Gerd Albartus

Gerhard Heinrich Albartus, genannt Gerd Albartus (* 1950 in Papenburg; † Dezember 1987) war ein deutscher Terrorist der Revolutionären Zellen. Er wurde von palästinensischen Terroristen ermordet.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Sohn eines Polizeibeamten studierte Pädagogik an der Freien Universität Berlin und engagierte sich in der studentischen Gruppe „Sozialistisches Studium“. Gemeinsam mit Johannes Weinrich und Gerd-Hinrich Schnepel gab er zeitweise die Zeitschrift Erziehung und Klassenkampf heraus. Schnepel und Weinrich gewannen Albartus nach der Spaltung der Revolutionären Zellen für ihre Fraktion.[1]

Erste Verhaftung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Albartus legte am 4. Januar 1977 gemeinsam mit Enno Schwall in dem Aachener Kino Gloria-Palast eine Brandbombe, weil dort der Film Unternehmen Entebbe über die Entebbe-Entführung gezeigt wurde. Die Revolutionären Zellen betrachteten diesen Film als „üblen Hetzfilm“ der „Zionisten“, der „imperialistische Gewalt verherrliche und rassistische Unterdrückung sowie Mord an Palästinensern und Afrikanern legitimiere.“[2] Der Zeitzünder der Bombe versagte, detonierte aber bei dem Versuch der Polizei, sie zu entschärfen. Albartus, der bereits seit dem 15. Dezember 1976 von der Polizei überwacht wurde, nachdem er bei einem versuchten Autodiebstahl ertappt worden war, und Schwall wurden am 5. Januar 1977 verhaftet.[3] Albartus wurde wegen versuchter Brandstiftung „in Tateinheit mit mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung“ zu vier Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt.[4] Im Oktober 1981 wurde er aus der Haft entlassen.[5]

Arbeit als Journalist[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mitte der 80er Jahre arbeitete Albartus als freier Journalist, unter anderem für den Westdeutschen Rundfunk und die taz.[6] Jedoch hatte er nach seiner Haftentlassung wieder Kontakt zu Johannes Weinrich und Magdalena Kopp aufgenommen, die er von den Revolutionären Zellen her kannte und die beide mit Ilich Ramírez Sánchez, genannt Carlos, befreundet waren. Albartus beteiligte sich an den Vorbereitungen zum Anschlag auf das französische Kulturzentrum Maison de France in Berlin 1983.[7] Der Anschlag war maßgeblich von Carlos und Weinreich geplant worden, um Carlos’ Lebensgefährtin Kopp aus französischer Haft freizupressen.

Ermordung durch die Carlos-Gruppe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Darstellung Magdalena Kopps wurde Albartus, der inzwischen für die Die Grünen in Brüssel arbeitete, von der palästinensischen Gruppe um Carlos, 1987 nach Damaskus eingeladen. Albartus konnte der Einladung erst in der Weihnachtszeit folgen, sei dort von Carlos und Weinrich vor ein Tribunal gestellt, zum Tode verurteilt und erschossen worden. Hintergrund sei wohl gewesen, dass man Albartus für einen Spitzel des Ministeriums für Staatssicherheit hielt.[8] Nach anderen Angaben flog Albartus nach Damaskus, um sich vom Terrorismus loszusagen. Deshalb sei er dort unter dem Vorwurf des Verrats vor ein Femegericht gestellt, zum Tode verurteilt und sofort erschossen worden.[7] Andere Vermutungen besagen, dass Albartus’ Homosexualität der Grund gewesen sein könnte.[9][10]

Im Dezember 1991 veröffentlichten die Revolutionären Zellen ein Papier mit dem Titel „Gerd Albartus ist tot“[11], das als Wendepunkt in der Geschichte der Gruppe gilt. Zum ersten Mal setzen sich die Revolutionären Zellen darin umfangreich mit dem Antisemitismus in den eigenen Reihen im Zusammenhang mit der Entebbe-Entführung auseinander.[12]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Oliver Schröm: Im Schatten des Schakals: Carlos und die Wegbereiter des internationalen Terrorismus. Ch. Links, Berlin 2002.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Oliver Schröm: Im Schatten des Schakals: Carlos und die Wegbereiter des internationalen Terrorismus. Ch. Links Verlag, 2002, S. 125f.
  2. Schröm: Schatten, S. 126.
  3. Gerd Albartus: Offener Brief an Rudolf Raabe. Website des „Berliner Bündnisses für Freilassung“, abgerufen am 14. Januar 2017 (Von Albartus anlässlich seiner Verhaftung verfasst.).
    Schröm: Schatten, S. 126–135.
  4. Schröm: Schatten, S. 178.
  5. Markus Mohr: Legenden um Entebbe. Ein Akt der Luftpiraterie und seine Dimensionen in der politischen Diskussion. Unrast, Münster 2016, ISBN 978-3-89771-587-5, S. 172.
  6. Josef Hufelschulte: Terrorismus: Kopfschuss für Verräter. Focus 38/1998, 14. September 1998, abgerufen am 14. Januar 2017.
  7. a b Tobias Ebbrecht-Hartmann: Kampfplatz Kino. Filme als Gegenstand politischer Gewalt in der Bundesrepublik. In: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 41 (2014), S. 161–180, hier S. 178.
  8. Schröm: Schatten, S. 278f.
  9. Zeiten des Zorns – Zur Geschichte und Politik der Revolutionären Zellen. Mitschnitt einer Veranstaltung über die RZ am 22. März 2001 im SO 36 in Berlin-Kreuzberg, in der Klaus Viehmann umfangreich über Albartus referiert (1:27 Stunde, mp4, 321 MB).
  10. Roland Kaufhold: 40 Jahre nach Entebbe. Deutsche Linke, Erinnerungen an den Holocaust und Antizionismus. In: hagalil.com. hagalil, 2. Februar 2017, abgerufen am 25. August 2018 (deutsch).
  11. Gerd Albartus ist tot. Website des „Berliner Bündnisses für Freilassung“, Dezember 1991, archiviert vom Original am 25. Juli 2001; abgerufen am 14. Januar 2017 (Nachruf für Gerd Albartus).
  12. Willi Bischof, Irit Neidhardt: Wir sind die Guten. Antisemitismus in der radikalen Linken. Unrast, Münster 2000, ISBN 3-89771-400-0, S. 159.
    Johannes Wörle: Erdung durch Netzwerkstruktur. Revolutionäre Zellen in Deutschland. In: Alexander Straßner (Hrsg.): Sozialrevolutionärer Terrorismus. Theorie, Ideologie, Fallbeispiele, Zukunftsszenarien. Wiesbaden 2008, S. 269.