 4/1975). [17] Während im Dialog über die ‚Esoterik‘ ‚T.‘ und ‚A.‘ sowie das ‚Ich‘ des Berichterstatters Anders auftauchen, treten in ‚His dur‘ Tillich, Adorno und Anders auf. ‚A.‘ ist doppeldeutig. [18] – Weil ‚His dur‘ dem Verständnis ‚technische Kenntnis‘ abverlangt, sei wenigstens angedeutet, was es damit auf sich hat. Die einfachste (und praktisch richtige) Antwort wäre, dass es eine solche Tonart nicht gibt. Für den Klavierspieler wäre His dur identisch mit C dur, nur unnötig kompliziert mit sieben ‚Kreuzen‘ notiert. Aber streng musikalisch wäre His dur nicht identisch mit C dur. Streicher würden es ‚eine Schwebung‘ (Fladt) [19] über der gewöhnlichen Tonart spielen.

W. F. Haug

Den Teil über „His-Dur“ übernahm dann die „taz“ als zweiten Teil ihres Vorspanns und erhielt darauf mehrere Leserbriefe. [20] Auf den „Dialog“ selbst scheint niemand reagiert zu haben, außer Liessmann, der ihn eingehend referiert. [21]
 

Zu: Nach dem Vortrag

Erstveröffentlichung aus dem Nachlass von Günther Anders. [22]
Die Überschrift kündigt eine „Fortsetzung des Dialogs“ an, tatsächlich wird aber erzählt, wie etwa 30 Seminarteilnehmer die Erregung des dramatischen Abends in einem nahe gelegenen Lokal abreagiert haben, ohne Tillich und ohne Adorno. Mehr unterhaltsam als aufschlussreich für die Problemstellung der „Esoterik“, bietet das Satyrspiel immerhin ein lebendiges Bild von der theoretischen wie politischen Desorientierung dieses Teils des philosophischen Nachwuchses von 1930, als Hitlers Partei bei der Reichstagswahl schon oder erst 18,3 Prozent der Stimmen erreichte.
 

Zu: Hot Potatoes

So stand-alone „Die Esoterik der philosophischen Sprache“ für sich besteht, war es doch naheliegend, der offensichtlichen Ambivalenz zwischen Anders und Adorno in ihrem Briefwechsel weiter nachzuspürend, die wohl mustergültige Darstellung von Konrad Paul Liessmann zu adoptieren, mit Dank für seine Erlaubnis zur Wiederveröffentlichung. [23] Der Beitrag ist an einer Stelle zu ergänzen:

Nach seiner Einleitung schreibt Liessmann: „Die ersten Briefe sind ganz von einem vorsichtigen Ton gekennzeichnet, Versuche, nach Zeiten langen Schweigens den Kontakt wieder aufzunehmen.“ [24] – Das stimmt, obwohl Adorno den vorsichtigen Brief, mit dem Anders nach mehreren Jahren erstmals den Kontakt wieder aufzunehmen versuchte, ganz konträr aufgefasst hat; was allerdings nur dem Adorno-Nachlass zu entnehmen ist, der weder Liessmann noch mir zugänglich war, als er über die „Hot Potatoes“ schrieb. Nun die Ergänzung:

Erstmals schreibt Anders am 5. März 1951 aus Wien: „Lieber Herr Adorno: vor ein paar Tagen las ich Ihren Benjamin-Aufsatz; und ich bin froh, dass Sie durch dieses Portrait das Andenken an ihn, mindestens (da ja das Andenken wohl kaum noch existiert) seine Züge aufbewahrt haben.“ Danach erzählt er, dass ein Vorabdruck aus seinen philosophischen Tagebüchern im „Merkur“ und die „kleine Schrift ‚Kafka – pro und contra‘ in Kürze bei Beck“ erscheinen werde, sowie dass er eigentlich den „Europa-Aufenthalt ausdehnen“ müsste, um all seine unveröffentlichten Schriften herauszubringen. Und er erklärt sich interessiert zu erfahren, „wie die akademischen Verhältnisse drüben liegen; wenn Sie mir gelegentlich ein paar informatorische Worte schicken könnten, wäre ich Ihnen sehr dankbar.“

