Zeitschriften und Zeitungen

polar

Halbjahresmagazin zu Politik, Kultur, Theorie und Alltag. Ansätze und Analysen finden sich in Essays, Interviews, Reportagen und Kolumnen.

Was will polar?

Es handelt sich bei politischen Zeitschriften im Idealfall um Laboratorien für neue, unvorhersehbare Gedanken, Diagnosen und Perspektiven. Um Laboratorien, in denen neue Anordnungen entwickelt, neue Themenfelder erkundet und Ansätze weitergedacht werden können. In denen Elemente neu kombiniert werden, Perspektiven ungewohnt kollidieren.

Politische Zeitschriften wären in diesem Sinne Orte, an denen andere gesellschaftliche Möglichkeiten aufgezeigt werden, Bilder für diese anderen Möglichkeiten entstehen – und damit der Raum für demokratische Politik überhaupt erst eröffnet wird. Das Politische fängt – aus dem Verständnis der Demokratie heraus – erst dort an, wo aus der Zelle des Unabdingbaren und Notwendigen ein Raum der Auseinandersetzung um Möglichkeiten wird. There is an Alternative.

Eine solches Verständnis hat allerdings wiederum starke Voraussetzungen in der Produktionsweise einer politischen Zeitschrift: Die Produktion sollte in einem experimentellen Raum stattfinden, in der die abgesicherte Sprache - sei es des Wissenschaftsbetriebs, sei es im Politikbetriebs - durchbrochen werden kann. In beiden Milieus sind die sprachlichen Absicherungsmechanismen – auf völlig unterschiedliche Weisen - immens, um nicht aus dem Akzeptanzrahmen zu fallen. Sie sollte – wenn man so will – ein gesicherter Raum für entsicherte Texte sein, für offengelegtes, intensives Denken ohne Angst vor der Blamage, ohne Angst aus dem Rahmen zu fallen. Wenn einer politischen Zeitschrift dieses gelingt, ist schon viel gewonnen.

Die Produktion benötigt in einem doppelten Sinn einen diskursiven Raum. Zum einen sind ein intensiver redaktioneller Dialog, redaktionelle Auseinandersetzung und redaktioneller Streit unverzichtbar, um auf die interessanten Themen und Fragen zu stoßen. Zum anderen geht es darum, den diskursiven Entstehungsprozess von Fragestellungen und Positionen auch im Heft abzubilden und diese so verständlich zu machen.

Und die Produktion braucht schließlich — auf dieser Grundlage — ein stark kuratierten Raum, in dem die verschiedenen Positionen – Themen und Fragestellungen, Standpunkte und Perspektiven — sehr bewusst ausgewählt werden. So beginnen die Texte miteinander zu sprechen, sich zu ergänzen und zu kollidieren. (polar hat sich deshalb von Anfang an dafür entschieden, sich in jeder Ausgabe nur ein Thema vorzunehmen.)

Politische Zeitschriften, die sich in diesem Sinn als Laboratorien verstehen, haben die Innovationskraft, langsam und meist über Umwege in eine breitere Öffentlichkeit durchzusickern. Gute Bands haben immer in kleinen Clubs angefangen. Bis sie dann massenkompatibel abgekupfert werden oder selbst in den großen Hallen stehen, kann einige Zeit ins Land gehen (und das Ergebnis ist oft nur noch halb so wild).

Vor dem Hintergrund einer solchen Funktionsbestimmung ist es mit Blick auf viele kleinere politische Zeitschriften doch überraschend, wie zufällig die Kompilation der Beiträge erscheint und wie harmlos deren Gehalt oft ist. Manchmal kommt es einem fast so vor, als würde man halt nehmen, was im Umfeld an Texten eh schon da ist. Hauptsache die Zeitschrift ist voll. Umgekehrt gibt es immer wieder Ausgaben von Zeitschriften, denen aufregende Expeditionen in unerschlossenes Terrain gelingen. Manchmal reicht dafür schon ein guter Essay. Oft ist es aber eben eine Gruppenexpedition mit unterschiedlichen Perspektiven und Positionen.