Otto Primavesi
Beiträge
FORVM, No. 162-163

Egalité der Künste

Zur Geschichte der Wiener Werkstätte
Juni
1967

Die industrielle Revolution setzte in Österreich nach 1848 vehement und in vollem Umfang ein. Innerhalb einer Generation konnte die größte kontinentale Macht den Vorsprung Englands und Frankreichs einholen und als gleichwertiger Konkurrent auftreten. Schon auf der Weltausstellung in Wien im Jahre (...)

Otto Primavesi (* 27. Februar 1868 in Olmütz, Mähren; † 8. Februar 1926 in Wien) war ein mährisch-österreichischer Bankier, Industrieller, und Mäzen von Anton Hanak, Gustav Klimt und Josef Hoffmann, der sich mit seinem Einsatz für die Wiener Werkstätte de facto ruinierte.

Seine Vorfahren stammten aus der Lombardei. Die Familie übersiedelte zu Ende des 18. Jahrhunderts nach Olmütz und nahm eine Führungsposition in der Finanz- und Wirtschaftswelt Mährens ein. Otto Primavesi hielt mit seinem Bruder gemeinsam die Zwei-Drittel-Majorität des Vereins mährischer Zuckerfabriken, die Flachsspinnerei in Lichtenwerden, die Jutespinnerei im Würbenthal, und ein Bankhaus in Olmütz.

Nach dem Ausscheiden des ersten Financiers Fritz Waerndorfer der Wiener Werkstätte übernahm Otto Primavesi 1915 mit Unterstützung durch seinen Cousin Robert Primavesi die in Liquidation getretene Produktivgenossenschaft von Kunsthandwerkern, die Josef Hoffmann, Koloman Moser und Fritz Waerndorfer 1903 gegründet hatte.

Otto Primavesi war zuvor Auftraggeber von Josef Hoffmann gewesen für die Modernisierung seines Bankhauses in Olmütz, dann mit der Ausgestaltung von zwei Zimmern in seiner Olmützer Villa[1][2] und mit der Errichtung des Landhauses im mährischen Winkelsdorf, das 1920 vermutlich durch Brandstiftung abbrannte.

Eine besondere Rolle bei der Kunstförderung ihres Mannes spielte die Gattin Eugenia Primavesi, geborene Butschek (1874–1963). 1912 und 1913 gab ihr Gatte bei Gustav Klimt die Porträts seiner neunjährigen Tochter Mäda Gertrude Primavesi (auch „Mäda“ genannt; Olmütz 1903–2000)[3] und seiner Frau Eugenia in Auftrag.

Eugenia Primavesi war eine Wiener Schauspielerin, die bei einem Auftritt in Olmütz Otto Primavesi kennengelernt hatte und 1894 heiratete. Der Ehe von Otto und Eugenia Primavesi entstammten vier Kinder.

Gustav Klimt: Porträt Eugenia Primavesi (1913–1914)
Gustav Klimt: Porträt Mäda Gertrude Primavesi (1912)

Die Wiener Werkstätte stand 1915 bis 1925 unter der Führung von Otto Primavesi. Ungeachtet anfänglicher Expansion, etwa der Gründung einer Vertretung in Berlin (1916) und von Filialen in Marienbad (1917), Zürich (1917), Velden (1922) und New York (1922) kam es ab 1918 wieder zu großen finanziellen Schwierigkeiten. Besonders Eugenia Primavesi setzte sich allerdings bedingungslos für die elitäre kunsthandwerkliche Linie der Wiener Werkstätten ein. Otto Primavesi trat in der Folge am 25. Juni 1925 als Geschäftsführer zurück und trennte sich von Eugenia, übertrug ihr aber seine Anteile an der Wiener Werkstätte.

Wenige Wochen nach dem Tod von Otto Primavesi, im Mai 1926, wurde über die Wiener Werkstätte das Ausgleichsverfahren eröffnet, bereits im April davor erfolgte der Konkurs des Bankhauses Primavesi in Olmütz. Er musste davon gewusst haben, so dass er vorher Selbstmord beging.

Otto Primavesi starb am 8. Februar 1926 im „Krankenhaus und Sanatorium der Wiener Kaufmannschaft“ in der Peter-Jordan-Straße 82 (heute von der Universität für Bodenkultur genutzt), in die er geschwächt durch eine Lungenentzündung eingeliefert worden war. In der Sterbeurkunde der Pfarre Döbling und gegenüber der Wiener Presse wurde die Todesursache nur mit „Lungenentzündung“ angegeben, so dass nicht öffentlich bekannt wurde, dass er seinem Leben selber ein Ende gemacht hat.[4] Seine Urne wurde auf der Familiegrabstätte in Ölmütz beigesetzt. Wenige Wochen später starb auch sein Vetter Robert Primavesi.

  • Tobias G. Natter: Die Welt von Klimt, Schiele und Kokoschka. Sammler und Mäzene. DuMont, Köln 2003, ISBN 3-8321-7258-0.
  • Herta Neiß: Wiener Werkstätte. Zwischen Mythos und wirtschaftlicher Realität. Böhlau, Wien/Köln/Weimar 2004, ISBN 3-205-77147-8.
  • Claudia Klein-Primavesi: Die Familie Primavesi. Kunst und Mode der Wiener Werkstätte. Klein-Primavesi, Wien 2006, ISBN 3-200-00790-7. (Enthält Familienchronik).

Einzelnachweise

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  1. Villa Primavesi in Olmütz: Perle des Wiener Jugendstils mit wechselhaftem Schicksal. 9. September 2022, abgerufen am 5. März 2024.
  2. Vila Primavesi, Olomouc. History of vila Primavesi, abgerufen am 23. Februar 2021 (englisch).
  3. Mäda Primavesi im Metropolitan Museum of Art, Erwerbungsnr. 64.148, abgerufen am 20. Juni 2013 (englisch).
  4. siehe Eintragung „Selbstmord“ bei MyHeritage durch Familienangehörige