Nach beiden Nachlässen zu schließen, ist dieser Brief ohne Antwort geblieben. Im Adorno-Archiv liegt nur ein Entwurf Adornos, der diesen tief gekränkt über den gönnerhaften Ton zeigt, in dem Anders von Adornos Charakteristik Benjamins geschrieben habe. Anders könne eine Arbeit Adornos anerkennen oder schärfstens ablehnen und ihm dies rückhaltlos sagen, aber einem Text von oben herab und ohne überhaupt auf ihn einzugehen, zu attestieren, dass er mindestens Benjamins Züge aufbewahrt hätte, setze doch wohl ein falsches Verhältnis zwischen ihnen. Nach dem weiteren Vorwurf, Anders hätte Benjamin seinerzeit als Kaffeehausliteraten bezeichnet, hatte Adorno vor, die Frage nach den Verhältnissen an der Universität Frankfurt mit dem Hinweis abzuweisen, sie seien nach Berufung Gadamers auf Jaspersʼ Lehrstuhl [25] einigermaßen unübersichtlich. Mit der Bitte, herzlichste Grüße an Berthold Viertel zu bestellen, und freundlichsten Empfehlungen, auch an Andersʼ Frau, schließt der Entwurf – der mit dickem Stift und einigen steilen Zeilen in schöner Schrift von anderer Hand, schräg über das Getippte geschrieben, recht hübsch verziert aussieht, eigentlich davon aber sehr brutal mehrfach durchgestrichen ist: Sterns Brief sei zugleich anbiedernd und unverschämt. Sein Vorschlag: mit zwei Zeilen zu antworten und möglichst in einem Nebensatz zu sagen, die Verhältnisse wären zu kompliziert; auf Benjamin am besten gar nicht einzugehen, ostentativ eine Postkarte zu benützen. „Das ist ein Dreckskerl. M“ – Max Horkheimer also, wer sonst. [26] Indem er den Empfehlungen des Chefs nicht gefolgt ist, hat der vorsichtig-verbindlichere Adorno es ermöglicht, dass der Briefwechsel neun Jahre später in äußerlich unbefangenen Umgangsformen wieder aufgenommen werden konnte.

Wie Anders den Adorno doch einmal brieflich dazu gewonnen hat, eine Protestnote mit zu unterschreiben; deren Veröffentlichung dann, aber nicht wegen Adorno, doch wieder unterblieben war, wird dem Briefwechsel zu entnehmen sein, der bald erscheinen soll. [27] [28]
 

Zu: Adorno-Gespräch

Erstveröffentlichung: Selbsterklärende Gedächtnisnotiz von Günther Anders aus dessen Nachlass [29] über das Gespräch mit Adorno im Mai 1966; das, wie Konrad Paul Liessmann im drittletzten Absatz seines Beitrags erwähnt, in den späteren Briefen nicht mehr vorkommt.
 

Zu: Die entscheidende Divergenz – Die entscheidende Konvergenz

Eine kleine „Ketzerei“ aus den nachgelassenen Typoskripten [30] zuerst, danach eine Passage aus Andersʼ Dankesrede [31] für die Verleihung des Adorno-Preises runden das Denken mit Anders zum 115. Geburtstag in seinem 25. Todesjahr ab, und sei es nur, um die Wahrheit eines seiner gereimten Aperçus etwas hinauszuschieben, um nicht zu sagen: dieses, mit dem er hier
 

Das letzte Wort

behält, [32] in seinem Sinne zu widerlegen:
 

Letzter Nachtspruch
 
Kein Sternbild hat dich je vermisst,
kein Gott dein Buch gelesen,
im Nu, da du gegangen bist
warst du nie dagewesen.

 

[1Spinoza hatte an den Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz geschrieben, er wisse nicht, „in welche Grenzen die Freiheit zu philosophieren einzuschließen sei, damit ich nicht den Anschein erwecke, als wolle ich die öffentlich anerkannte Religion stören“, sodass er sich genötigt sehe, aus „Liebe zu einer Ruhe, die ich mir auf andere Weise nicht bewahren zu können glaube“, auf die Professur zu verzichten. (Zit. nach Theun de Vries: Spinoza. Reinbek 1994, S. 135)

[2„Philosophie – für wen? Über echte und unechte Esoterik“ (aus den „Philosophischen Tagebüchern“). In: „Die Sammlung“ (Göttingen) Heft 11, November1952, S. 475–489; alle späteren Drucke unter dem Titel: „Über die Esoterik der philosophischen Sprache“.

[3„Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken“ 323/1975, S. 320–337.

[4„Das Argument“ 128/1981, S. 491–505.

[5„die tageszeitung“, 9.9.1983, Magazin S. 11–13.

[6Günther Anders antwortet: Hrsg. v. Elke Schubert. Berlin (Edition Tiamat) 1987. S. 181–202.

[7Hermann Nohl: 1879–1969. Herausgeber auch von Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Theologische Jugendschriften, Tübingen 1907; ab 1919/20 Professor für praktische Philosophie mit besonderer Berücksichtigung der Pädagogik in Göttingen. Als sogenannter Reformpädagoge gewissermaßen antiautoritär; versprach er sich vom deutschen Faschismus zunächst eine Förderung der progressiven Pädagogik, ohne der NSDAP je beizutreten; verschickte seine drei Kinder „in eine bessere politische Atmosphäre“ nach England beziehungsweise Schottland; wurde 1937 entlassen und zur Fabrikarbeit eingezogen; wieder im Amt von 1945 bis zur Emeritierung 1949. (George Leaman: Heidegger im Kontext. Gesamtüberblick zum NS-Engagement der Universitätsphilosophen. Argument-Sonderband AS 205. Hamburg 1993, S. 67.)

[8„Günther Anders antwortet“ (wie Anm. 6).

[9„Dieser Dialog oder Pseudodialog, 1943 niedergeschrieben, als damals höchst aktuelle Persiflage der Universitätsphilosophie, ist heute zugleich spiegelverkehrt zu lesen. Sind es doch inzwischen die Tautologien des ‚Soziologenchinesisch‘, die unserer philosophischen Sprache am meisten zusetzen. H. P.“

[10Der „taz“-Vorspann beginnt mit: „Am 11. September erhält Günther Anders als Dritter den alle drei Jahre vergebenen Adorno-Preis.“ Darauf folgt das obige Zitat.

[11Günther Anders: Die molussische Katakombe, München (Beck) 2012. 2. Aufl., S. 334ff.

[12Deshalb habe ich einem Bericht von meinen Gesprächen mit Anders die Bitte vorausgeschickt, seinen Part in meinem Text nicht zu zitieren, als hätte er ihn autorisiert (ebd. Nachwort, S. 436); was mutatis mutandis auch für den „Esoterik“-Dialog gelten muss, weil den auftretenden Personen der genaue Wortlaut nicht zugerechnet werden kann, obschon der Inhalt authentisch ist – authentisch im Maße der Auffassungskraft, Sprachfertigkeit und Wahrheitsliebe des Kolporteurs, versteht sich; wie bei jedem Bericht.

[13Günther Anders: Sprache und Endzeit (II), § 5. In: FORVM 426-427/1989, S. 30; weiterführend erwähnt bei Christian Dries: Diese akademische Diktion trägt nicht. Theorie als kritische (Sprach-)Praxis bei Günther Anders. In: Aufklärung und Kritik 20 (2013), Nr. 2, S. 138–154; mit besonderem Bezug auf den Anders/Adorno-Briefwechsel: Reinhard Ellensohn: Trotz, Schwulst und literarischer Sadismus. Zu Günther Andersʼ Sprachkritik an Jaspers, Heidegger und Adorno. In: Sprachkritik als Ideologiekritik. Studien zu Adornos Jargon der Eigentlichkeit. Hrsg. v. Max Beck und Nicholas Coomann, Würzburg 2015, S. 162–176.

[14Günther Anders: Ketzereien. München (Beck) 1982, 2. Aufl. 1991, S. 230.

[15Theodor W. Adorno muss nicht vorgestellt werden. Nur im Zusammenhang sei erinnert: Etwa zwei Jahre vor dem bewussten Vortrag Tillichs war sein erster Anlauf zu habilitieren gescheitert und er befand sich im Status beruflicher Ungewissheit auf der Suche nach einer Anstellung.

[16Paul Tillich, evangelischer Theologe, ab 1929 an der Universität Frankfurt als Nachfolger des Philosophen Max Scheler, flüchtete 1933 in die USA, lehrte in Harvard und Chicago, wo er sich mit seiner „Systematischen Theologie“ in drei Bänden weltberühmt gemacht hat. – Günther Anders hielt 1929 vor der Kant-Gesellschaft in Frankfurt einen Vortrag über „Die Weltfremdheit des Menschen“ und übersiedelte dorthin im Jahr darauf, gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau Hannah Arendt und in der Absicht, sich in Frankfurt zu habilitieren, unter anderem bei Tillich; womit er seinerseits gescheitert ist, wie ein Jahr zuvor Adorno.

[17Irrige Zählung, recte: zum dritten Mal (von fünf, siehe Anm. 2–6).

[18Haug versteht den Dialog als Drei-Personen-Stück und identifiziert als dritte Person ganz richtig den Autor. Wenn die erste Person „T.“ wie Tillich ist und mir für die zweite Person, „Dr. A.“, nur Adorno übrig bleibt – wer ist dann verhagelt, ich oder Haug? Wen konnte er meinen, der für eine Doppeldeutigkeit von „A.“ (sic! ohne „Dr.“) in Frage kam? Ein nacktes „A.“ als Initiale kommt in dem ganzen Dialog nicht vor, erst „Nach dem Vortrag“, im Lokal“, wird Adorno so bezeichnet – der war da aber gar nicht mehr dabei.

[19Vermutlich gemeint: Hartmut Fladt, geboren 1945, Professor für Musiktheorie, Universität der Künste, Berlin.

[20Für den ersten Teil des „taz“-Vorspanns: siehe Anm. 10. Die Notiz über die musikalische Nebensache „His-Dur“ hat mindestens drei Leserbriefe hervorgerufen, die unter den Titeln „7 oder 12 Kreuze?“, „Nicht so eng“ und „Fisis-disis-eis“ erschienen sind; der letztgenannte geziert mit sorgsam gezeichneten Notenlinien, darauf zwei Kreuze und fünf Doppelkreuze. Die Tonart wird in Ulrich Reinhardt: Vollständiger Katalog aller Kompositionen aus Sieben Vorzeichen, Unterseite http://www.cisdur.de/hisdur.html, wie folgt notiert: fisis, cisis, gisis, disis, aisis, eis, his. Wie auf den Dialog gab es keine Reaktion auf Adornos „his-Moll“, zu dem nur die englische Übersetzung „seine Gangsterbraut“, auch seine „Nutte“ zu finden war. – Vielleicht hatte er ja ais-Moll gemeint, Reinhardt notiert es mit diesen sieben Kreuzen: fis, cis, gis, dis, ais, eis, his.

[21Konrad Paul Liessmann: Günther Anders und die Sprache der Philosophie. In: Urlaub vom Nichts. St. Wolfgang (Art & Science) 2004, S. 15–43; auch die praktische Absicht der bewusst nicht-akademischen Sprechweise erläuternd: Ders.: In der Schusslinie. Günther Anders und die Sprache der Philosophie. In: Rüdiger Zill (Hg.): Ganz Anders? Philosophie zwischen akademischem Jargon und Alltagssprache. Berlin 2007, S. 123–144.

[22Acht Blatt Typoskript, vom Autor handschriftlich korrigiert. Österreichisches Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖLA, Wien), Signatur: ÖLA 237/04.

[23K. P. L.: Hot Potatoes. Zum Briefwechsel zwischen Günther Anders und Theodor W. Adorno. In: Zeitschrift für kritische Theorie 6/1998, S. 29ff.; gekürzt vorabgedruckt unter: „Literarischer Sadismus“. In: falter 50/1997, S. 22; nachgedruckt in: Dirk Röpcke; Raimund Bahr (Hg.): Geheimagent der Masseneremiten – Günther Anders. Wien; St. Wolfgang (Edition Art Science) 2002, S. 77ff. In einer Fußnote bedauert Liessmann jeweils das Fehlen einer Genehmigung des Adorno-Archivs zum Abdruck von Briefstellen, weil es damals die auszugsweise Veröffentlichung von Briefen Adornos grundsätzlich nicht gestattet hat.

[24In diesem Heft („sans phrase 10, Frühjahr 2017) S. 122.

[25Gadamer ging 1949 nach Heidelberg, von wo im Jahr davor Jaspers, die politischen Verhältnissen in Deutschland angeekelt fliehend, einem Ruf nach Basel gefolgt war.

[26Was Horkheimer so hübsch verziert hatte, haben die Herausgeber des 2022 erschienenen Briefwechsels (siehe die nächsten Anmerkungen) nicht aufgenommen. Adorno hatte ja seinen Entwurf, der aber doch ein erhellendes Licht auf das ambivalente Verhältnis der Briefpartner wirft, nie realisiert, sondern vielmehr einbehalten.

[27Die Edition der vollständigen Korrespondenz bereiten derzeit Kerstin Putz und Reinhard Ellensohn vor, die sich schon unter anderem durch die Herausgabe von Hannah Arendt und Günther Anders: „Schreib doch mal hard facts über Dich.“ Briefe 1939 bis 1975, München (Beck) 2016 (Putz), und Günther Anders: „Musikphilosophische Schriften“. Texte und Dokumente, München (Beck) 2017 (Ellensohn), bewährt haben.

[28Günther Anders: „Gut, dass wir einmal die hot potatoes ausgraben.“ Briefwechsel mit Adorno, Bloch, Horkheimer, Marcuse und Plessner, Hg. von Reinhard Ellensohn und Kerstin Putz, Beck: München 2022.

[29Drei Seiten Typoskript, unkorrigiert; ÖLA 237/04

[30Ebd.

[31„Gegen ein neues und endgültiges Nagasaki“, am 11. September 1983 in der Paulskirche als Videobotschaft des krankheitshalber verhinderten Preisträgers vorgeführt. In: Theodor-W.-Adorno-Preis 1983 der Stadt Frankfurt am Main. Hrsg. v. Dezernat Kultur und Freizeit der Stadt Frankfurt am Main 1983, S. 14f.

[321 Blatt (Typoskript-Durchschlag, 2/3 A4), datiert „79“, Einlage in: Günther Anders: Tagebücher und Gedichte. München (Beck) 1985, Handexemplar des Autors.